Kultur von Studis für Studis: Seit Jahrzehnten ist das Café Wagner bzw. MVZ Wagner fester Bestandteil der Jenaer Kulturszene und über die Stadtgrenzen hinweg in ganz Thüringen bekannt. Wegen dringend notwendiger Sanierungen des alten Hauses musste der Verein die gewohnten vier Wände für zwei Jahre verlassen. Seit knapp einem Jahr logiert das Wagner nun in einer neuen Location. The show must go on – in der alten Kinderklinik unweit des Bahnhofs Jena West.
„Musikalisches Versorgungszentrum“ belebt ehemalige Kinderklinik
Mit dem neuen Ort kam ein neues Kürzel: MVZ. „Es gibt ja im medizinischen Bereich das ‚Medizinische Versorgungszentrum‘. Wir haben uns aufgrund der aktuellen Lage in der alten Kinderklinik für ‚Musikalisches Versorgungszentrum‘ als Beinamen entschieden und wollten das Label Wagner halten, um nicht in Vergessenheit zu geraten“, verrät Oliver Schubert vom Wagner e. V. Getroffen werden solche Entscheidungen immer basisdemokratisch: Alle zwei Wochen trifft sich der Verein mit dem Kulturbeirat, um über alle Veranstaltungen, die es im Wagner potenziell geben kann, und andere Entscheidungen abzustimmen. Daneben gibt es diverse Gremien und einen Vorstand, sodass der Verein aktuell auf circa 35 aktive ehrenamtliche Mitglieder kommt. Da viele Studierende mitwirken, fluktuiert die Zahl immer ein bisschen, denn die Mitglieder kommen und gehen.
Der Wagner e. V. oder auch „Verein für studentische Kultur“ bietet aber nicht nur für Studis, sondern im Grunde für jede Kultur-interessierte Person Raum für kreative Entfaltung, erzählt Louie Asfour: „Wir sind ein Ort vor allem für Studis – aber nicht nur –, um sich auszuprobieren, Veranstaltungen selbst auf die Beine zu stellen und mitzugestalten. Wir möchten ein Angebot schaffen, das eine große Bandbreite abdeckt, und die Möglichkeit bieten, eigene Spuren zu hinterlassen.“
Am Wochenende Partys und Raves
Ohnehin ist es bemerkenswert, wie breitgefächert das Angebot des Wagner ist. Unter der Woche finden vor allem Lesungen, Kino-Abende, Impro-Theater, Konzerte und Open-Stage-Konzepte wie die „Wagners Corner“ statt. Am Wochenende vervollständigen Partys und Raves das Programm, sodass unterm Strich 250 bis 300 Veranstaltungen im Jahr im Wagner stattfinden.
Zu DDR-Zeiten ein Kulturhaus
Und das hat Tradition. Oliver nimmt uns mit auf eine kleine Zeitreise: „Das Café Wagner war schon immer ein Studierendenhaus und bereits zu DDR-Zeiten ein Kulturhaus. Damals hat zum Beispiel der Veranstalter Thomas Eckardt von der Jazzmeile schon Konzerte im Wagner gemacht. Es war immer vom Studierendenwerk selbst betrieben – tagsüber als Café mit einem schmalen Mittagstisch und abends gab es Kultur für studentische Initiativen. 2001 hat das Studierendenwerk es nicht mehr halten können und einige Mitglieder haben dann einen Verein gegründet – den Wagner e. V. –, um das Café Wagner weiter betreiben zu können. Und seitdem gibt es uns.“
Seit jeher finanziert sich der Verein eigenständig und hängt an keiner institutionellen Förderung. Durch die Bandbreite der Veranstaltungen, insbesondere die Partys und Konzerte, trägt der Verein sich selbst. „In der Vergangenheit waren vor allem die ‚Initiative Musik‘ oder der ‚APPLAUS‘-Preis gute Fördermittel-Geber für die Live-Veranstaltungen“, so Oliver. „Diese Veranstaltungen helfen dann auch, andere zu finanzieren, die sich nicht so gut selbst tragen, und um anständige Gagen für die Künstler:innen zahlen zu können,“ ergänzt Louie.
Kernsanierung für das alte Café
„Aber gerade für Fördermittel wie die der ‚Initiative Musik‘ müssen vorher Anträge geschrieben werden, denn die bekommt ja nicht einfach so. Da stecken wir viel Energie rein.“ Viel Energie und Geld benötigte es auch für den Umzug vom Café ins MVZ in der alten Kinderklinik. Eine Kernsanierung für das alte Café in der Wagnergasse 26 stand seit 2016 im Raum. Die Liste ist lang: Die komplette Hausanlage mit Gas, Wasser und Strom sowie die Fassade und der Toilettentrakt werden erneuert. „Eine Außentreppe für das Obergeschoss als zweiter Rettungsweg kommt dran, damit man das öffentlich nutzen kann, und ganz wichtig: Eine Lüftungsanlage, damit es im Sommer nicht mehr von der Decke tropft“, schmunzelt Oliver. Des Weiteren wird die Barrierefreiheit durch einen ebenerdigen Zugang verbessert.
Damit der Verein während der Sanierungen fortbestehen kann, wurden nach einer Übergangslösung gesucht: „Der Studierendenbeirat der Universität wollte für uns kämpfen und hat uns geraten, einen Brief an die Universität zu schreiben. Eine engagierte Mitarbeiterin hat sich für uns eingesetzt und dann kam die alte Kinderklinik ins Gespräch – insbesondere wegen des Hörsaals, in dem es schon eine Bühne gab“, so Oliver. Diese musste ihrerseits erstmal für Veranstaltungen hegerichtet werden: Schallschutz, ein Ausbau der Bühne, fließend Wasser und Strom, die Abwasserleitungen … Wieder wurden zahlreiche Förderungen und Zuschüsse beantragt, auch ein Crowdfunding half, um letztendlich 120.00 Euro zu sammeln.
„Es war ein stetiger Prozess“
„Klar ist das viel Geld für nur zwei temporäre Jahre, aber wir standen vor der Möglichkeit, entweder den Verein ruhen zu lassen, Veranstalter und Mitglieder zu verlieren oder diesen Weg zu gehen. Und das hat geklappt“, resümiert Oliver. „Das war schon anstrengend“, erinnert sich Louie. „Es war ein stetiger Prozess und die erste Veranstaltung war sehr spontan im August 2023, sobald die Infrastruktur einigermaßen stand. Im September haben wir dann eine offizielle Eröffnung zelebriert.“ Als Deadline für die Sanierungen wird der April 2025 angepeilt, aktuell läuft alles nach Plan. Der Nutzungsvertrag für das Ausweichgebäude läuft bis Ende des Jahres, aber Verlängerungsmöglichkeit besteht, damit die zeitliche Lücke bis zum April geschlossen werden kann. Das Wagner hat sich in der alten Kinderklinik gut eingerichtet – inklusive selbst gebautem Sommergarten für die warmen Monate. Schwierigkeiten gibt es jedoch mit der neuen Nachbarschaft, welche noch nicht daran gewöhnt ist, einen Club in unmittelbarer Nähe zu haben. „Offiziell sind wir völlig im Rahmen, was Lautstärkepegel und Richtlinien angeht. Wir geben uns Mühe, informieren die Nachbar:innen, sind offen für Gespräche und haben ein Telefon, bei dem sogar nachts angerufen werden kann“, erzählt Louie.
Neues Gremium kämpft für den Erhalt lebendiger Clubszene
Ein heikles Thema für Clubs, denn es sind schon einige an den Auflagen gescheitert und mussten deswegen schließen. „Es heißt ja immer, Jena sei eine junge und bunte Stadt, jedes Jahr kommen 5000 neue Studis hierher … Denen muss man natürlich auch was bieten und dahingehend Möglichkeiten schaffen. Und wenn es an diesen Lärmproblemen scheitert, ist das sehr schade“, befindet Oliver. Jedoch gibt es Bestrebungen, eine ständige Nachtkulturvertretung zu installieren, welche sich für die Jenaer Nacht- und Subkultur einsetzt, damit Institutionen wie dem Wagner ein Platz im Stadtbild von Jena gesichert bleibt.
Hard Facts:
- Wo: Kochstraße 2a in Jena
- Wann: Mit ausgewählten Terminen vom 12. September bis 15. September
- Termine:
12. September, 20 Uhr: Wagners Corner – Open Stage |
13. September, 21 Uhr: Kollege Hartmann & Sir Mantis; Support: TrueLu |
14. September, 21 Uhr: ULTRA SOLI: Blockage + The Detained + Drink Deep | - Website
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