Syuzanna Fiberg zeigt sich merklich bewegt. Ihr Projekt, das Forum Theater, das sie gemeinsam mit Theaterpädagoge Thilo Krumeich erstmals 2022 in Erfurt realisierte, sei ein Paradebeispiel dafür, wie Kultur gegenseitiges Verständnis und Integration fördern kann. Mittlerweile konnte sich das Format sogar über die Grenzen der Thüringer Landeshauptstadt hinaus etablieren. Das Geheimnis: gemeinsames Skripten, Erarbeiten von Szenen und natürlich dem Aufführen stehen im Fokus. Der Inhalt: ganz alltägliche Gegebenheiten, die zum Nachdenken anregen. Das Besondere: das Publikum wird einbezogen und so umso mehr animiert, das Gezeigte zur reflektieren.
Forum Theater in Erfurt wächst
Kein Wunder, dass sich das, was vor über zwei Jahren unter anderem mit Auftritten im Kultur-Café Franz Mehlhose begann, sich laut Syuzanna zum Publikumsliebling entwickelte. „Dank der Rückmeldungen der Zuschauer entstanden neue Szenen, die auch Themen wie politische Debatten innerhalb der Familie aufgreifen. Das Publikum war nicht nur aktiv beteiligt, sondern brachte eigene Ideen ein und spielte sogar selbst auf der Bühne mit“, erklärt die Projektkoordinatorin.
Einzigartige Atmosphäre erschaffen
Besonders der Austausch über ähnliche Alltagserfahrungen und die Vielfalt der Zuschauer hätten demnach dazu beigetragen, eine einzigartige Atmosphäre zu erschaffen, in der sich alle willkommen fühlten. „Viele blieben noch Stunden nach dem Auftritt, um weiter zu diskutieren und die intensive Erfahrung zu reflektieren“, berichtet die Forum-Theater-Chefin, die gemeinsam mit ihrem bunt zusammengewürfelten Team die Franz Mehlhose als dauerhafte Bühne gewinnen konnte. Der Erfurter Kultur-Ort sei die perfekte Begegnungsstätte, die Menschen verschiedener Altersgruppen, Hintergründe und Lebensrealitäten zusammenbringe. „Genau das Publikum, das für die Methode des Forum-Theaters ideal ist. Je bunter und vielfältiger das Publikum, desto erfolgreicher der Auftritt“, erklärt Syuzanna.
Von nun an gehört die Bühne in der Löberstr. 12 an jedem letzten Dienstag im Monat dem Forum Theater, das derzeit voll in den Proben für ein neues Stück steckt, welches am 24. September in der Mehlhose Premiere feiern soll. Und dabei ist jetzt bereits eines klar: es wird keine herkömmliche Theateraufführung: „Während beim traditionellen Theater die Zuschauer passiv sind, wird im Forum- Theater das Publikum aktiv in die Handlung eingebunden, was die Chance bietet, reale Probleme und Konflikte aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, erklärt die Projektleiterin und fügt an: Diese Interaktivität kann jedoch auch Herausforderungen mit sich bringen, wie die Notwendigkeit, flexibel auf spontane Beiträge zu reagieren und sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört werden. Gleichzeitig schafft es eine inklusive und dynamische Atmosphäre, die den Theaterabend für alle Beteiligten bereichernder macht.“
Premiere in der Franz Mehlhose in Erfurt
Doch wie muss man sich diese Interaktivität vorstellen? Laut Syuzanna interagiert das Publikum aktiv mit den Szenen, indem es Vorschläge für alternative Handlungswege einbringt und die dargestellten Konflikte beeinflusst. Zuschauer können auf der Bühne selbst eingreifen oder über Diskussionsrunden ihre Ideen einbringen, was zu dynamischen und oft überraschenden Entwicklungen führt.
Expansion des Theaterprojektes
Und eine dieser Entwicklungen ist auch die Expansion des Theaterprojektes nach Nordhausen, Altenburg, Jena und Gera, wo sich mittlerweile eigene Gruppen zusammengefunden haben. Doch das scheint wenig zu überraschen, denn seit Beginn der Initiative im Jahr 2022 verfolgte das Forum-Theater-Team den Plan, weitere Gruppen zu etablieren, um die Methode nachhaltig zu verankern und den Menschen vor Ort in den anderen Thüringer Städten die Möglichkeit zu geben, Themen selbst zu bearbeiten. Dies trage nicht nur zur Fortführung des Projekts bei, sondern ermögliche es auch den Laienschauspielern, ihre Erfahrungen als Workshopleiter:innen weiterzugeben.
Jeder Standort bringt unterschiedliche Menschen zusammen
„Natürlich gab es dabei Herausforderungen. Jeder Standort bringt unterschiedliche Menschen und spezifische Themen mit sich. In Jena beispielsweise arbeiten wir mit einer multikulturellen Gruppe, die aus Menschen aus fünf verschiedenen Ländern besteht, wobei der Großteil junge Leute sind“, schildert Syuzanna. Diese Vielfalt bringe sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Zudem ist es logistisch nicht immer einfach, regelmäßige Besuche in den entfernten Städten wie Altenburg zu koordinieren, da die Anreise zeitaufwendig ist. „Dennoch sind diese Herausforderungen Teil des Prozesses, und wir arbeiten kontinuierlich daran, die Zusammenarbeit in den neuen Städten zu optimieren“, konstatiert die Projektleiterin.
Dass die Reise sich aber nicht nur für die Theatermitglieder lohne, zeigen die diversen Ansätze, die in den verschiedenen Städten gefahren werden. Zwar nutzen alle Gruppen die gleiche Grundmethodik des Forum-Theaters, aber die thematischen Schwerpunkte variieren je nach Standort und den spezifischen Bedürfnissen der Gruppen stark. In Erfurt liegt der Fokus beispielsweise auf Themen wie Diskriminierung und Rassismus. In Nordhausen befasst sich die Gruppe mit Belästigung am Arbeitsplatz, während in Altenburg Rassismus im Vordergrund steht. Diese Unterschiede reflektieren die unterschiedlichen Erfahrungen und Herausforderungen der jeweiligen Gemeinschaften, was dem Forum- Theater seine Anpassungsfähigkeit und Relevanz verleihe.
Situationen müssen aus der Realität kommen
Dabei ist, wie Syuzanna erklärt, ein Punkt immer im Zentrum: Die dargestellten Situationen müssen aus der Realität der Teilnehmenden stammen. „Sie wurden häufig von ihnen selbst erlebt, was sicherstellt, dass die Themen authentisch und relevant sind.“ So trage das Forum-Theater direkt dazu bei, Vorurteile abzubauen und den interkulturellen Austausch zu fördern. „In Nordhausen führte ein Forum-Theater-Auftritt über Belästigung am Arbeitsplatz zu einem intensiven Dialog zwischen den Zuschauern. Eine Zuschauerin, die sich anonym an einer Diskussion beteiligte, berichtete, dass sie durch das Theaterstück die Notwendigkeit erkannte, offener über solche Themen zu sprechen und konkrete Schritte zum Schutz von Mitarbeitenden einzuleiten“, erinnert sich die Theater-Chefin, die noch einige weiter Beispiele anführen kann.
Ein Stück in Jena
So ging es in einem Stück in Jena um Sexismus in einer Kneipe. Die Zuschauer beobachteten eine typische Alltagssituation, in der sexistische Bemerkungen fielen. Mitten im Geschehen: eine Kellnerin, die in ihrer Rolle Teil des Konflikts war. „Ein besonders bemerkenswerter Moment war die Reaktion einer Zuschauerin, die ursprünglich der Meinung war, dass solche Verhaltensweisen in diesem Umfeld ‚normal‘ seien, da sie selbst aus der Gastronomie stammt. Durch die interaktiven Elemente der Aufführung, bei denen das Publikum die Szenen beeinflussen und alternative Handlungswege vorschlagen konnte, wurde ihr klar, wie schädlich solche Verhaltensweisen tatsächlich sind“, erzählt sie weiter.
Es sind die aktuellen Themen der Zeit, die von den Schauspielern berührt werden: Diskriminierung und Rassismus, interkultureller Austausch sowie Empowerment und Sichtbarkeit. „Durch die Arbeit im Forum- Theater wird nicht nur das Bewusstsein für die Herausforderungen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte geschärft, sondern es wird auch ein Dialog zwischen verschiedenen Perspektiven gefördert. Dies trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und ein inklusiveres Miteinander zu schaffen“, freut sich Syuzanna, die bereits weiter in die Zukunft des Forum -Theaters plant.
Fokus in Jena auf Jugendlichen
„Unser oberstes Ziel ist es, Fördermittel zu finden, um das Projekt über das Ende der laufenden Finanzierung hinaus fortzusetzen. Bis zum Jahresende planen wir den Aufbau von zwei weiteren Satelliten, einen in Arnstadt und einen in Jena, wobei der Fokus in Jena auf Jugendlichen liegen soll. Darüber hinaus sind weitere Auftritte in Städten wie Nordhausen, Gera, Jena und Erfurt vorgesehen. Zudem möchten wir das Forum -Theater als präventives Konzept für Jugendliche direkt in Thüringer Schulen integrieren. Ein großer Wunsch ist es, regelmäßig in Erfurt aufzutreten, und wir freuen uns über jede Unterstützung und Idee von Leser:innen.“
Hard Facts:
- Premiere: 24. September | 19 Uhr
- Wo: Franz Mehlhose | Löberstr. 12 | Erfurt
- Weitere Infos und Termine: www.zlg-ev.de