Es ist Ende Juni und die erste Woche der Sommerferien verabschiedet sich schon. Doch kein Grund zum Unmut. Weitere fünf Wochen stehen an, um im Schwimmbad Arschbombe zu machen, an irgendeinem Pool am Mittelmeer abzuhängen, obwohl es am Strand eigentlich viel schöner wäre und die Leber mit Unmengen an Aperol Spritz und Weißweinschorle zu überfordern. Nebenbei ist auch noch Fußball Europameisterschaft und Menschen besuchen Deutschland, deren Familie zuletzt vor knapp 80 Jahren zu Besuch waren.
Was passiert mit unserem digitalen Nachlass?
Die großen Probleme wie Klimawandel, Kriege, Inflation oder bevorstehende Wahlen werden in die hinterste Bewusstseinsecke verbannt und mit ordentlich Dopamin betäubt. „Der Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war“, sagte eins Mark Twain und liefert damit die beste Ausrede, um herrlich zu prokrastinieren und Verpflichtungen gekonnt zu ignorieren. Und warum nicht? Die Hälfte der Kolleg:innen sind im Urlaub und der Blick aus dem Fenster ist wesentlich attraktiver als der auf Windows.
Jede und jeder in Deutschland sollte diese wenigen Wochen voller Wärme, Licht und sozialer Interaktion ganz tief ins Herz einschließen. Denn irgendwo dahinten am Bewusstseinshorizont wartet schon der unerbittliche Winter. Die Jahreszeit, in der Licht und Wärme Mangelware sind und sich die Tage wie elender Kaugummi ziehen. Nicht ohne Grund verziehen sich Bär, Hamster und Murmeltier in irgendein Erdloch, um ausgelassen Winterschlaf zu zelebrieren, während wir trottelig am Smartphone bibbern, oder uns mit letzter Kraft an bunt geschmückten Bäumen ergötzen. Der Winter ist ein hart gesottener Geselle, der nur wenige Fans um sich versammeln kann. So wird er jeden März aufs Neue zum Sommergewinn in Eisenach angezündet und sein Ende beklatscht.
Hohe Todeszahlen zwischen Dezember und März
Doch mit dem Winter endet auch jedes Jahr ein weiteres, oft gerne ignoriertes Kapitel. Während in den Spätsommermonaten die Todeszahlen in Deutschland am niedrigsten sind, wird zwischen Dezember und März am meisten gestorben. Ja, auch das gehört zur bitteren Wahrheit des Winters. Und wenn ihr euch jetzt vor Schreck das lauwarme Radler über die rot gebräunte Haut geschüttet habt, dann denkt daran, dass das Hautkrebsrisiko in Deutschland jährlich steigt. Es tut mir wirklich sehr leid, mit solch einem Unwohlthema um die Ecke zu kommen.
Mit bewussten Entscheidungen
Alleine wie lange ich gebraucht habe, um endlich zum Punkt zu kommen, zeigt ja auch, wie sehr ich mich weigere. Doch bevor man den Planeten mit seinen drolligen Bewohner:innen eines Tages verlässt, sollte man sich um ein paar Dinge gekümmert haben. Ob die Beschaffung eines Organspendeausweises, einer Patientenverfügung oder das Bevollmächtigen von Personen für den Ernstfall. All solche Dinge sollten nicht zu lange aufgeschoben werden. Mit bewussten Entscheidungen in guten Zeiten entlastet man Familie und Freunde in trauernden Zeiten. Die Aussage: „Das ist ein Problem für mein ZukunftsIch“ kann schnell zum Problem werden, wenn das Zukunfts-Ich vielleicht gar nicht mehr so viel Zeit hat.
Freche Schmunzler auf der Trauerfeier
Und während wir uns schon mit den Herausforderungen des Ablebens in der realen Welt schwertun, vergessen viele, dass sie auch eine digitale Identität haben. Auch hier sollten sich Gedanken darüber gemacht werden, was mit den ganzen Accounts und individuellen digitalen Spuren passieren soll. Wer füttert den Staubsaugerroboter und wer flirtet weiterhin mit Alexa, sind da eher nebensächliche Themen. Aber welche Streamingdienste bezahlt werden, wo das digitale Vermögen überall verteilt ist, was mit den Social-Media-Accounts passieren soll und welche Daten und Verträge meine Familie lieber nicht sehen sollten, sind da einige Themen.
Jetzt kann man egoistisch sagen: „Nach mir die Sintflut. Dann muss halt meine Tochter mein Premium-Porno-Abo kündigen.“ Wer so denkt, ignoriert unter Umständen nicht nur die Gefühle der Hinterbliebenen, sondern sorgt wahrscheinlich auch für ein paar freche Schmunzler auf der Trauerfeier. Die Verbraucherzentrale hat einen meiner Meinung nach sehr umfassendem Artikel zum digitalen Nachlass verfasst. Hier finden sich Musterlisten, um eine Übersicht über bestehende Accounts und Abos anzulegen. Die Log-in-Daten sollten ebenfalls irgendwo hinterlegt sein. Entweder mit einer Passwortfrage gesichert, die nur die ausgewählten Nachlassverwalter beantworten können, oder in einem Schließfach, zum Beispiel in einer Bank.
Was passiert mit den Social-Media-Accounts?
Social-Media-Accounts? Die Frage, was mit den Social-Media-Accounts passieren soll, ist ebenfalls relevant. Sollen sie ganz oder teilweise gelöscht werden? Oder sollen sie als digitaler Erinnerungsort fungieren, welche zum Geburts- oder Todestag die Hinterbliebenen mit Erinnerungen versorgen? Ebenfalls ist die Frage, ob nahestehende Personen gewisse Browser-, Chatund Mailverläufe lesen sollten. So könnten Trauerverläufe massiv gestört werden, weil Infos über Menschen zutage treten, die vorher komplett unbekannt waren.
Hard-Facts:
- Link-Tipp: Artikel der Verbraucherzentrale: „Digitale Vorsorge, digitaler Nachlass: Was passiert mit meinen Daten“
- Mehr unter: www.verbraucherzentrale.de