Eine der bekanntesten deutschen Hörspiel-Persönlichkeiten überhaupt stammt aus Jena: Heikedine Körting produzierte bis heute etwa 3.000 Folgen für die berühmten Reihen „Die drei Fragezeichen“, „TKKG“ und „Fünf Freunde“, übernahm auch die Regie und Sprechrollen. Ein großer Beitrag zu einem Stück deutschen Kulturguts, für das sie 2022 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. In der Branche gilt sie als Legende – und wäre eigentlich der perfekte Gast für ein zum Teil in der Saalestadt entstehendes Format, das kürzlich mit der 150. Folge Jubiläum feiern konnte.
Von ARD-Produktionen bis „Hui Buh“
Seit November 2011 geht der Hörspiel-Podcast „Ohrcast“ vom Wahl-Jenaer Martin Stelzle und Kollege Olaf von der Heydt allmonatlich auf Sendung. „Am Anfang habe ich noch in mein Laptop-Mikrofon reingebrüllt. Später habe ich die Folgen an Sonntagvormittagen im Studio vom Campusradio Kiel aufgezeichnet und geschnitten. Mit dem Umzug nach Jena 2015 habe ich mir dann ein Mischpult besorgt – und auch Aufnahmetechnik und Software haben sich inzwischen hörbar verbessert“, so Stelzle. Gut gelaunt, leidenschaftlich und unverblümt diskutieren die beiden Hörspiel-Liebhaber im „Ohrcast“ seit jeher alles, was ihnen in den vergangenen Wochen so zu Ohren gekommen ist.
Fokus auf erzählende Hörspiele
Dabei machen sie keinen Unterschied zwischen Radio-Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Projekten aus der freien Hörspiel-Szene oder der x-ten Folge von kommerziellen (Grusel-)Reihen wie „Geisterjäger John Sinclair“ oder „Hui Buh“ um das gleichnamige Schloßgespenst. Der Fokus liegt auf erzählenden Hörspielen, allzu künstlerische oder „verkopfte“ werden meist außen vor gelassen. Ein Konzept, das aufgeht: über 800 Abonnements verzeichnet der gänzlich unkommerzielle YouTube-Kanal Hoerspieltipps aktuell, wo die neuen Folgen des „Ohrcasts“ zu finden sind. Im Schnitt hören um die 2.500 Hörspielfans zu.
Der promovierte Musikwissenschaftler Martin Stelzle, der vor einigen Jahren zusammen mit einigen Mitgliedern der Jenaer Philharmonie die Musik für die Hörspiel-Produktion „Kill Shakespeare“ (2016) komponierte und einspielte, wuchs mit einer von Heikedine Körting produzierten Hörspiel-Reihe im bayerischen Nördlingen auf.
Grusel aus der eigenen Kindheit
In den 1980er Jahren waren Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews seine treuen Begleiter auf Kassette, die als „Die drei Fragezeichen“ zahlreiche Abenteuer bestritten. Mit der Folge „Das Gespensterschloss“ verbindet er bis heute eine prägende und gruselige Hörspiel- Erfahrung: Als Peter und Bob eine Wendeltreppe emporstiegen, schwoll die ohnehin schon atmosphärische Orgel-Musik so weit an, dass die Spannung kaum mehr zu toppen war. „Das können Hörspiele: Mit einer guten Idee und einer vielfältigen Geräuschkulisse – also relativ einfachen Mitteln – eigene Welten erschaffen“, so der heute 45-Jährige.
Eine große Sammlung in meterlangen Regalen
Die meisten Hörspiele hört Martin Stelzle im Auto auf dem Weg zur Arbeit nach Erfurt, wo er als Verkäufer arbeitet. „Je nach Länge schaffe ich dann schon mal zwei bis drei Hörspiele pro Tag. Es gibt aber auch aufwändige Produktionen mit 3D-Sound, die nur auf Kopfhörern voll zur Geltung kommen. Die höre ich mir dann zuhause an.“ Wie viele Stunden seines Lebens der Vater eines Sohnes inzwischen akustischen Abenteuern gelauscht hat, kann er nicht genau beziffern. Über 6.500 Hörspiele hat er im „Ohrcast“ bislang besprochen und 6.000 Tonträger, CDs, Schallplatten und Musikkassetten lagern in den wohl sortierten Regalen seines Arbeitszimmers – auch wenn er inzwischen vor allem auf Downloads und Streams zurückgreift.
Hörspiele sind kein rein westdeutsches Phänomen. 8.000 Hörspiele und Features sind in der ARD-Hörspieldatenbank für den DDR-Rundfunk verzeichnet, darunter familientaugliche Serien wie „Neumann – Zweimal klingeln“ oder die programmatisch zu verstehende Reihe „Krimi am Freitag“. Ergänzt wurde das Angebot durch Litera-Schallplatten u.a. mit Vertonungen bekannter Märchen. Aktuelle Hörspiele aus oder mit Bezug zu Thüringen kommen Martin Stelzle trotzdem nur selten unter. Ein rares Beispiel ist „Die schwarze Hand der weißen Frau“ aus dem Jahr 2014: Eine mysteriöse Geschichte mit hohem Gruselfaktor um die alten Sagen rund um Suhl – und in Suhl produziert.