Sven Finster, Gründer des Vereins Seelenklang e.V. und Initiator des Podcasts „schweigen ist silber – reden ist gold“, organisiert am 31. August das erste SoulSound Festival im Landkreis Sömmerda. Das Event am Gondelteich in Weißensee zielt darauf ab, das Bewusstsein für psychische Gesundheit und Suizidprävention zu stärken. Nach dem Suizid seiner Frau 2019 begann Finster, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen und startete seinen Podcast, um Betroffenen eine Plattform zu bieten. Nun möchte er mit dem Festival das Thema aus der Nische holen und öffentlich darüber sprechen. Wir stellten Sven vorab im Interview ein paar Fragen.
Das SoulSound Festival in Weißensee setzt sich für psychische Gesundheit ein
Als Mitgründer des Festivals und des Podcast ‚schweigen ist silber – reden ist gold‘, was war der Grund für dich persönlich, sowohl das Festival als auch den Podcast zu initiieren und wie ergänzen sich diese beiden Projekte?
Ich startete den Podcast 2019, um den Suizid meiner Ehefrau zu verarbeiten. Statt die Geschichte ständig wiederholen zu müssen, wollte ich sie einmal erzählen, damit Interessierte sie nach Belieben anhören können. Gleichzeitig wollte ich durch das Teilen meiner Erfahrungen anderen helfen. Im Podcast spreche ich selbst und lade Experten sowie Betroffene ein. Der Podcast hat meine Erwartungen übertroffen. Wir konnten eine stark suizidgefährdete Person vom Suizid abhalten, und ich lernte diese Person persönlich kennen.
Zusätzlich möchten wir das Thema weiter entstigmatisieren und Stiftungen unterstützen, die Aufklärung und Prävention leisten. Letztes Jahr organisierte ich einen Spendenmarsch. Für 2024 planen wir eine weniger anstrengende Aktion, die Kunst und Musik einbezieht. Diese passen gut zusammen und helfen, Erlebnisse zu verarbeiten. Außerdem möchte ich betonen, dass ich das nicht allein gemacht habe. Der Verein Seelenklang e.V. veranstaltet das Festival.
Auf der Website hast du erwähnt, dass deine Frau an komplexen psychischen Erkrankungen litt. Wie hat diese Erfahrung deine Motivation und dein Engagement für das Festival und die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen beeinflusst?
Vorher hatte ich mich kaum mit dem Thema beschäftigt. Der erste Kontakt kam durch einen Arbeitskollegen und guten Freund, der offen über seine Burn-out-Erfahrungen sprach. Das machte mich empfänglicher für das Thema. Erst durch die Erlebnisse mit meiner Frau – einschließlich des Suizids und des Weges dorthin – musste ich mich intensiv mit solchen Themen auseinandersetzen. Oft wird man erst mit einem Thema konfrontiert, wenn es plötzlich und unerwartet ins Leben tritt. Besonders, wenn man es vorher ignoriert hat. Deshalb möchte ich vielen Menschen auf zugängliche Weise zeigen, dass solche Themen existieren und kein Tabu darstellen sollten. Es ist wichtig, darüber zu reden.
Wie hat die Arbeit an diesem Festival dir persönlich geholfen, mit deiner eigenen Trauer umzugehen?
Die Arbeit im Verein und mein Engagement für das Festival zeigen mir, dass der Verlust und der Schmerz den ich erlebt habe, nicht umsonst waren. Auch wenn es seltsam klingt, hilft es mir, etwas Positives aus diesem Erlebnis zu machen. Ich kann das, was ich durchgemacht habe, nicht rückgängig machen – es gehört jetzt zu mir. Es tröstet mich sehr, dass ich durch meine Erfahrungen anderen helfen kann und sie vor einem ähnlichen Schicksal bewahren konnte und kann. Die persönliche Verarbeitung dieser Erlebnisse geschieht jedoch eher im Privaten und durch den Podcast.
Es werden fünf Live-Acts auftreten, darunter TRiPKiD, Lost in Hollywood und Little Talks. Nach welchen Kriterien wurden diese Acts ausgewählt, und wie passen sie zur Mission des Festivals?
Ich wollte Madeleine unbedingt dabeihaben, weil sie einen Liedtext vertont hat, den ich damals für meine Frau geschrieben habe. Leider konnte meine Frau das Lied nicht mehr hören. Deshalb ist es mir wichtig, dass Madeleine beim Festival dabei ist. Little Talks wählte ich aus, weil sie sowohl in ihrer Band als auch im persönlichen Umfeld mit dieser Thematik zu tun hatten. Zaphod passt perfekt zu einem entspannten Sommerabend am See mit ihrer Musik. Den Schlagzeuger kenne ich persönlich – er ist ein empathischer Mensch, der sich ebenfalls für das Thema einsetzt.
Lost in Hollywood ergänzt das Line-up durch ihre Liedtexte und Biografie, in denen der Sänger seine Erlebnisse wie Drogenmissbrauch und psychische Erkrankungen verarbeitet. Bei TripKids traf ich eine einfache Entscheidung: Mir gefiel ihre Musik. Ich hörte sie mir an um sicherzustellen, dass sie ins Konzept passen. So entstand das Line-up, wie es jetzt ist.
Wie ist das Festival-Gelände denn aufgebaut (Bühnen, Essenstände, Parken)?
Wie haben eine Bühne, auf der die Bands nacheinander auftreten. Das Programm beginnt um 16:00 Uhr und endet um 23:00 Uhr, gefolgt von einer einstündigen After-Show. Wir klären noch die letzten Details für die Attraktionen. Ein kleiner Spielplatz ist vorhanden und eine große Hüpfburg ist geplant. Die Stadt Weißensee stellt uns wahrscheinlich Boote für den Teich zur Verfügung. Ein Bademeister sorgt für Sicherheit.
Die Auftrags Griller aus Sömmerda kümmern sich um das Essen und spenden ihren Erlös. Getränke sind ebenfalls vorhanden. Parkplätze liegen etwa 150 bis 200 Meter vom Festivalgelände entfernt. Zwei Eingänge gewähren Zugang, an denen die Besucher ihre Bändchen erhalten. Das Gelände ist eingezäunt. Gäste können ab 10:00 Uhr kommen und sich mit ihrem Bändchen jederzeit wieder Zugang zum Festival verschaffen.
Ein zentrales Anliegen des SoulSound Festivals ist es, durch Musik und Gemeinschaftserlebnisse die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen voranzutreiben. Wie kann Musik und ein Festival deiner Meinung nach konkret zur Verbesserung der psychischen Gesundheit beitragen und das Bewusstsein in der Gesellschaft schärfen?
Ich habe selbst erfahren, dass Musik, neben Sport, ein starkes Mittel zur Verarbeitung von Emotionen ist. Musik transportiert Gefühle und Stimmungen. Ich wusste, dass viele andere ebenfalls ihre Emotionen durch Musik verarbeiten. Wir hoffen, dass viele Menschen wegen der Musik kommen und dabei entdecken, dass das Festival auch wichtige Themen anspricht.
Wenn wir sogar nur eine Person dazu bringen können, ihre Meinung zu ändern oder sich für ein Thema zu sensibilisieren, haben wir viel erreicht. Das Festival bietet eine großartige Gelegenheit, das Thema auf subtile Weise anzusprechen. Dabei wollen wir vermeiden, dass die Veranstaltung traurig wirkt. Unser Ziel ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Leute tanzen, singen und Spaß haben. Gleichzeitig sollen sie die Bedeutung hinter dem Festival erkennen.
Welche Rolle spielen die beteiligten Institutionen und Vereine bei der Unterstützung der psychischen Gesundheit während des Festivals?
Das Festival gliedert sich in zwei Bereiche. Vereine wie der Agus Verein und andere Helfer sind mit Ständen und Pavillons auf dem Gelände vertreten. Sie stehen den Besuchern Rede und Antwort, erklären ihre Arbeit und informieren über ihre Unterstützungsmöglichkeiten. Zusätzlich treten die Vertreter dieser Organisationen auf der Bühne auf. Die AOK Plus richtet einen Stand mit einer Chill-Out-Area ein. Sie leistet keinen Redebeitrag, informiert aber über ihre Angebote und Präventionsprogramme. Der Schwerpunkt liegt auf der Aufklärung.
Du hast auf der SoulSound-Website erwähnt, dass der Gewinn des Festivals an die Stiftung Deutsche Depressionshilfe geht. Wie wichtig ist diese Unterstützung für die Arbeit der Stiftung?
Ich kenne die Details nicht im Einzelnen, aber Stiftungen sind auf Spenden angewiesen und können ohne finanzielle Unterstützung nicht arbeiten. Besonders Stiftungen, die Aufklärungs- und Präventionsarbeit leisten, benötigen diese Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie finanzieren Projekte wie Informationsbroschüren und Aufklärungsvideos. Deshalb wollen wir unseren Teil dazu beitragen und die Stiftung unterstützen.
Was wünschst du dir langfristig im Hinblick auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen und Suizidalität?
Akzeptanz steht ganz oben auf der Liste, auch wenn es einfach klingt. Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen sprechen nicht darüber, weil sie Angst vor Verurteilung haben. Wir müssen diese Hürden abbauen, damit Betroffene offen über ihre Probleme sprechen können. Ein Beispiel: Eine junge Frau erzählte mir, dass ihr Mann in Bayern Suizid beging. In dieser Region verurteilt die Kirche Suizid als Sünde. Die Vorurteile die sie erlebte, machten ihre Situation noch schwieriger. Ich wünsche mir eine wertfreie Haltung in der Gesellschaft. Niemand kennt die Hintergründe oder das Ausmaß der Trauer. Statt zu bewerten, sollten wir einfach akzeptieren und unterstützen.
Du hast Selbsttötungsgedanken oder eine persönliche Krise? Die Telefonseelsorge hilft dir: 0800 1110 111 und 0800 1110 222. Der Anruf ist anonym und taucht nicht im Einzelverbindungsnachweis auf. Auf der Webseite www.telefonseelsorge.de finden Sie weitere Hilfsangebote, etwa per E-Mail oder im Chat. Wenn Sie das Gefühl haben, an einer Depression zu leiden, hilft Ihnen das Info-Telefon Depression unter 0800 3344533 oder die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Weitere kostenfreie Angebote hat die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention aufgelistet – beispielsweise für Jugendliche (116111) und Eltern (0800 111 0 550). Hinterbliebene nach einem Suizid können Hilfe beim Verein Agus unter 0921 150 03 80 oder auf der Internetseite www.agus-selbsthilfe.de finden.
Hard-Facts:
- SoulSound-Festival: 31. August |
- 10 bis 1 Uhr Freilichtbühne am Gondelteich | Weißensee
- Website: www.soulsound-festival.de | Instagram
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