Dead Disco wird 18! Endlich Volljährigkeit für Thüringens wohl bekanntesten und erfolgreichsten Indie-DJ. Und nicht nur das. Andreas Busch, wie der Tausendsassa mit bürgerlichem Namen heißt, kann eine beeindruckende Laufbahn vorweisen. Er bespielte die ganz großen Festivals und Clubs in ganz Deutschland, die Geschichte geschrieben haben.
Dead Disco aus Erfurt feiert
Neben seine DJ-Laufbahn bringt er die hippsten Indie-Bands als Booker in die Engelsburg nach Erfurt. Er ist Vorstand im Erfurter Netzwerk für kulturelles Leben, setzt sich aktiv gegen Rechts ein und kennt die Indie-Szene in Thüringen wie kein anderer. Am kommenden Freitag feiert er groß in Erfurt. Wir sprechen mit Dead Disco über Indie in Thüringen, das DJ-Leben und Hits, die auf keiner Party fehlen sollten.
Du feierst 18. Geburtstag. Machst du jetzt DJ-Führerschein?
Ich habe vor Jahren mit jemandem gesprochen, der als Alleinunterhalter unterwegs war und diesen Führerschein gemacht hatte – den gab es ja tatsächlich mal. Allerdings habe ich in den 18 Jahren nie erlebt, dass das wirklich kontrolliert wurde. Für mich kam das nie in Frage. Die freiberuflichen DJs, die ich kenne, besitzen ihn auch nicht (lacht). Einen Auto-Führerschein habe ich übrigens auch nicht!
Dead Disco, Thüringens wohl umtriebigster Indie-DJ, feiert seinen 18. Geburtstag. Fotos: Mattias Wolf
(Red.: Der DJ-Führerschein wurde 2004 eingeführt, um durch Schulungen und Tests das Bewusstsein für die gesundheitlichen Folgen lauter Musik zu stärken, fand jedoch nur begrenzte Verbreitung. Sein Scheitern lag an der freiwilligen Teilnahme, fehlender gesetzlicher Verankerung und Skepsis in der Branche, die ihn als bürokratisch und praxisfern betrachtete.)
Hast du ein genaues Datum, an dem Dead Disco geboren ist?
Die allererste Party war 2007. Das war die Geburt. 18 verrückte Jahre sind es jetzt.
Kannst du dich an den Moment der Namensgebung erinnern?
Ich war nicht allein, wir waren zu viert – drei DJs und ein Grafiker, die das zusammen gemacht haben. Wir saßen bei mir im Kinderzimmer und davor hatten wir schon mal bei einer Schulparty Musik gemacht. Das lief super und wir dachten: „Okay, wenn das bei einer Schulparty klappt, probieren wir mal eine eigene Veranstaltung.“ Dann kam die große Frage: Wie nennen wir uns?
Wir sind Songtexte und DJ-Namen durchgegangen, bis wir bei einem Song von Metric hängen geblieben sind – „Dead Disco“. Das hat irgendwie gepasst, weil in unserem Dorf eh nicht viel los war. Also dachten wir: „Perfekt, wir sind jetzt ‘Dead Disco’ – das Dead Disco DJ-Team.“ Jeder hat dann noch einen eigenen Namen bekommen und los ging’s!
Was war dein Name?
Ich war Montgomery Scott. Das Pseudonym benutze ich heute noch, wenn ich woanders spiele oder die Musik ein bisschen breiter gefächert ist.
Du hast gerade von einem Dorf gesprochen. Verrätst du uns, welches?
Die Kleinstadt Bad Langensalza. Natürlich ist das kein richtiges Dorf, aber als Jugendlicher fühlt sich alles, was keine größere Stadt ist, irgendwie wie ein Dorf an.
Erfurt ist auch ein Dorf.
So ist das …
Du hast gesagt, ihr wart zu viert und jetzt bist du allein. Wie ging es weiter?
Das sind jetzt 18 Jahre die wir im Schnelldurchlauf durchgehen … Wir haben zu viert angefangen, Partys in unserer Kleinstadt organisiert und 2010 in der egaBOX in Erfurt unsere erste große Party veranstaltet. Später waren wir nur noch zu zweit – Roy Richards und ich waren vor ein paar Jahren noch regelmäßig zusammen unterwegs. Irgendwann bekamen alle Familie, Jobs und wurden erwachsen – ich anscheinend nicht (lacht).
Allzu viele Indie-DJs gibt es nicht in Thüringen. Warum fiel die Wahl auf Indie?
Das war einfach die Musik, die wir gehört haben und spannend fanden. In Erfurt gab es damals schon ein paar Partys – vor unserer Zeit zum Beispiel „Indicated, Precious Underground oder Let There Be Rock“ in der Engelsburg. Da waren wir früher als Gäste, haben die Musik gefeiert, aber irgendwann dachten wir: „Das könnte man noch anders machen!“
Wir wollten mehr Abwechslung, andere Bands spielen, und das war dann unser Ding. Im Laufe der Jahre hat sich das ein bisschen verändert, aber am Anfang war das genau das, was funktioniert hat und was wir cool fanden.
Indie-Musik ist ein weites Feld. Wie würdest du die Indie-Musik umschreiben, die dich anhebt?
Indie-Musik ist für mich genreübergreifend – alles, was der „normale“ Gast noch nicht auf dem Schirm hat. Unsere Challenge war früh Bands oder Acts zu entdecken, die spannend sind und vielleicht mal groß werden. Wir haben zum Beispiel beizeiten Sachen von Yung Hurn oder Kraftklub gespielt, als die noch nicht so viele Menschen kannten.
Anfangs war es viel Gitarre, aber das hat sich verändert, weil solche Bands seltener geworden sind. Der perfekte Mix für eine Party ist neue, coole Musik, die noch nicht im Mainstream angekommen ist und die Fans zu schätzen wissen.
Wie hat sich deiner Meinung nach Indie von damals bis heute verändert?
Früher war es viel Gitarre, wir haben Partys gemacht mit dem Motto „We just play guitars“, weil viele genug von elektronischer Musik hatten und keine Remixe wollten. Das hat sich geändert, Musik und Leute entwickeln sich weiter. Spotify und das veränderte Musik-Business haben da sicher ihren Teil beigetragen.
Früher gab es viele Bandcontests, aber als die deutsche Hip-Hop-Welle kam, interessierten sich die großen Konzerne nicht mehr für Rockmusik. Förderungen wie die Jägermeister-Rock-Liga oder Vita Cola-Clubtour gab es dann nicht mehr. Heute ist die Szene diverser, und neue Künstler wie Tiavo oder Donkey Kid mischen mit. Auch Bands wie Blond haben sich von Indie-Rock zu deutschem Pop entwickelt, was die Frage aufwirft: Ist das noch Indie oder schon Mainstream?
Du warst als Dead Disco auf Festivals und in Clubs deutschlandweit unterwegs. Auch international? Was waren die größten Events, die du bespielt hast?
Wir haben uns international nie wirklich versucht. Entweder brauchst du eine Agentur, die dich reinbringt, oder du schreibst ganz oldschool Clubs an. Die Festivals waren dafür umso größer: Feel Festival, Highfield, Immergut – echte Highlights. Backstage mit Rockgrößen wie Daði Freyr beim Immergut, Edwin Rosen im Line-up oder beim Feel Festival mit Milliarden und Von Wegen Lisbeth – das macht schon Spaß. Und dann spielst du in Clubs wie dem Molotow in Hamburg oder dem Atomic Café in München, wo mal Bands wie die Libertines oder Kings of Leon aufgetreten sind. Leider kämpfen viele dieser kleinen Venues (Veranstaltungsorte) heute ums Überleben.
Kannst du dich an die verrückteste Situation in den 18 Jahren DJ-Karriere erinnern?
Bei einer Party in der Fachhochschule in Erfurt spielte ich vor Jahren in einem Set Kraftklub – das war gerade die Zeit, als es mit der Band losging. Damals gab es nur eine schwer erhältliche EP, die ich schon hatte. Die Leute haben es gefeiert, und plötzlich kommt jemand zu mir und sagt, wie cool er das findet. Ich schaue ihn an und denke: „Moment mal, du bist doch der Gitarrist von Kraftklub!“
Zufällig war er in Erfurt, hat seine Freundin besucht und stand dann da, lobt mich, weil ich ihre EP gespielt habe. Das sind die Momente, wo man sich denkt: „Geil, genau dafür mache ich das.“ Ähnlich war es in Chemnitz, als ich Kummer im Publikum entdeckt habe. Ich wusste, dass Kraftklub damals ein eigenes Festival hatten und ich hatte eine Band von deren altem Line-up gespielt.
Als ich Kummer gesehen habe, wie er sich darüber gefreut hat, dachte ich nur: „Genau das ist es!“ Ich achte oft darauf, was die Leute im Publikum für Shirts tragen, ob Bandnamen drauf sind, damit ich weiß, wie ich sie musikalisch abholen kann. Und wenn sich dann noch jemand freut, der selbst in der Musikszene aktiv ist, macht das doppelt Spaß.
Es ist stressig, immer am Wochenende unterwegs zu sein. Was hält dich nach 18 Jahren noch dabei, als Dead Disco aufzutreten?
Ja, klar, es ist stressig. Ich hab‘ auch schon gesagt, dass es mittlerweile wirklich Arbeit ist – und es gibt auch Abende, da geht’s einfach ums Geldverdienen. Aber das ist zum Glück eher selten, weil ich Musik einfach zu sehr liebe. Ich freu mich jedes Mal, wenn ich die Songs, die ich selbst feiere, über eine riesige Anlage hören kann. Und wenn die Leute das dann auch noch verstehen, feiern und cool finden, ist es einfach unbezahlbar. Oft kommen sie danach sogar rüber, sind freundlich und loben dich – das ist meine größte Motivation. Es macht mir immer noch mehr Spaß, als es mich stresst.
Du bist mittlerweile nicht mehr nur DJ, sondern auch Booker in der E-Burg. Ist das für dich die logische Konsequenz, wenn man sich so viel mit Indie-Musik beschäftigt?
Das passt einfach gut zusammen. Bevor ich angefangen habe, gab es immer diesen Druck, wenn ich Konzerte selbst veranstaltet habe: Du stehst allein da und hoffst, dass genug Leute kommen, damit du im Notfall alles bezahlen kannst. Jetzt ist es anders – jemand bezahlt mich dafür, dass ich Acts aussuche, und ich habe ein Sicherheitsnetz.
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Wenn es mal nicht super voll wird, bin ich nicht derjenige, der sein Konto leerräumen muss, um Gagen zu zahlen. Wir haben schon so viele erfolgreiche Konzerte und Partys gemacht, dass genug Puffer da ist, falls mal was nicht läuft. Das macht alles entspannter, auch bei der Auswahl der Acts, weil nicht immer die Gage im Vordergrund stehen muss.
Du hast nicht unbedingt immer in der E-Burg die Acts, die extrem hohe Gagen fordern, weil die E-Burg eben nur eine gewisse Größe hat. Dafür bringst du aber oft Indie-Geheimtipps nach Thüringen, denn gerade junge Indie-Bands spielen ja eher in kleinen Veranstaltungsorten. Das muss doch für dich besonders schön sein, wenn sich das so ergibt, oder?
Das macht mir eigentlich am meisten Spaß und ist auch der Grund, warum die Acts hier so zufrieden sind. Sie wissen, sie kommen nicht irgendwo hin, wo das Konzert für jemanden nur Geschäft ist, um Geld zu verdienen. Wir hören die Musiker:innen selbst und sind oft selber Fans.
Wenn man die dann nach Erfurt holt und live sieht, freut man sich sich natürlich wie ein Schneekönig. Du kannst sie sogar kennenlernen und mit ihnen noch ein Bier trinken oder Erfurt zeigen. Das ist das, was die Engelsburg von anderen Clubs in Erfurt vielleicht unterscheidet. Durch das Familiäre fühlen sich die Bands sehr gut aufgehoben bei uns.
Was war der wildeste oder absurdeste Musikwunsch, den dir in den letzten 18 Jahren gestellt wurde?
Eigentlich wissen die Leute, wenn sie auf eine Indie-Party kommen, was für Musik läuft. Deswegen kommt sowas Offtopic eher selten vor. Aber wenn ich woanders auflege, wird’s manchmal schon witzig – vor allem, weil ich inzwischen so alt bin, dass ich gesiezt werde. Das allein finde ich schon absurd, wenn dann jemand anfängt mit: „Könnten Sie bitte …“ Und die Wünsche werden dann umso verrückter, je derber die Songtitel sind. Ein Beispiel, das mir hängen geblieben ist: „Könnten Sie bitte Bongzimmer von SXTN spielen?“ Da denk ich mir dann nur: Wo bin ich hier gelandet?
Welchen Song kannst du mittlerweile nicht mehr hören, obwohl es ein absoluter Klassiker ist?
Eigentlich gibt’s da keinen Song, der mich so richtig nervt. Ich hör mir die alle immer wieder an, das stört mich nicht. Je älter der Song, desto besser kann ich ihn mitsingen. Und ich freue mich, wenn die Leute ihn sich immer noch wünschen – das zeigt, dass die Musikrichtung noch funktioniert. Selbst nach dem 40. Mal Mr. Brightside stört mich das nicht.
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Aber okay, doch, ein Beispiel fällt mir ein: Früher waren Songs langlebiger, heute sind sie nach kurzer Zeit einfach weg. Pocahontas von AnnenMayKantereit war zwei Jahre lang DAS Ding, und dann plötzlich wollte oder konnte es niemand mehr hören. Wenn jetzt jemand kommt und den Song wünscht, nervt mich das schon ein bisschen. Da würde ich eher einen anderen von denen spielen. DJs sind ja nun auch keine Jukebox und wie mein Freund Benno Bounce immer zu sagen pflegt: „Musikwünsche gibt es hier nicht. Du kannst einen Vorschlag machen!“
Du feierst jetzt groß in der E-Burg, holst sogar Captain Capa zurück, die eigentlich nicht mehr auftreten. Wie wild wird die Party?
Warum wir Captain Capa geholt haben? Sie spielten auf unserem allerersten Konzert, damals im Turm 2010 in Bad Langensalza. Seitdem pflegen wir eine enge Verbindung, waren immer in Kontakt und haben zwischendurch auch andere Konzerte mit ihnen gemacht. Ich kenne den Sänger gut, und als die Idee aufkam, dass sie noch mal spielen wollen, dachten wir: Perfekt, wir kombinieren unser Jubiläum mit ihrer Rückkehr auf die Bühne.
Es wird eine familiäre Sache, weil wir die Jungs schon ewig kennen und ihre Shows immer wilde Partys waren. Sie und ihre Fans sind auch musikalisch super offen, was für die Party natürlich ideal ist. Manchmal planst du dein Set und merkst dann, dass der Vibe vor Ort komplett anders ist. Aber bei denen weißt du: Es wird passen.
Wir spielen auf jeden Fall Old-School-Indie-Rock-Hits, die wir lieben, aber auch neue Sachen, die wir wichtig finden und die unbedingt auf eine Party gehören. Zartmann mit EYY wird laufen – das ist gerade das Ding. Ich glaube, das wird in zwei, drei Jahren immer noch ein Song sein, den die Leute feiern. Es wird wild, vielseitig und wir haben einfach eine richtig gute Zeit!
Hard Facts:
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- 18 Jahre Dead Disco: 24 Januar | 23 Uhr | Engelsburg Erfurt
- Mehr: engelsburg.club
- www.instagram.com/deaddisco
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