Wincent Weiss ist auf Sommertour und tritt am 27. Juli in Erfurt auf. Der Deutschpopmusiker etablierte sich in kurzer Zeit als feste Größe in der hiesigen Musikszene. Auf mittlerweile vier Studioalben nimmt es sich der Singer-Songwriter zu Herzen, seine eigene musikalische Identität zu entwickeln. Sein aktuelles Album „Irgendwo Ankommen“ entführt die Fans in seine Gefühlswelt mit emotionalen Texten zu Themen wie Selbstfindung und zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir sprachen vor seinem Auftritt auf dem Petersberg in Erfurt mit Wincent.
Thüringen ist für den Thüringer Wald bekannt und beliebt. Auch dein Album Cover von „Irgendwo ankommen“ zeigt dich im Wald. Findest du Inspiration in der Natur, oder was inspiriert dich zu Melodien und Texten?
Ich komme vom Dorf und dort ist alles Feld, Wald und Ostsee. Dort fühle ich mich sehr wohl und so kam es, dass wir im Norden einen eigenen Wald gepflanzt haben. Die Inspiration kommt von überall, von dort, wo ich gerade bin – egal ob es ein Gespräch mit Freunden oder der Familie ist. In meinen Handy-Notizen schreibe ich auf, was mich berührt oder inspiriert und das kann überall sein: in der Natur, im Auto, im Zug oder unter der Dusche.
Letztes Jahr hast du das Projekt „Crewwald“ gestartet und dafür Bäume in einem Wald in Schleswig-Holstein gepflanzt, wie du gerade erwähntest. Warum ist es für dich wichtig, sich diesbezüglich zu engagieren?
Ich wollte im Norden etwas Bleibendes hinterlassen, denn ich bin kein Fan davon, alles neu zu machen. Stattdessen ging es bei diesem Projekt um eine Waldsanierung, für die wir Laubbäume zwischen Nadelbäumen gepflanzt haben. So bleibt der Wald erhalten, wird diverser, klimaneutraler und schöner. Ich finde es wichtig und freue mich, in meinem Alter so etwas zu machen und zu unterstützen. Wenn die Möglichkeiten dazu da sind, sollte man diese auch nutzen und angehen. Mittlerweile ist der Wald zum Treffpunkt für die Fans geworden und das ist echt schön.
Deine Melodien sind sehr vielfältig: von fröhlich und leicht wie im Song „So gut“ über traurig zu wütend und zornig wie in „Was weißt denn du schon über mich“. Man könnte meinen, Musik ist deine Art, Gefühle zu verarbeiten.
Ja, dafür ist die Musik da: auf der einen Seite für die Hörer zum Verarbeiten und Ausleben der Gefühle, auf der anderen Seite für den Musikschaffenden umso mehr. Das Leben kann eben nun mal traurig, leicht, schwer oder schön sein. Dies spiegelt sich in meinen Alben wider. Da ich im Studio meine Gefühle verarbeite, ist das Album auch sehr divers. Denn all diese Gefühle habe ich in die Platte gepackt.
Was hilft dir außer der Musik beim Verarbeiten deiner Gefühle?
Selbst Musik hören auf jeden Fall. Außerdem mache ich sehr viel Sport, bin viel draußen, fahre viel Auto und Motorrad. Das hilft mir einerseits, mich selbst zu reflektieren, und andererseits verbringe ich so viel Zeit mit mir selbst. Aber auch mit Freunden und Familie zu quatschen, halte ich für wichtig.
„Wie kann es sein, dass ich immer noch frier? Die Sonne scheint, nur nicht in mich rein“, singst du im Lied „Winter“. Es klingt so, als würdest du deine eigene Erfahrung mit Depression beschreiben, über die du öffentlich gesprochen hast. Stimmt das? Was bedeutet dir Musik in solchen Zeiten?
Ja, das stimmt. Gerade dieser Song spiegelt meine depressive Phase wider. Angangs fiel es mir leichter, die Gefühle aufzuschreiben und mit mir selbst im Studio auszumachen, anstatt mit anderen darüber zu sprechen. Erst in der Therapie lernte ich, dass es wichtig ist, über Gefühle zu sprechen, und dass dies zum Verarbeiten dazugehört. Da ist Musik das Wichtigste, was mir als Musiker bleibt: mich künstlerisch auszudrücken und mir die Seele vom Leib zu schreiben. Ich glaube, ohne Musik geht gar nichts im Leben.
Die Titel deiner Lieder vom aktuellen Album spielen mit Gegensätzen: Spring – Auf den Grund, Hass mich, wenn du willst – Beigebracht zu lieben oder das Lied „JA/NEIN“. Ist das absichtlich, was steckt dahinter?
Jetzt wo du´s sagst, klingt´s fast wie ein Plan (lacht). Absicht war es nicht, aber die Geschichten, die das Leben schreibt, gehen eben mal in die eine, mal in die andere Richtung. Gerade im letzten Jahr habe ich viel selbst organisiert, war viel in der Therapie, habe viel über mich selbst gelernt und viel über die Vergangenheit und heute geschrieben. Da entstehen viele Gegensätze. Das Leben an sich ist oft gegensätzlich: Man entscheidet sich oft um, entscheidet sich für Dinge, für die man sich vor einem Jahr noch nicht entschieden hätte. Das bedeutet für mich auch eine Art von Älterwerden, Erwachsenwerden, das Leben anerkennen und durch das Leben lernen. Ich finde Gegensätze gar nicht schlimm, sondern als etwas, das sich gegenseitig erklärt.
Du bist bereits zum vierten Mal Coach bei „The Voice Kids“. Wie ist es für dich, junge Menschen bei in dieser Show zu formen? Gerade, wenn man deine Anfänge in einer ähnlichen Sendung bedenkt?
Die beiden Shows sind nicht zu vergleichen. Denn „The Voice Kids“ ist eine Musikshow, in der es wirklich nur um die Musik und die Talente geht – und die sind unfassbar krass. Das andere ist eine Entertainment-Show, bei der man sich auf dem Sofa sitzend über andere Menschen lustig macht und herzieht, die schlecht sind. Es ist ein ganz anderer Anspruch und bei „The Voice Kids“ fühle ich mich viel wohler. Die Kids dort sind so krass, da frag ich mich oft, wo das herkommt. Es ist jedes Mal eine Überraschung. Deshalb bin ich auch so gerne dabei.
Am 27. Juli kommst du nach Erfurt und spielst ein Open-Air-Konzert auf dem Petersberg. Macht es das Konzerterlebnis für dich anders, wenn es draußen ist?
Letztes Jahr war ich bereits in der Messehalle in Erfurt. Eben habe ich noch mal geschaut, ob euer Artikel darüber positiv oder negativ war (lacht). Das Konzert war meine erste IndoorErfahrung in Erfurt. Dort ist eine perfekte Lichtstimmung, wie ein Hexenkessel und der Schall prallt von den Wänden ab. Alles wirkt laut und wild. Die Sommerkonzerte haben einfach einen ganz anderen, geilen Vibe im Vergleich zu den dunklen Hallen. Man kann auf der Wiese sitzen, Essen und Trinken mitbringen, mit seinen Freunden zusammen sein, im besten Fall einen Sonnenuntergang beobachten.
Du magst also beide Spielorte?
Genau, es hat beides seine Vor- und Nachteile. In der Halle kannst du mit dem Licht spielen und eine ganz andere Lichtstimmung erzeugen als im Hellen. Ich denke aber nicht, dass es ein besser und ein schlechter gibt. Es sind beides andere Welten.
Hard-Facts:
- Wincent in Erfurt: 27. Juli | 19 Uhr | Festwiese Petersberg
- Tickets: ticketshop-thueringen.de