Letzten Sommer wurde Nils Keppel als Geheimtipp gehandelt. Im Eiltempo avancierte der 23-Jährige mit Songs wie „222“ und „Wellblech“ zum Protagonisten einer der aufregendsten Strömungen der jüngeren Musikgeschichte. Nun kündigt Keppel eine neue Single, EP samt allererste Headliner-Tour an. Der PostPunk-Musiker kam im Rahmen seiner „Die Heile Welt“ Tour auch nach Thüringen.
Ein-Mann-Show im Untergrund
Was als frenetische Ein-Mann-Show wortwörtlich im Untergrund – vor einer Handvoll Dichtgedrängter in süddeutschen Kellerräumen – begann, ist schnell zu einer musikalischen Kraftanstrengung gewachsen. Deshalb ist Keppel bei seiner ersten Headlinertour jetzt mit einer dreiköpfigen LiveBand am Start.
Nils Keppel in Jena
Anfang Mai hat er gemeinsam mit den Musiker:innen und seinen düsteren und melancholischen Klängen das Kassablanca in Jena zum Kochen gebracht. Wir sprachen vorab mit Nils über seine alte und die aktuelle Heimat, Inspirationsquellen und seine bisher liebste Konzerterfahrung.
Wenn Nils Keppel ein Eis wäre … welche Sorte wäre es?
Joghurt-Eis, weil es mein Lieblingseis ist. Oder Waldmeister, aber das ist zu lustig für meine Musik (lacht).
Wie würdest du deine Musik in drei Worten beschreiben?
Energetisch, laut und leise.
Gebürtig kommst du aus der Pfalz, lebst und arbeitest aktuell in Leipzig. Warum „Leipzsch“, was hat dich dort hingezogen bzw. dort gehalten?
Ich wollte erst mal in eine coole große Stadt ziehen und alles, was um meine Heimat Kandel herum ist, ist jetzt nicht unbedingt cool oder hat viel Szene. Stuttgart ist okay, aber übelst teuer. Und wenn man das alles abwägt und die Preise von den Wohnungen checkt, ist Leipzig super naheliegend. Da sind viele junge Leute. Ich wurde noch an der Uni dort angenommen, das war dann der ausschlaggebende Punkt. Mittlerweile wohnt meine ganze Band hier und auch unser Probenraum ist hier. Es ist immer noch eine sehr tolle Stadt. Den Lebensstil, den ich jetzt gerade in Leipzig habe, könnte ich in keiner anderen Stadt führen.
Düster, monochrom, leicht körnige Filter oder auch „durch den Rauch“, wie deine Bio bei Spotify lautet. Ich finde, bei kaum einer anderen Formation im Post-Punk/New Wave-Bereich lässt sich eine so spezifische Ästhetik als Gesamtkunstwerk wie bei dir finden. Wie hast du zu der gefunden, war das ein aktiver Prozess? Oder ist das eher unbewusst passiert?
Ich glaube, dass das gar nicht bewusst ist und nur funktioniert, weil es einfach ungefiltert ist. Ich habe auch keinen Künstlernamen. Es ist immer direkt von meinem Laptop auf Spotify; von den Leuten, mit denen ich gern arbeite, auf Instagram oder in Zeitschriften. Da ist kein Label dazwischen, mein Management redet mir auch nicht rein. Ich habe Narrenfreiheit. Es gibt ja oft einen Song, den man gern hört, wenn man ein bestimmtes Gefühl hat. Und wenn es keinen zu dem Gefühl gibt, das ich fühle, dann schreibe ich mir den eben selbst. Und dass ich den tatsächlich veröffentliche, ist ein extra Schritt. Ich mache das in erster Linie immer noch für mich und ich freue mich, dass Leute damit resonieren und ihre eigenen Geschichten in die Songs reinlegen.
Du meintest in einem anderen Interview mal, du machst „seit immer“ Musik; spielst verschiedenste Instrumente. Außerdem schreibst und komponierst du deine Werke selbst, die eine faszinierend düstere Dichte und Intensität besitzen. Woher nimmst du deine Inspiration?
Ich spiele eigentlich kein Instrument richtig und habe mir alles selbst beigebracht. Aber es reicht zum Produzieren. Und dadurch, dass ich nicht viel über Musiktheorie weiß, entstehen manchmal Dinge, auf die andere Leute nicht kommen würden. Auch das sehr Repetitive meiner Musik liegt daran, dass ich die Songs oft schnell mache, um das Gefühl im Moment festzuhalten und nicht vier Tage im Schreibprozess dran sitzen will. Das Grundgerüst entsteht immer schnell aus einem Gefühl heraus. Das hängt oft davon ab, wie es mir und meinen Freund:innen geht, was um mich herum passiert oder welches Album gerade mein Lieblingsalbum ist … Und aus diesem Brei entsteht an einem Abend immer irgendwas.
Als einer der Originale der mittlerweile als „Neue Neue Deutsche Welle“ betitelten Strömung in der deutschen Musiklandschaft: Wie stehst du zu diesem Begriff?
Das fragen immer alle … Ich finde es voll blöd, was Blödes darüber zu sagen, da es seine Daseinsberechtigung hat und sich da eine schöne Gruppe gefunden hat. Da entstehen ja auch Freundschaften, die Gruppen kommen zusammen zu den Konzerten und es ist cool, dass sich eine Community bildet. Ich finde es auch cool, dass es über Altersgrenzen hinaus geht. Da kommen Leute mit ihren Eltern, die früher Joy Division gehört haben, zu den Konzerten.
Manchmal habe ich mich daran gestört, dass Leute von außen diese Szene sehen und dann Musik, Sounds oder Texte plump übernehmen und reproduzieren. Und dann gibt’s plötzlich hundert Artists und alle klingen gleich. Dabei gibt es voll viele Leute, die das cool machen und versuchen, den Sound zu transformieren. Wenn man neu dazukommt, ist es schön, da auch etwas Eigenes zu versuchen.
Was hast du für eine Traum-Zusammenarbeit, zu der es bis jetzt noch nicht gekommen ist?
Was ich tatsächlich voll gern machen würde: Lee Ranaldo, der Gitarrist von Sonic Youth, wohnt gerade an der US-kanadischen Grenze und hat dort noch deren altes Studio. Ich habe mal gelesen, dass er wohl noch sehr aktiv in der lokalen Szene ist und junge Artists in den Studios arbeiten lässt. Das würde ich super, super gerne machen. Auch Neil Halstead, der Sänger von Slow Dive, produziert selbst, und so was wäre schon mein kleiner Traum. Ich mag es, wenn der Sound noch ein bisschen dreckiger klingt und nicht so poplastig.
Was war bis jetzt dein schönstes Konzert?
Ich glaube, das letzte in Leipzig im UT Connewitz, worüber wir auch ein Video gedreht haben. Das war das erste Mal, dass ich in der Stadt spielte, wo ich wohne. Wir hatten ein relativ langes Set und ein richtiges dolles NNDW-Publikum, das die Texte kannte. Viele Freund:innen von uns spielten auch am selben Abend und das UT Connewitz ist locker die schönste KonzertVenue von ganz Deutschland.
Apropos Konzerte: Du gehst jetzt auf Tour durch ganz Deutschland und Österreich. Am 2. Mai, dem vorletzten Tourstop, trittst du auch im Kassablanca in Jena auf. Soweit ich weiß, ist das dein erster Auftritt in Thüringen, bist du schon aufgeregt?
Ich bin voll aufgeregt wegen der Tour … Und ich war schon lange nicht mehr aufgeregt vor Konzerten. Wir spielen manchmal fünf Konzerte an fünf Tagen, fahren zwischendurch nach Wien und wieder zurück nach München … Ich hoffe, dass ich jeden Abend 100 Prozent geben kann!
Hard Facts:
- Instagram: @nilskeppel