Seit den 2000ern sind sie nicht mehr aus dem deutschen Musik-Kosmos wegzudenken: MIA. Nach sieben Studioalben ist die Elektropop-Band aus Berlin zurück und hat so einige Überraschungen am Start. Am 26. Oktober tritt MIA. im Rahmen ihrer „Hellsehen“-Tour in Erfurt im Gewerkschaftshaus auf. Im Interview verrät Frontfrau Mieze Katz, wann das neue MIA.-Album kommt, warum ihr aktuelles Soloalbum nicht von der Band zu trennen ist und wie es war, mit Juli-Frontfrau Eva Briegel einen Song aufzunehmen.
Dein Solo-Song „Hellsehen“ ist der Titeltrack eurer nächsten MIA.-Tour. Wie kam es zu der Entscheidung, den Titel für die Bandtour zu nutzen, obwohl es deine Solosingle ist?
Mieze: Wir gehören alle zusammen. Das ist auch das Schöne daran. Mein Soloprojekt ist nichts, was exkludiert, sondern es inkludiert. Es bringt zusammen, es grenzt nicht aus. Für mich gehören die Jungs einfach zu meiner Musikfamilie. Die Idee zum Song „Hellsehen“ hatte auch Gunnar, unser Schlagzeuger und weil sich die Jungs intern nicht sicher waren, wie gut sie den Song finden sollen, hab‘ ich den einfach vor der Nase weggeschnappt. Ich war sofort verliebt. Das war so lustig und so überkreuzen sich viele kreative Momente auf der Platte.
In „Hellsehen“ singst du über die düstere Zukunft und gleichzeitig über Trost in der Verbundenheit. Wie fließen diese Themen in dein kommendes Soloalbum ein?
Mir geht es da, wie es uns allen gerade geht. Es gab mal eine Zeit, da dachte ich, ich bin so allein mit meinem Weltschmerz. Vielleicht bin ein bisschen sensibel? Bekomme ich zu viel mit? Lese ich vielleicht die falschen Nachrichten? Aber dann erkannte ich, wir lesen ja alle die gleichen Nachrichten. Ich bin gar nicht allein mit meinen Gedanken, mit meinen Sorgen und Ängsten, die sicherlich dadurch – dass ich Mutter geworden bin, auch noch mal weiter in die Zukunft reichen und nicht nur mich und meine Lebensspanne betreffen. Insofern geht es mir wie dir. Was du im Kopf hast, habe ich auch im Kopf. Ich schreibe halt Lieder darüber. Also drehe und wende ich die Worte bis sie da sind, wo sie hingehören. Und dann geling es mir zum Glück immer wieder, Sätze zu formulieren, die auch anderen aus dem Herzen sprechen – nicht nur mir.
Wie unterscheidet sich dein erstes Soloalbum von der Musik von MIA. Wie kannst du da den Trennstrich ziehen?
Mein Soloalbum ist ein Duett-Album mit Frauen. Ich ging mit Frauen ins Gespräch, in den Austausch. Wir schreiben Lieder zusammen. Tauchen gegenseitig in die Realität der anderen ein. Denn es ist gar nicht so einfach, als Frau in unserer Musiklandschaft seinen Platz, seine Stimme zu finden. Gerade als Mutter … Wenn ich versuche, meine musikalischen Kolleginnen im Alltag zu treffen, dann ist das fast unmöglich. Wenn wir aber sagen, komm wir machen jetzt ein gemeinsames Projekt, wir singen jetzt ein Lied zusammen, dann finden sich plötzlich Möglichkeiten. Dann treffen wir uns im Studio. Treffen uns zum Videodreh. Treffen uns zum Schreiben. Ich bin neugierig und will wissen, wie es meinen Kolleginnen in ihrer Welt so geht, die ja eigentlich auch meine Welt ist.
Was hast du daraus gezogen und mitgenommen? Kannst du einen kleinen Ausblick geben, wie dich das bereichert hat?
Enorm. Der Austausch war unglaublich bereichernd. Sich auszutauschen und Fragen zu stellen: Wie macht ihr das mit der Familie? Wie bist du aufgestellt? Wie reist ihr? Das ist zum Teil auch sehr nerdig und kleinteilig. Außenstehende können vielleicht so gar nichts daraus ziehen. Aber allein darüber zu sprechen, wie andere Musikerinnen, Mütter, Frauen ihren Alltag organisiert ist superinteressant.
Was ich immer wieder feststellte: Es ist so schwer als kreativ arbeitende Frau zu Hause zu sagen, ich muss eigentlich mal einen halben Tag durch die Stadt laufen, weil ich gerade was schreibe. Weil ich kreativ bin. Das ist ja kein festzunagelnder Prozess! Aber in dem Alltag, in dem wir leben, sind wir so terminfixiert. Von dann bis dann machen wir das und das. Kreatives Arbeiten ist flüchtig. Das muss man erstmal für sich selbst abgrenzen und sagen, das ist Teil meiner Arbeit. Dass ich mich einen halben Tag abmelde, auch wenn ich eigentlich da bin. Vielleicht auch keine konkrete Zeile schreibe, aber ich bin gerade im Prozess. Das ist total verrückt. Als Musiker:in macht man einen Haufen Dinge, die man nicht sieht.
Die man dann am Ende aber hört …
Ja. Aber wie lange es dauert und wie genau ich da hinkomme, ist nie in Stein gemeißelt. Deshalb ist es immer wieder wichtig, diese kreativen Arbeitsprozesse untereinander abzuklopfen. Wie macht wer eigentlich was?
In deinem aktuellen Lied singst du mit Eva Briegel von Juli. Du hast schon gesagt, du hast viele Frauen auf deinem Album. Wie wählst du die aus und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Eva?
Eva ist ja die Partnerin unseres Gitarristen. Er spielte ihr einfach zuhause vor, was ich da mache – und Eva fand das gut. Eva und ich planen schon lange ein gemeinsames Lied, oder ein gemeinsames Projekt, weil wir uns total gerne mögen. Dass es gerade passte, war Glück. Und ich bin so dankbar darüber, denn Eva und ich kennen uns seit Jahren und schafften es bis dato einfach nicht.
Aber wenn wir ein gemeinsames Lied aufnehmen, dann sehen wir uns im Studio. Und dann noch mal zum Schreiben. Zum Sprechen. Und irgendwann gibt es einen guten Flow. Es war unglaublich bereichernd. Eva hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Die steht mit zwei Beinen auf dem Boden. Ich bin oft sehr aufgedreht, hab viel im Kopf … Sie brachte ein wertvolles Gegengewicht in mein Leben. Auch hier merkt man wieder, es gibt nicht nur eine Wahrheit. Das Album spiegelt eine bunte Mischung von Menschen, Gefühlen und Lebenswelten wider. Jede hat seine Berechtigung und kann sich gegenseitig befruchten. So ist und war das mit Eva und mir, und so ist das auch mit den anderen Frauen auf dem Album.
Kannst du da schonmal eine kleine Sneak Peak geben, auf wenn wir uns noch freuen können, oder ist das noch geheim?
Das ist noch geheim. Aber du kannst das Album gerne schon vorbestellen (lacht).
Auf Instagram kündigt ihr auf dem MIA.-Account, den Account der Band, an, dass ihr neue Musik spielen werdet. Zudem gibt es Gerüchte, dass auch MIA. nächstes Jahr ein neues Album rausbringt. Kannst du dazu schon was sagen?
Ja. Wir arbeiten parallel auch an einem neuen MIA.-Album. Das ist super. Was soll ich dazu sagen – ich freue mich auf neue Musik auf allen möglichen Kanälen.
Dann wird es beim Konzert in Erfurt also nicht nur einen Teaser zu deiner Solomusik geben, sondern einen Ausblick auf das neue Album von euch als Band?
Auf dieser Tour noch nicht. Da sind die Jungs etwas zurückhaltender als ich. Wenn ich einen Song gut finde, sage ich, lasst es uns spielen! Wenn etwas auf der Bühne schief geht, ist das halt so. Dann spricht man darüber und lernt daraus. Die Jungs sind da perfektionistischer. Wollen alles perfekt machen. Ich mag es manchmal auch etwas roher. Spontaner. Ich liebe es, auf Tour neue Dinge auszuprobieren und das machen wir oft auch. Aber die Jungs sind da vorsichtiger. Es gibt das eine oder andere Lied von meinem neuen Liederalbum, das ich schon spielen würde. Aber die Jungs sagen: Nein! Ein bisschen Zurückhaltung bitte (lacht).
Du beschreibst in deiner Single „Hellsehn“ das Gefühl der Angst und Unsicherheit. Du hast schon gesagt, dass das auch mit deiner Mutterrolle zu tun hat. Wie gehst du persönlich mit diesem Gefühl um und welche Botschaft möchtest du mit dem Song gerne vermitteln?
Die große Sehnsucht nach dem „Hell-Sehen“. Das sieht man auch im Musikvideo. Hellsehen kommt nicht von allein, das ist Arbeit. Man muss sich darum bemühen, das helle in der Welt zu erkennen. Das muss man wollen und da muss man was für tun. Gerade in diesen Zeiten, muss man sich um eine positive Haltung bemühen. Man muss sich damit beschäftigen was einem ein Gefühl, von Klarheit, Sicherheit, Geborgenheit gibt. Man muss den Input besser zuordnen. Wo kommen die guten Vibes her. Was zieht Energie und was gibt Energie.
Manchmal gerät so etwas im Alltag und im Leben einfach in den Hintergrund, und man muss irgendwie damit zurechtkommen. Das kann sehr zermürbend sein. So erging es mir beim Tourstart. Auf Tour singe ich ein Lied namens „Dafür oder Dagegen“, das davon handelt, in einer Gesellschaft zu leben, die gleichzeitig indifferent und streitsüchtig ist – und wie sehr mich das innerlich zerreißt. Wir befinden uns alle auf dieser Autobahn zwischen Zustimmung und Ablehnung. Wir haben nur diese eine Straße, auf der wir unseren Weg finden müssen.
Danach haben wir den Song „Hoffnung“ gespielt, und das hat mich auf der Bühne tief berührt. Plötzlich habe ich diese Hoffnung wieder gespürt, etwas, das mir lange gefehlt hatte. Über viele Jahre hatte ich das Gefühl, dass wir uns auf einer Einbahnstraße Richtung Weltuntergang befinden – gesellschaftlich und auch in Bezug auf Klima und Umwelt. Bei dem Tourstart in Wiesbaden war es dann anders. Da waren viele unterschiedliche Menschen, die eigentlich keine gemeinsame Mitte haben, aber in diesem Moment konnten sie sich einigen. Das hat mir gezeigt: Es kann funktionieren, es kann gut ausgehen. Ich brauche dieses Gefühl, um weitermachen zu können. Ich möchte wieder spüren, dass es besser werden kann.
Wie fühlt es sich an, erstmals ein Soloalbum zumachen und gibt es da kreative Freiheiten, die mit Band nicht so möglich sind?
Voll. Bei MIA. gibt es ja geschmacklich Unterschiede. Ich liebe Elektronik sehr, das ist deshalb auf dem Soloalbum hörbar. Ich liebe das Intuitive. Ich möchte Dinge nicht bis zum Ende ausproduzieren oder bis zum Ende durchdenken. Sondern bei mir passiert viel aus dem Bauch heraus eben unmittelbar. So klingt diese Platte eben auch. Wenn ich im Proberaum manchmal sage, das Lied ist doch schon gut und fertig, legten die Jungs ihr Veto ein. Jetzt sage ich, wann das Lied gut und fertig ist. Und das ist ein totales Geschenk.
Zum Schluss: Welche Songs können die Fans denn nun beim Konzert in Erfurt erwarten?
Wir spielen alles, was Spaß macht, was bewegt, was das Herz kitzelt und auch die Füße. Das ist ein Konzert, um nicht stillzustehen im Kopf, aber auch im Körper. Wir spielen alte und neue Lieblingslieder. Und ganz, ganz neue Lieblingslieder spielen wir jetzt auch (lacht).
Hard Facts:
- MIA. in Erfurt: 26. Oktober | 19 Uhr | HsD/ Museumskeller
- Tourabschluss: 30. Oktober in Berlin
- Mehr Infos zur Band: www.miarockt.de
- Instagram: @miezekatz.official
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