Eines zunächst vorneweg: Mit dem Petersberger Kultursommer schickt sich Erfurt seit diesem Jahr an, ähnlich wie Jena zur Sommer-Open-Air- und Konzert-Hauptstadt Thüringens zu werden. Dieser positive Trend wird jedoch geschmälert, weil mit der Thüringenhalle ein bedeutender Veranstaltungsort fehlt – eine Halle, die in der kalten Jahreszeit Konzerte vergleichbarer Größenordnung aufnehmen könnte.
Fehlende Konzertstätte bremst Erfurts Kulturentwicklung im Winter aus
Laut Martin Vejmelka, dem Geschäftsführer des Konzertveranstalters Landstreicher, besuchten in diesem Jahr rund 30.000 Gäste die Veranstaltungen auf dem Petersberg. Erstmals wurde dort eine Serie von acht Konzerten am Stück als Festival-Sommer umgesetzt. Zusammen mit den Domplatz-Open-Airs positioniert sich Erfurt damit klar als Anziehungspunkt für Kulturinteressierte und Freiluftfans.
4.000 Gäste pro Abend: Der Petersberg erreicht seine Kapazitätsgrenze
Vejmelka zeigt sich zufrieden mit der diesjährigen Ausgabe: „Wir haben jetzt den perfekten Aufbau für das Gelände gefunden und insbesondere die Bars durch den Einsatz von Pagoden statt Bierwagen auf ein deutlich ansprechenderes Niveau gebracht“, erklärt der Veranstalter. Das Engagement in Erfurt wolle Landstreicher fortsetzen. Der Konzertort habe sich positiv entwickelt: „Das gesamte Setting und die Stimmung auf dem Petersberg sind wirklich toll und einzigartig.“
Das Maximum scheint erreicht. Platzaufbau und Team seien inzwischen eingespielt, so Vejmelka weiter: „Der Geländeaufbau ist jetzt logistisch und akustisch sowie von den Blickbeziehungen her final optimiert.“ Dennoch wolle man weiter an kleinen Verbesserungen arbeiten. „So wird es nächstes Jahr voraussichtlich auch LED-Wände neben der Bühne geben.“
Konzertbranche kämpft mit steigenden Kosten und unsicherer Nachfrage
Viel Spielraum für Veränderungen besteht allerdings nicht, denn die Festungsmauern definieren das Platzangebot eindeutig. „Da sind wir am Ende angekommen“, sagt Vejmelka mit einem Schmunzeln. Rund 4.000 Menschen können pro Konzert auf dem Plateau über Erfurt feiern – eine mittlere, aber attraktive Größe für Künstlerinnen und Künstler wie Jan Delay, Meute, Berq oder Lea. Acts dieser Kategorie füllen eine Location dieser Größenordnung problemlos, während kleinere Venues wie das Central oder größere wie die Messe für sie nicht passend sind.
Was passiert im Winter? Thüringenhalle bleibt weiter ungenutzt
Erfurt präsentiert sich damit im Sommer als Magnet für Konzertbesuchende, die Geld und Leben in die Stadt bringen. Doch was geschieht im Winter? Die Thüringenhalle, die einst ähnlich vielen Menschen Platz bot, ist seit geraumer Zeit nicht bespielbar. Es stellt sich die Frage, wo in Erfurt oder Thüringen Konzerte mit einem Bedarf von rund 4.000 Plätzen in der kalten Jahreszeit überhaupt realistisch stattfinden können.
Laut Vejmelka bleibt das schwierig: „Genau deshalb haben wir damals den Konzertsommer auf dem Petersberg initiiert.“ Zwar bietet das Freiluftformat eine erfolgreiche Lösung für die warme Jahreszeit, doch die ungewisse Zukunft der Thüringenhalle zeichnet ein problematisches Bild für den Konzert- und Kulturstandort Erfurt – und für Thüringen insgesamt. „Grundsätzlich ist es sehr nachteilig, dass es in ganz Thüringen keine konzerttaugliche Halle mit einer Kapazität von etwa 5.000 gibt“, erklärt der Landstreicher-Chef. „Von daher bleibt vielen Acts nur die Option, im Sommer zu kommen.“
Konzertstadt Erfurt im Wandel: Erfolg oben, Leerstelle unten
Andernfalls übergehen manche Thüringen ganz. Beispiele wie die Tourabsage von Inka Bause und anderen Musikerinnen und Musikern zeigen, dass das Veranstalter- und Musikgeschäft seit der Pandemie unter hohem Druck steht. Das bestätigt auch Vejmelka: „Die Kosten für die Produktion, insbesondere für Personal, sind extrem gestiegen – ebenso die Ticketpreise. Gleichzeitig hat sich das Angebot an Konzerten stark vergrößert. Da ist es leider normale Marktlogik, dass die Nachfrage irgendwann nicht mehr für alle reicht – so hart das an vielen Stellen auch ist.“
Von Konzerten profitieren nicht nur die Besucherinnen und Besucher, sondern auch die lokale Wirtschaft. Auf dem Petersberg waren täglich rund 170 Personen an örtlichem Personal im Einsatz – Security, Helfer, Reinigungskräfte, Gastronomie, Produktionsleitung – dazu bis zu 50 Personen Tourpersonal. Auch Hotellerie, Gastronomie und Zulieferbetriebe profitieren unmittelbar von den Veranstaltungen.
Ausblick 2026: Planungen für den nächsten Petersberg-Konzertsommer laufen
Open-Air-Spielstätten haben jedoch auch Nachteile. Stichwort: Schallemission. Um Anwohnerinnen und Anwohner zu entlasten, will Landstreicher die Frequenz und Dichte der Konzerte künftig etwas reduzieren. „Das bedeutet, dass es voraussichtlich sechs Konzerte jeweils von Donnerstag bis Samstag geben wird“, so Vejmelka, der betont, in engem Austausch mit den Anwohnern zu stehen. Diese hätten die Veranstaltungen überwiegend wohlwollend begleitet. „Dennoch denken wir, dass eine etwas geringere Frequenz noch verträglicher für das Areal ist.“
Fazit: Erfurt punktet im Sommer – doch im Winter bleibt eine kulturelle Lücke
Die Planungen für den nächsten Petersberg-Konzertsommer laufen bereits. „Allerdings kann ich derzeit noch nichts bekanntgeben“, sagt Vejmelka. Er betont jedoch, dass „die Einbettung der Festwiese in das Gesamtensemble des Petersbergs, die Architektur, die zentrale Lage und die natürliche Schönheit des Areals“ den Standort besonders machen. Diese Qualitäten unterstreichen den kulturellen Wert des Geländes – ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass Erfurt im Winter ein bedeutender Veranstaltungsort fehlt. Und genau das könnte der Stadt im Bestreben, sich als dauerhafte Konzerthauptstadt zu etablieren, langfristig im Weg stehen.



































