Am 24. August findet der CSD in Jena statt. Die Demo startet um 13 Uhr auf dem Eichplatz, gefolgt vom Rasenfest ab 16 Uhr auf der Rasenmühleninsel im Paradies. Das Rasenfest bietet eine bunte Mischung aus Info- und Aktionsständen, kühlen Getränken vom Kassablanca, köstlichem Eis von „HandEis“ und das Kinder- und Familienfest der Kindersprachbrücke Jena. Den Abschluss des Tages bildet die Aftershow-Party ab 22 Uhr im Kassablanca. Wir sprachen mit Theresa Ertel, einer der Oranisator:innen des CSDs in Jena darüber, warum es gerade jetzt wichtig ist, die Veranstaltung zu unterstützen und mit auf die Straße zu gehen.
Beim CSD in Bautzen am 10. August rief die rechte Szene zur Gegendemo auf. Hunderte folgten dem Aufruf. Es gab Anfeindungen und diverse Strafanzeigen. Bedrohliche Bilder. Was sagst du dazu?
Ich finde es beängstigend und schockierend, dass die Nazis bundesweit nach Bautzen mobilisiert haben. Aber es ist gut, dass die Medien deutschlandweit darauf aufmerksam machen und die Community ein Auge darauf hat. Es ist wichtig, jetzt verstärkt zu den CSDs im Osten zu fahren, insbesondere in den Bundesländern, in denen bald gewählt wird. Es ist ja ein Problem, das nicht neu ist. Auch in Thüringen gab es viele CSDs, bei denen rechtsextreme Gegendemonstrationen, Störaktionen oder Bedrohungen stattfanden – auch wenn wir in Jena bisher weitgehend verschont geblieben sind. Neu ist vielleicht nur das Ausmaß. Für uns ist das schon fast Alltag, wurde aber bisher oft übersehen. Das Schwierige ist jetzt, dass sich abzeichnet, dass es weitergeht
Wie schätzt du die Situation in Jena diesbezüglich ein?
Bisher hatten wir in Jena keine nennenswerten Probleme mit Nazis. Und ich hoffe, dass es so bleibt. Aktuell gibt es keine Ankündigungen für Gegenaktionen. Wir behalten die Situation im Auge und haben bereits mit Polizei und Ordnungsamt gesprochen, damit sie für mögliche kurzfristige Ankündigungen vorbereitet sind. An diesem Wochenende gibt es noch weitere CSDs im Osten: in Plauen und Magdeburg, und in der kommenden Woche in Zeitz und Gotha. Für Magdeburg und Zeitz liegen bereits Nazi-Ankündigungen vor, bei denen dieselben Kreise mobilisieren wie in Bautzen. Für Plauen weiß ich es nicht genau, aber es ist möglich, dass dort zumindest Störaktionen geplant sind. Vielleicht konzentrieren sie sich an diesem Wochenende auf andere Orte. Wir werden sehen, wie sich die Situation entwickelt und auf jeden Fall auch kurzfristig alles dafür tun, einen sicheren CSD in Jena haben zu können. Wir haben natürlich ein Auge auf die Lage.
Gab es in Jena schon Anfeindungen?
Ende 2021, als wir in Lobeda (Jena) in der Lokation „Emils Ecke“ für das Jahr 2022 planten, gab es einen Vorfall. Die Location war noch relativ neu, und wir hatten draußen ein Banner vom CSD Jena aufgehängt, um den Weg zu zeigen. Von innen konnten wir das Banner nicht sehen. Als wir später rauskamen, stellten wir fest, dass es jemand angezündet hatte. Wir erstatteten Anzeige, aber das Verfahren wurde eingestellt. Wer dahintersteckte, werden wir wohl nie herausfinden.
Hin und wieder gibt es negative Kommentare in den sozialen Medien, vor allem auf Facebook. Auffällig ist auch, wie es aussieht, wenn Medien darüber berichten. Beispielsweise hat der MDR letztes Jahr im Vorfeld über den CSD berichtet. Die Kommentare dazu waren oft mehr als grenzwertig. Wenn ich die Zeit und Energie hätte, mir das alles anzuschauen, würde ich vermutlich einige Strafanzeigen stellen.
Wie würdest du dir wünschen, dass die Leute am kommenden Wochenende mit dem CSD-Besuchen umgehen? Die Thüringer nach Jena und die Sachsen nach Plauen? Oder wie sollen sich die Menschen verhalten?
Für mich persönlich sind die Bundesländer, in denen jetzt gewählt wird, besonders wichtig – wie es in Plauen und Jena der Fall ist. Dort brauchen wir ein starkes, klares Zeichen – und das wollen wir in Jena auch setzen. Natürlich hängt es zudem davon ab, wo man wohnt, wo man sich sicher fühlt und wie man dorthin gelangt. Ich verstehe, dass sich manche Menschen unsicher fühlen, an einem CSD teilzunehmen, bei dem Nazis groß mobilisieren. Man sollte dorthin geht, wo man sich wohlfühlt. Dennoch halte ich es für extrem wichtig, gerade in Wahljahren ein Zeichen zu setzen. Ich freue mich sehr, dass aufgrund der Ereignisse in Bautzen so viel Aufmerksamkeit auf diese CSDs gerichtet wird und dass sich auch aus dem Westen viele Menschen mobilisieren, um an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Wir haben kürzlich einen Post gemacht, in dem Leute Mitfahrgelegenheiten suchen können. Es ist zwar noch nicht viel los, aber es gibt bereits jemanden, der aus Mainz anreist, was ich wirklich beeindruckend finde.
Warum ist es in Bezug auf die anstehenden Wahlen wichtig, ein Zeichen zu setzen?
Die bevorstehenden Wahlen spielen eine entscheidende Rolle für die queeren Strukturen. In Thüringen finanzieren wir unsere hauptamtliche Unterstützung vollständig durch Landesmittel. Aber die Gelder sind knapp. Ständig kämpfen wir darum, überhaupt finanzielle Mittel zu erhalten, und das, was wir bekommen, reicht bei weitem nicht aus, um die Bedarfe der Community zu decken. Umfragen deuten darauf hin, dass vor allem queerfeindliche Parteien stark zulegen könnten, was die Schließung bestehender Strukturen nach sich ziehen könnte
Ein Beispiel ist Sonneberg, wo die Gewalttaten nach der Wahl des AfD-Landrats sprunghaft angestiegen sind. Mit dem hohen Wahlergebnis fühlen sich Menschen sicherer, queerfeindliche Handlungen zu begehen, was Angsträume schafft und die Sicherheit für queere Menschen massiv verringert. Die Anlaufstellen schwinden, weil das Geld fehlt. In Jena hält sich die Lage derzeit noch, aber in anderen Städten, wie Altenburg, ist die Situation prekärer. 2021, beim ersten CSD dort, hätte ich es völlig verstanden, wenn die betroffene Person nach Morddrohungen beschlossen hätte, Altenburg zu verlassen. Weiterzumachen erfordert Mut, und nicht jeder kann diesen Mut aufbringen. Die Gefahr besteht, dass Menschen das Bundesland verlassen, wenn sie sich nicht mehr sicher fühlen. Um dem entgegenzuwirken, planen wir dieses Jahr nicht nur einen klassischen CSD, sondern auch eine Demo für Vielfalt unter dem Motto „Thüringen bleibt bunt“, um klarzumachen, dass es nicht nur um uns geht, sondern um alle marginalisierten Gruppen.
Warum ist es wichtig für eine Gesellschaft, dass sie divers und vielfältig ist? Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn Menschen das nicht sein können?
Ich glaube, es fördert ein Klima der Offenheit und Toleranz, wenn Menschen sie selbst sein können. Es liegt an uns allen, dafür zu sorgen, dass man sich hier wohlfühlt. Aber das ist längst nicht mehr für alle der Fall. Darüber hinaus verschärft ein Klima der Ausgrenzung den Fachkräftemangel. Denn wenn wir Minderheiten vergraulen, leidet auch die Wirtschaft. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das ein Problem, aber für mich persönlich ist es vor allem wichtig, dass Menschen sicher leben und sich geborgen fühlen können. Das nützt letztlich allen. Niemand kann behaupten, keine queere Person zu kennen. Statistisch gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, dass man niemanden kennt, der queer ist. Wenn jemand das sagt, schafft er möglicherweise unbewusst Angsträume, weil sich Menschen dann nicht trauen, sich zu outen. Diese Angsträume gehen oft mit Gewalt einher. Ich glaube, niemand will bei uns Gewalt. Wir streben eine offene Gesellschaft an, in der sich jede*r wohlfühlen und authentisch sein kann.
Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Oder willst du noch etwas wichtiges los werden?
Ja, ich würde gern noch zwei wichtige Punkte ansprechen. Erstens arbeiten wir dieses Jahr mit dem Bündnis Thüringen Weltoffen zusammen, das uns unterstützt und als Mitveranstalter auftritt. Das zeigt, wie wichtig das Thema für viele ist, und es wird voraussichtlich die größte Veranstaltung in Thüringen an diesem Tag sein. Zweitens haben wir viele Organisatoren, die uns regelmäßig helfen, aber dieses Jahr hat sich auch die Kindersprachbrücke Jena entschieden, uns zu unterstützen. Sie hatten ein Kinder- und Familienfest geplant und beschlossen, es auf unserem Gelände in der Rasenmühle zu veranstalten. In Jena ist es uns gelungen, viele Aktivitäten zu bündeln und gemeinsam dafür einzutreten, dass Thüringen bunt bleibt.
Hard Facts:
- CSD in Jena: 24. August
- Start um 13 Uhr am Eichplatz
- Rasenfest ab 16 Uhr im Paradies
- Aftershow: 22 Uhr im Kassablanca
- Mehr bei Instagram unter: @csd_jena
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