Gleichberechtigung geht uns alle an. Sie ist ein Menschenrecht – unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder Hautfarbe. Und weil diese Botschaft noch längst nicht in allen Köpfen angekommen ist, widmet sich die Thüringer LSBTIQ*-Koordinierungsstelle im t.akt-Magazin regelmäßig in unserem „Queer-Blog“ Themen, für die sensibilisiert werden muss.
„Unsere Solidarität ist unsere Stärke!“ – Queere Rechte in Thüringen
Es ist Juni – und kurz nach der Kommunalwahl in Thüringen. Grund genug, auch an die Landtagswahlen in wenigen Monaten zu denken. Die AfD konnte in viele Kreistage und Stadträte in Thüringen einziehen und dort die größte oder zweitgrößte Fraktion stellen. Die AfD tut sich auch im Juni dabei hervor, den queerfeindlichen „Stolzmonat“ auf Social Media zu promoten. Dieser ist weit mehr als eine Verächtlichmachung des Pride Month – hier werden aktiv queere Rechte in Zweifel gezogen und Ressentiments geschürt.
Woke-Begriff wird politisch polemisiert
Die Stimmung unter Thüringer Queers (Red.: Sammelbezeichnung für alle Personen, deren sexuelle Orientierungen nicht heterosexuell ist sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind) dieser Tage ist aufgeladen: Wir sehen die erkämpften Freiheiten als weniger selbstverständlich an als noch vor ein paar Jahren. Wir sehen, wie schnell uns Freiheiten genommen werden können. Wir sehen, was alles erreicht wurde, durch jahre und jahrzehntelange Kämpfe von Queers, die entgegen allen Widerständen immer wieder und wieder für sich und einander eingetreten sind. Endlich ist dieses Jahr das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet worden – ein Riesenerfolg für TIN*-Personen (Red: trans*, inter* und nicht-binäre Menschen), deren rechtliche Situation bisher unter dem Transsexuellengesetz (TSG) prekär und von entwürdigenden Beurteilungen geprägt war
Unsere Solidarität miteinander und mit anderen emanzipatorischen Kämpfen ist unsere größte Stärke als Community. Eine Stärke, die wir weiterhin brauchen werden, auch in diesem Jahr. Der Backlash (Red: Bezeichnung für reaktionäre Bestrebungen, die gegen als fortschrittlich erachtete Entwicklungen gerichtet sind, sowie für die Rückkehr konservativer Wertvorstellungen) gegen nicht nur neu erkämpfte Rechte von Queers durchzieht mittlerweile die Positionierungen auch der Mehrheitsgesellschaft. Der inzwischen von Rechtspopulisten angeeignete Kampfbegriff der „Wokeness“ ist im Sprachgebrauch der Öffentlichkeit angekommen und findet in diesem Wahljahr immer öfter seinen Weg in politische Polemisierungen.
Bewusstsein für diskriminierende gesellschaftliche Strukturen
Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Spektrum des afroamerikanischen Aktivismus: Dort bezeichnet er das Bewusstsein für diskriminierende gesellschaftliche Strukturen. Rechte Akteure benutzen den Begriff auf eine Weise, die impliziert, dass sich „woke“ Menschen nicht für Gerechtigkeit für marginalisierte Menschen einsetzen, sondern als Minderheit übertriebene Forderungen stellen, die für die Gesellschaft als Ganze nicht relevant seien. Die alleinige Präsenz von Menschen aus Minderheitengruppen in der Öffentlichkeit, die Rechte einfordern, die Personen aus der Mehrheitsgesellschaft entweder selbstverständlich gewährt werden oder sie nicht betreffen, reicht dabei einigen Menschen dafür aus, ihre Ressentiments zu legitimieren.
Sie wünschen sich weniger laute und selbstbewusste Forderungen und weniger Sichtbarkeit von queerem Leben. Sie nehmen die sicht- und hörbare Existenz von Queers in der Öffentlichkeit als Störung wahr – als Minderheit, die sich ohne Grund oder aus den falschen Gründen exponiert. Die Aufmerksamkeit einfordert. Die sich aufdrängt. Deren Meinungsäußerung und Aktivismus unreflektiert als „Aufzwingen einer Agenda“ interpretiert werden.
Rechte von Queers
In bester Täter-Opfer-Umkehr wird den Queers die Schuld an erstarkenden Ressentiments in der Gesellschaft zugeschoben – sie haben einfach zu viel und zu unverschämt gefordert. Dabei wird es als legitime oder unvermeidbare Konsequenz verkauft, dass gefordert wird, Rechte von Queers weiterhin oder erneut einzuschränken – schließlich stünde sonst der gesellschaftliche Frieden auf dem Spiel. Gerne wird das Ganze mit Falschmeldungen unterfüttert. Besonders betroffen von hasserfüllten Vorurteilen sind dabei Transfrauen.
Sichtbarkeit ist nötig
All das macht Angst und ist ein ständiger Begleiter im Leben queerer Menschen. Glücklicherweise bedeutet erhöhte Sichtbarkeit aber nicht nur Zielscheibe von Hass zu werden. Sichtbarkeit ist nötig, um Gemeinschaft zu finden und Solidarität zu erfahren. Sie ist nötig, um für eigene Rechte eintreten zu können und Normalität zu schaffen. Sie bedeutet, Lebensfreude auszudrücken und auch einfach nur ohne Angst als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft existieren zu können.
Ungerechtigkeit, staatlicher Verfolgungen und gesellschaftliche Gewalt
Als queere Menschen können wir auf eine widerständige Geschichte zurückblicken, in der Queers Ungerechtigkeit, staatlicher Verfolgungen und gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt waren – und sich erfolgreich gewehrt haben. Der Pride Month steht in dieser Tradition: Er erinnert an die Stonewall Riots im Juni 1969 in New York. Zu dieser Zeit war es queeren Menschen verboten, gleichgeschlechtliche Beziehungen einzugehen. Händchen halten, Küssen und auch gemeinsam zu tanzen war in der Öffentlichkeit illegal. Kneipen weigerten sich, an queere Menschen Getränke auszuschenken. Zufluchtsorte wie queere Bars wurden regelmäßig gewaltsam von der Polizei gestürmt und die sich dort aufhaltenden Personen von den Beamten gedemütigt und geschlagen.
Das wiederholte Stürmen des Stonewall Inns führte am 28. Juni schließlich zu einem Aufbegehren der queeren Community: den Stonewall Riots. Eine wichtige Rolle nahmen dabei die Aktivist:innen Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera ein. Ihr Vermächtnis soll uns als queere Community daran erinnern, dass unsere Kämpfe intersektional miteinander verwoben sind und wir unsere gegenseitige Solidarität brauchen. Die queere Community hat Verfolgung und die AIDS-Krise überlebt. Queere Sichtbarkeit war und ist ein Risiko, das Menschen einzugehen bereit waren für ein freies Leben.
Solidarität auch über die Community hinaus
Das gilt für die queere Community weltweit – auch in Thüringen. Gewaltbereite Rechtsextreme demonstrieren Jahr für Jahr in unmittelbarer Nähe von CSD-Umzügen in Thüringen. Diese fühlen sich durch gesellschaftliche Ressentiments gegen Queers legitimiert und diese Legitimation kann in konkrete Gewalt umschlagen. Der Backlash gegen „Wokeness“ und queere Sichtbarkeit kann dann fatale Konsequenzen haben. Wichtig ist deshalb weiterhin, eine Selbstverständlichkeit von queerer Sichtbarkeit zu schaffen, die von der Mehrheitsgesellschaft unterstützt wird. Wir brauchen die Solidarität auch über die Community hinaus. Queere Projekte können in Thüringen nach der Landtagswahl immer mehr in Bedrohung geraten, wir brauchen eure Unterstützung und Solidarität!
Hard Facts:
- CSD in Weimar, 22. Juni
- CSD in Altenburg und Sonneberg, 20. Juli
- CSD in Jena, 24. August
- CSD in Erfurt, 7. September
- CSD Eisenach , 14. September
- Mehr Infos findet ihr unter www.queerweg.de
- CSD Erfurt auf Instagram | Weimar | Jena
Mehr coole News für euch:
https://www.instagram.com/p/C6q7BckoAvN/