Neben seinen zahlreichen Rollen in Kinofilmen wie „Der Hobbit“ ist Martin Freeman auch regelmäßig auf den großen Bühnen Londons zu sehen. Hier versuchte Olivia Vieweg vor einigen Jahren ein Autogramm des britischen Schauspielers zu ergattern. Doch am Bühnenausgang war es im verschneiten London so kalt, dass sie sich nach einiger Zeit in einem nahen Restaurant aufwärmte – und dabei in Kontakt kam mit anderen Frauen, die bei klirrender Kälte vergeblich auf ihr Idol warteten. Eine Erfahrung, welche die Weimarerin wegen des gemeinsamen Austauschs heute mit etwas Abstand nicht missen möchte. Martin Freeman diente der Weimarerin als Inspiration: Der Protagonist Allan Dale ihrer am 29. Mai veröffentlichten Graphic Novel „Fangirl Fantasy“ weist optisch einige Gemeinsamkeiten mit dem grau melierten Gentleman von der Insel auf.
Über die Entführung eines Filmstars
Die Idee dafür geht bis ins Jahr 2018 zurück. „Das Projekt hat mich quasi durch die Corona-Jahre gerettet. Immer, wenn ich etwas Zeit hatte, habe ich daran gearbeitet. 2023 habe ich dann das komplette Jahr daran gezeichnet – und nur mit Mühe wurde ich rechtzeitig fertig“, erinnert sich Olivia an die langwierige und arbeitsintensive Entstehungsgeschichte. Dabei trägt die Graphic Novel, die von der Entführung eines Filmstars seichter Komödien durch drei seiner treuesten weiblichen Fans von London nach Ostdeutschland erzählt, wo er vermeintlich missglückte Rollen „richtig“ nachspielen muss, auch autobiografische Züge.
Ich brauchte die morbide Energie
„Ich kenne solche regelrecht besessenen Schwärmereien und die verschiedenen Arten weiblicher Fans ja aus eigener Erfahrung“, so die 37-Jährige, die Mangas schon immer sehr zugetan ist. „Mein Vater stammt aus dem Thüringer Wald und hier habe ich vor einigen Jahren eine Tour durch die inzwischen stillgelegten Spielzeugfabriken unternommen. Zu DDR-Zeiten wurden hier Plastikdinosaurier, Eisenbahnen und Teddybären produziert und in die ganze Welt exportiert. Jetzt dient die Teddy-Wolle in den maroden Industriegebäuden dazu, die Kellerfenster abzudichten. Auch die Bestandteile von Puppenköpfen sind in einigen der Anlagen noch zu finden. Ich brauchte die morbide Energie dieser Kulisse – und habe sie als Setting für eine nachgespielte viktorianische Liebesgeschichte in der Graphic Novel verwendet.“
Ohnehin denkt und arbeitet Olivia Vieweg szenisch, weiß um die Gemeinsamkeiten von Comics und Film, die sich von einer Story über Zeichnungen, Bilder, bis hin zu Sprechblasen und Dialogen erstrecken. Ihre eigene Graphic Novel „Endzeit“ adaptierte sie für ein Drehbuch zu einem gleichnamigen Kinospielfilm (2019). Im Februar veröffentlichte sie als Autorin mit „Die Stadt der Schattenschläfer“ ein illustriertes Jugendbuch. „Auf Papier kann ich erst einmal viel ausprobieren, was im Film nur sehr teuer oder aufwendig umsetzbar wäre. Es ist ein Spielfeld, auf dem auch getestet werden kann, wie sich eine Handlung entwickelt oder eine Geschichte ankommt.“
Ein feministisches Statement
In „Fangirl Fantasy“ sieht die Comickünstlerin auch ein feministisches Statement. „Während der Fanatismus männlicher Fußballfans gesellschaftlich akzeptiert ist, wird auf weibliche Fankultur herabgeschaut und diese oftmals mit peinlicher Hysterie und Ohnmachtsanfällen assoziiert“, kritisiert Olivia. Erst durch die US-Serie „Big Bang Theory“ (ab 2007) sei Nerdtum in der Mitte der Gesellschaft angekommen – wobei das sehr spezifische Fachwissen und die Begeisterungsfähigkeit nur den männlichen Protagonisten vorbehalten blieb. „Da ich ein Teil von ihr war, kann ich aber bestätigen: Die weibliche Fanszene ist genauso großartig, gigantisch und aktiv! Mich hat es sehr gewundert und geärgert, warum Frauen dieses Hobby nicht zugeschrieben wird, warum Frauen als Fans nicht erzählt werden.“
Auch wenn Olivia es in den nächsten Wochen etwas ruhiger angehen lassen möchte, so arbeitet sie schon an einem nächsten Projekt, für das sie bereits einige eher exotische katholische Wallfahrtsorte besuchte. Genaueres will sie noch nicht verraten, aber sie weist auf die Parallelen in der Fankultur hin: „Auch bei sehr gläubigen Menschen besteht eine obsessive Verehrung und an Wallfahrtsorten wie Altötting gibt es in Läden voller Merchandise und Schnickschnack zu vielen ikonischen Figuren. Das ist schon ähnlich.“
Hard-Facts:
- „Fangirl Fantasy“ von Olivia Vieweg ist im „Carlsen Verlag“ erschienen (272 Seiten, 26 Euro).
Mehr coole News für euch:
-
Bock auf Picknick? Das sind die schönsten Parks in Erfurt
-
Thüringer Kulturpass ist da: Erlebt kostenfrei Kultur in den Sommerferien!