Wir schreiben das Jahr 2015. Ein Wochenende im April. In einem 1941 erbauten Industriegebäude, das einst zur Instandsetzung von Militärflugzeugen gedacht war und zu DDR-Zeiten einem volkseigenen Betrieb als Heizwerk diente, wackeln die Glasfenster. Es ist Mitternacht und eine lange Menschenschlange wartet auf Einlass in die Off-Location in der Hohenwindenstraße in Erfurt. Unzählige Menschen tanzten an diesem Abend zu Technobeats in der leerstehenden Industriehalle. Das sogenannte „Triebwerk“ platze aus allen Nähten. Es war die Geburtsstunde des Erfurter Clubs „Kalif Storch“, der mittlerweile im Zughafen in Erfurt zu Hause ist.
Techno Party in alten Funke Druckerhallen
Auch an diesem Ort, einem ehemaligen Güterbahnhof, wird ein leerstehender Industriebau okkupiert. Die ehemaligen Lagerhallen an dem früheren Bahn-Verwaltungsgebäude – übrigens ebenso mit Klinkern erbaut – werden Ende 2015 dauerhafte zur Heimat des Erfurter Clubs und Kulturortes. 2023 dann der nächste Clou des Kalif-Teams: Gemeinsam mit einer Vikarin der evangelischen Predigergemeinde Erfurt organisieren sie Thüringens erste Technoparty in einer Kirche. Unter dem Titel „Rave like God“ schlägt die Veranstaltung hohe mediale Wellen.
Partys an ungewöhnlichen Orten
Fast könnte man meinen, die Menschen hinter dem Erfurter Club haben eine Neigung für Partys an ungewöhnlichen Orten. Und da liegt man gar nicht so falsch, denn am 20. September folgt der vierte Streich. Dort, wo bis 2021 die Thüringer Allgemeine, die Ostthüringer Zeitung und die Thüringische Landeszeitung gedruckt wurden, soll am Weltkindertag ab 22 Uhr ein sattes Soundsystem für ordentlich Druck sorgen. In den ehemaligen Hallen der Druckerei in Erfurt-Bindersleben veranstaltet der Kalif Storch seine bisher größte Technoparty in einer Off-Location.
In der etwa 18 Meter hohen und 1300 Quadratmeter großen Halle – und da sprechen wir allein von der Tanzfläche – sollen am Freitagabend Hunderte Raver bis zum Morgengrauen feiern. Dazu animieren soll sie allen voran der DJ „Klangkuenstler“, der seine Hardtechno-Sounds weltweit in Clubs und auf Festivals durch die Subwoofer schießt.
Hardtechno-Stars in Erfurt
Außerdem auf dem Line-up: Rikther und Aiden, die beide zur „44 Label Group“ aus Berlin zählen, welche für ihren schnellen, aggressiven Techno international bekannt ist. Außerdem holte sich Hubert Langrock, der Chef des Kalif Storch, Verstärkung bei „Mutabor“, Thüringens größtes Hardtechno-Veranstaltungskollektiv, die ebenso wie der Club in Erfurt DJs in die Industriehallen am Ende von Erfurt entsenden.
Platz für eine geile Party
Und wie sollte es auch anders sein, wurde Hubert durch einen Text in der Thüringer Allgemeinen auf das leerstehende Druckereigebäude aufmerksam. „Ich las, dass Funke Thüringen von Bindersleben in die Erfurter Innenstadt zieht. Und wo früher einmal riesige Druckereimaschinen standen, ist bestimmt auch Platz für eine geile Party.“ Nach ein paar Gesprächen mit der Zeitungsgruppe war klar, dass der Kalif Storch die 30 Jahre alten Hallen mit Techno füllen darf. Tausend Fragen schossen dem Clubchef bei der ersten Begehung der Location durch den Kopf: „Soll ich das Risiko eingehen und das erste Mal eine Party in dieser Größenordnung umsetzen und das noch am Arsch der Heide? Welche Musik funktioniert hier? Was braucht es alles für die Umsetzung? Etc.“
Hinzu kam die Frage, welche der drei Hallen des Ensembles bespielt werden sollen. Die Anlieferungshalle war zu klein und die Verpackungshalle zu flach. Die Wahl fiel schnell auf das Papierrollenlager samt Druckmaschinenhalle. Hubert dachte sofort an das mittlerweile geschlossene „Printworks“ in London. „Einer der fettesten Technoclubs in England.“ Für den Clubchef war klar: Es muss groß gedacht werden. Nicht nur musikalisch. Allein für den Transport der Sound- und Lichttechnik werde wohl ein 40-Tonner benötigt. LED-Wand, Moving-Lights, Barausstattung, Bühne, Sitzmöglichkeiten für die Chillout-Area, Toilettenhäuschen, Bauzäune und vieles mehr soll für diese eine Veranstaltung in die ehemalige Druckerei gekarrt, die in naher Zukunft verkauft werden soll.
Schlaflose Nächte aufgrund der Veranstaltung
„Ohne die Halle würde es die Party nicht geben. Dementsprechend soll sie natürlich auch in Szene gesetzt werden“, erklärt der Clubchef, der einräumt, dass ihn schlaflose Nächte aufgrund der Großveranstaltung plagten: „Ich wache auf und denke: Okay, wir brauchen Bauzäune, eine Backstage-Toilette, eine Couch, Kühlschränke, Shuttle Fahrer, was brauchen wir noch alles so? Einlassschleusen, Scanner …“
Wir bauen Luftschlösser in unseren Gedanken
Laut Hubert gehört einiges an Verrücktheit und Wagemut dazu, die sicheren Gefilde am Erfurter Zughafen zu verlassen, wochenlang zu planen, in monetäre Vorleistung zu gehen und ein Risiko zu wagen. Doch es lohne sich: „Der Reiz an der ganzen Party ist, dass diese Vision, die man hat, in Erfüllung geht. Genau das ist es auch, was die gesamte Kulturbranche antreibt. Wir bauen Luftschlösser in unseren Gedanken und hoffen, dass sie irgendwann Wirklichkeit werden – und natürlich, dass alle es geil finden. Darauf basiert der ganze Kalif Storch: Eine Vision und die Idee, dass hier Leute herkommen und mit einem Lächeln den Club wieder verlassen.“
Ähnlich sei es auch beim Rave in der Erfurter Kirche gewesen: „Komplette Aufregung in meinem Kopf. Ich dachte: Was ist, wenn hier etwas kaputt geht, wenn irgendwas mit dem Taufbrunnen passiert, dann reißt mir irgendjemand den Kopf ab. Aber es geschah gar nichts Schlimmes. Im Gegenteil. Die Leute waren alle unfassbar dankbar. Sie hatten leuchtende Augen, als hätten sie Gott gesehen“, erinnert sich Hubert und fügt an: „Das ist auch der Grund, was uns antreibt, eine Party am allerletzten Zipfel von Bindersleben in einer leeren Druckereihalle umzusetzen. Wir wollen die Vorstellungskraft brechen. Die Vision wahr werden lassen. Sodass die Besucher:innen eine geile Zeit und ein unvergessliches Erlebnis haben. Ich will, dass den Leuten vor Begeisterung die Schädelplatte wegfliegt.“
Hard Facts:
- Wann? Warehouse Rave: 20. September | 22 Uhr
- Wo? Alte Funke Druckerei Erfurt | Gottstedter Landstr. 6 |
- Mehr: www.kalifstorch.com