Es ist wahrlich das Ende einer Ära. Der Musiksender MTV kündigte an, zahlreiche Musiksender einzustampfen. Nach dem aus von VIVA – einer weiteren deutschen Musiksender-Ikone – Ende 2018. Ist nun endgültig der Vorhang für die Jugendkultur der 90er gefallen? Doch schaut man genauer hin, zeigt sich: Das Ende von Viva und MTV Deutschland war keine plötzliche Entscheidung, sondern das Ergebnis eines strukturellen Wandels.
Abschied vom Musikfernsehen: MTV und VIVA schreiben Geschichte
Das klassische Musikfernsehen wurde vom Internet überholt – Streaming, YouTube und Social Media machte es schlicht überflüssig. Was bleibt, sind musikalische Erfolgsgeschichten, die maßgeblich durch die Musiksender geprägt wurden. Vor allem die 90er bleiben in Erinnerungen als die goldenen Jahre des Musik-TV.
Da kommt es doch ganz gelegen, dass diese Ära in Form von Konzertreihen zurückkommt: die 90s-Supershow kommt am 18. Oktober nach Erfurt und hat viele bunte Lichter, Eurodance, 90er-Pop und Wagenladungen voller Nostalgie im Gepäck.
Streaming ersetzt die Röhre: Der Wandel im Musikkonsum
Was einst über Röhrenfernseher, CD oder via Radio in die Millionen Wohnzimmern schallte, ist an diesem Abend live auf der Bühne zu erleben. Allen voran bringen die Vengaboys ihre Partykracher wie „Boom, Boom, Boom, Boom!!“ und „We’re Going to Ibiza“ nach Thüringen. Haddaway liefert mit „What Is Love“ die Hymne einer ganzen Generation. Dazu gesellen sich Oli.P, dessen „Flugzeuge im Bauch“ einst Millionen Teenagerherzen eroberte und East 17, die mit „Stay Another Day“ einen der emotionalsten Hit-Moment der Boyband-Geschichte schufen.
Eurodance-Sound als Ausdruck eines Jahrzehnts zwischen Aufbruch und Optimismus
Auch Deutschlands Eurodance-Pioniere Masterboy, Twenty 4 Seven und das Captain Hollywood Project stehen auf der Bühne. Acts, die in den 1990ern die Charts dominierten und mit Synthesizern, Rap-Parts und eingängigen Refrains den unverwechselbaren Eurodance-Sound formten. Mit Aquagen („Ihr seid so leise!“) und DJ Tomekk, der einst Hip-Hop und Dance verband, bekommt das Line-up zudem eine Portion Club- und Hip-Hop-Kultur. Durch den Abend führt T-Seven, die ehemalige Sängerin von Mr. President – der Band, die mit „Coco Jamboo“ den Sommer 1996 prägte.
Der Eurodance-Sound dieser Zeit war Ausdruck eines Jahrzehnts zwischen Aufbruch und Optimismus – geprägt von der Wiedervereinigung, neuen Technologien und der Euphorie einer grenzenlos gewordenen Popwelt. Produzenten nutzten Drum-Computer und Synthesizer, um tanzbare Rhythmen mit einfachen Botschaften zu kombinieren: Liebe, Freiheit, Lebensfreude.
Trotz allem unvergessen: Die 90er bleiben Kult
Künstlerische Introspektion à la Taylor Swift spielte dabei eine geringere Rolle – Eurodance war kollektives Erleben, keine individuelle Selbstreflexion. Laut Mitteldeutscher Zeitung wurden zwischen 1992 und 1998 über 40 Prozent der deutschen Top-Ten-Hits diesem Stil zugeordnet – ein bis heute unerreichter Anteil für ein einzelnes Genre. Gerade wenn man bedenkt, dass heutzutage die musikalischen Genregrenzen fließend sind.
Synthesizer, Drumcomputer und pure Euphorie – die DNA des Eurodance
Mit dem neuen Jahrtausend kam der Wandel. Der Musikgeschmack verlagerte sich zu R&B, Hip-Hop und später zu Trance und EDM. MTV und VIVA passten ihre Formate an – Reality-TV verdrängte Musikvideos, Streaming übernahm die Funktion des Musikfernsehens. Was blieb, war die Erinnerung an eine unbeschwerte Zeit, in der Songs wie „Mr. Vain“ oder „Rhythm Is a Dancer“ aus jedem Club tönten.
Der Niedergang des Eurodance war kein Absturz, sondern ein leises Verhallen – der Sound verschwand aus den Charts, aber nicht aus den Herzen. Heute erlebt er in Form von Revival-Shows, Samplern und Streaming-Playlists eine späte Renaissance. Die 90s-Supershow reiht sich in diesen Trend ein – sowohl als nostalgisches Spektakel, als auch als Rückblick auf eine Phase der Popgeschichte, in der elektronische Tanzmusik massentauglich wurde.
Hard Facts:
- Wann: 18. Oktober | 17 bis 23 Uhr | Einlass: 15 Uhr |
- Wo: Messe Erfurt
- Mehr: 90s-supershow.de
