Das Graphit Festival für Illustration geht in Erfurt in die dritte Runde und lädt an drei Tagen überregional bekannte Profis und lokal verwurzelte IllustratorInnen, KünstlerInnen und Kreativschaffende ein. In Form von Workshops, Vorträgen und Diskussionen erwartet die Teilnehmer Input zu Themen wie Urban Art, Buchdruck, Comic, gegenderter Wut und künstlerischen Werdegängen. Wir sprachen vorab mit Mitorganisator Stefan Kowalczyk über sein „Herzblutprojekt für zeichnerische Praxis“.
Ihr seid seit kurzem ein Verein. Wie kommts? Und seit wann genau eigentlich?
Anfangs haben wir das Graphit als Initiative, also als zeitweise aktive Interessengemeinschaft von Einzelpersonen organisiert. Dabei lief alles über uns als Privatpersonen oder Dritte, was manche Dinge vereinfacht hat, meistens aber sehr stressig und für Einzelne auf Dauer sehr belastend war. Mit der Zeit haben wir uns als feste Community verstanden und wollten auch – über die Organisation des zweijährlich stattfindenden Graphit Festivals hinaus – andere Projekte und Ideen umsetzen. Ziel war es, Kunst und Kultur zu fördern. Weil sich das als eingetragener Verein wesentlich leichter umsetzen lässt, z.B. in der Planung, bei Abstimmungsfragen oder für die Beantragung nötiger Fördermittel, haben wir den Graphit e.V. gegründet. Das war Ende 2021 – quasi im vierten Jahr unserer Projektarbeit in Erfurt. Als gemeinnütziger Verein haben wir eine ordentliche Rechtsform und müssen gewisse Anforderungen erfüllen, haben aber auch Sicherheiten und Struktur. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Das hilft uns ungemein bei der Umsetzung unserer Projekt.
Das erste Mal Symposium nach einer einjährigen Pause. War es schwer, wieder in den Drive zu kommen?
Im Gegenteil: Den Abstand von zwei Jahren zwischen den Festivals empfanden wir als sinnvoll. So konnten wir nach dem Symposium 2020 und der damit verbundenen Nachbereitung erst einmal durchatmen, neue Energie tanken und uns inspirieren lassen. Weil das Projekt Graphit im jeweiligen Jahr viel Zeit in Anspruch nimmt und danach alles Gelernte auch erstmal verarbeitet werden muss, ist es gut, danach etwas anderes machen zu können – ohne gleich das nächste Graphit organisieren zu müssen. Die Pause hilft also beim Weitermachen. Aber privat, als Verein und im Organisationsteam trifft man sich ja regelmäßig und bleibt dabei am Ball, selbst wenn sich der Wohnsitz ändert oder die Familie wächst. Wir haben uns recht früh aufs nächste Symposium eingestellt und trotz einiger Ungewissheiten und beschränkter Kapazitäten schon Mitte letzten Jahres erste Pläne fürs nächste Graphit geschmiedet. So sind wir allmählich, aber stetig wieder reingekommen. Zwischenzeitliche Durststrecken und Motivationstiefs gibt es dabei immer mal wieder, aber als Gruppe überwindet man sie auch leichter.
Worauf freut ihr euch besonders?
Wir haben coole Vorträge, Workshops und Aktionen geplant. Zudem werden wir dieses Jahr erstmals an drei verschiedenen Orten in Erfurt vertreten sein – im Kontor, im Retronom und im Schambrowski. Zum Teil gastierten wirvhier schon mal, zum Teil ist es eine Premiere für uns. Allemal freuen wir uns, dass das Graphit hier landen kann undvdabei auch ein paar Neuheiten mitbringt. Aber auch dem Klanggerüst als Ursprungslocation bleiben wir treu und schlagen hier unser Aufbaulager auf, bevor wir unsere BesucherInnen im Kontor in Empfang nehmen. Von daher freuen wir uns besonders auf die altbekannten und neuen Gesichter aus nah und fern, die das Graphit so fulminant machen und jede Mühe der Organisation wert sind.
Warum ist es euch wichtig, so ein Festival trotz des Aufwandes immer wieder auf die Beine zu stellen?
Bei einem Festival oder Fachsymposium – wie wir das Graphit mit Blick auf unsere Vorträge und Workshops „offiziell” bezeichnen – kommen in kurzer Zeit viele spannende Personen und Impulse an einem Ort zusammen. Dabei konzentriert sich alles und kann intensiver wahrgenommen werden als bei kleineren Formaten. Das kann unglaublich bereichernd für alle sein, sowohl inhaltlich wie sozial, auch wenn es etwas Kraft erfordert und für manche unserer Gäste eine weite Anreise erfordert. Die Regelmäßigkeit ermöglicht uns dabei auch, am Projekt Graphit zu feilen, Neues auszuprobieren und Etabliertes zu vertiefen. Positive Effekte aus den Impulsen der Veranstaltungen und die entstehenden Netzwerke zwischen den Teilnehmenden sollen so verstetigt und verstärkt werden. Nicht zuletzt wollen wir als Orga-Team nicht nur im Hintergrund organisieren, sondern mal wieder selbst ein Graphit erleben und die Chance haben, an den Programmpunkten,
auf die wir uns mehr als sehr freuen, teilzunehmen.
Wie viele Leute können eigentlich maximal teilnehmen und gibt es noch viele Karten?
Wir haben Pi mal Daumen mit maximal 100 Leuten gerechnet, wobei da auch die Dozierenden und alle HelferInnen mit eingerechnet sind – ein bunter Haufen wird es allemal. Aber es gibt noch ein paar Tickets, sowohl das All-inklusive-Paket für alle drei Tage als auch für einzelne Tage und Veranstaltungspunkte wie unserem Battle. Da ist für jeden Terminkalender was dabei.
2022 beim Graphit im Programm
Am 23. September geht es offiziell los. Den Startschuss macht ein Workshop im Kontor mit Antonia Dieti und Anne Marx zum Thema Wrestlingmasken. Mit „1_SCHANDE“ lädt das Graphit-Team zur ersten (Re-)Paint Session für Wrestling Figuren der 90er ein. Hier können fleischgewordene Nachbildungen von genauso berühmten wie schweißigen Muskelhelden der Laune nach umgestalten und verschandelt werden. Durchtrainierte Stars aus den Zeiten von VHS und „Spät-Nacht Eurosport“ bilden die Grundlage für dilettantische Eskapaden jenseits des Instagramm-Fitness-Hypes.
Die Vorträge der Illustratoren
Im ersten Vortrag des Symposiums spricht die Illustratorin Anna Geselle zu ihrem Comic „Furiositäten“, welcher sich mit gegenderter Wut beschäftigt und mit den gesellschaftlichen Skripten, nach denen wir empfundene und offen geäußerte Wut filtern, wahrnehmen und bewerten. Im Anschluss spricht Illustrator, Zeichner und Gestalter Henning Wagenbreth aus Berlin über Plakat-, Buch- und Zeitungsillustration. Er beschäftigt sich mit allem. Mit Politik, Wissenschaften, Religion, sogenannter Hoch- und Alltagskultur. Er tritt mit Zeitungsillustrationen vor hunderttausenden Lesern auf. Mit Büchern und Druckgrafiken vor einem kleinen aber feinem Publikum.
Der Graphit Workshop
Bei außergewöhnlichen Workshops lässt sich das Graphit nicht lumpen. Mit der Erfurter Illustratorin Ernestine
Donnerberg werden die Teilnehmenden ein eigenes Exlibris im Stempeldruck herstellen. Ohne viele Hilfsmittel
entsteht hier ein Hochdruck im Miniformat, der sich als Ausdruck der Liebe zum gedruckten Buch in eure Bibliothek einstempelt. Im Workshop bei Produkt-Designerin Susann Paduch dienen flache Porzellanschalen als Leinwände, die mit Hilfe spezieller Pigmentstifte illustriert werden.
Das Graphit Battle
Neben den Tagesordnungspunkten, die nur für Festival Teilnehmer gedacht sind, bietet das Graphit auch Veranstaltungen, die jedermann besuchen kann. Highlight ist ganz klar das Graphit-Battle am 24. September. Im Retronom in Erfurt treten dann die „tollkühnsten Künstler:innen aller Menschen Länder an, um sich vorm Publikum, der kritischsten aller Juries, zu behaupten“, wie es auf der Homepage des Festivals heißt. Untermalt wird das Ganze mit Musik von La Kay und im Nachgang mit den Klängen von DJ Johannes Voon. Auch für alle offen: Die Urban ArtFührung und Sketching Tour. Von der Eisenbahnbrücke in der Puschkinstraße ausgehend werden entlang der Route einige spannende Orte sowie verschiedenste Formen von Kunst im öffentlichen Raum im Bahnhofsquartier vorgestellt. Nebenbei gibt’s Infos zur Entwicklung des öffentlichen Raumes in Erfurt aus der Urban-Art-Perspektive. Die Tour wird durch OQ-Paint, eine Initiative für Kunst im öffentlichen Raum, geführt und von zwei Urbanartists begleitet. Um 11.30 Uhr startet die Tour an der Eisenbahnbrücke in der Puschkinstraße.
Hard Facts
- Wann: 23. bis 25. September | Graphit Battle: 24 September : 19 Uhr
- Wo: Johannesstraße 17A
- Instagram | Homepage |
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