Wie empfindet ein Künstler, bevor er auf sein Publikum trifft? Was geschieht hinter der Bühne? Wie verändert sich das Selbst und das Umfeld im Laufe der Zeit? Das sind nur einige von vielen Fragen, die den Erfurter Fotografen Peter Runkewitz dazu bewegten, vor fast genau 10 Jahren eine Fotodokumentation über den Thüringer Pianisten, Komponisten und Produzenten Martin Kohlstedt zu beginnen.
Peter Runkewitz veröffentlich Fotoband
Bei weit mehr als 300 Gelegenheiten entstanden dokumentarische Aufnahmen: auf der Bühne, im Backstagebereich, bei Albumaufnahmearbeiten im Tonstudio sowie bei ganz privaten Begegnungen. Die nahe und intime Fotodokumentation zeichnet ein vielschichtiges Bild vom Werdegang des Musikers Martin Kohlstedt.
Martin Kohlstedt hinter den Kulissen
Neben großen Ereignissen wie Auftritten in der Hamburger Elbphilharmonie oder spektakulären Live-Shows mit dem Gewandhauschor zu Leipzig, geben die Fotografien von Peter Runkewitz sehr persönliche Einblicke in die Vorbereitungen des Musikers, das verborgene Leben hinter den Bühnen und den Pausen dazwischen. Fast zeitgleich zur nun entstandenen Ausstellung erscheint ein erstes Buch, ein erster Blick zurück auf zehn bewegte Jahre. Wir sprachen mit Peter, wie er die vergangenen Jahre wahrgenommen hat.
Peter, wolltest du schon immer Fotograf werden oder wie kam es dazu, dass du heute Bilder knipst?
Das hat sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Zuerst war ich im Bereich der Musikorganisation beruflich tätig. Dabei ist bereits über die Arbeit an Plakaten und Flyern die Fotografie etwas ins Rollen gekommen. Ich bin letztendlich in die Fotografie übergegangen, weil es für mich ein deutlich ruhigerer Job ist.
Also gefällt dir besonders diese Ruhe an deinem jetzigen Job oder gibt es noch andere Faktoren?
Das Beobachten begeistert mich sehr, deshalb mache ich auch so gerne Porträts, Dokumentationen und Reportagen. Im Musikbereich bin ich trotzdem geblieben, weil einer meiner großen Schwerpunkte auf der Live-MusikFotografie oder aber der Hintergrunddokumentation der Künstler:innen liegt. Ich fotografiere Musiker:innen gerne hinter den Kulissen. Damals hatte ich das Glück, Martin bei seiner aller ersten Solo-Show fotografieren zu können. Von da an begann das Projekt.
Wie kam es dazu, dass du dich ausgerechnet für Martin Kohlstedt entschieden hast?
(lacht) Das war eigentlich ein glücklicher Zufall. Ein Freund von mir hat mich auf die Idee gebracht. Er wusste, dass ich schon lange eine Musiker:innen-Dokumentation starten wollte und hatte selbst mit Martin Kohlstedt zu tun, bevor er seinen ersten Solo-Auftritt hatte.
Wie hast du es letztendlich hinbekommen, dass Martin dich in sein Leben lässt?
Das war eine lange Entwicklung. Bei der ersten Liveshow selbst hat Martin mir die Erlaubnis gegeben, an diesem Tag zu fotografieren. Das war am 17. Februar 2013 in Weimar im Lichthaus. Da wusste Martin noch gar nicht, wohin der Weg uns führen wird. Vor allem im Laufe der ersten zwei Jahre ließen wir das Projekt auf uns zukommen. Martin hat es einfach geschehen lassen und geschaut, wohin es uns tragen wird. Er erkannte, welches Potenzial das Projekt auch für ihn hat. Es entwickelte sich insgesamt aber eher nach und nach so, dass ich immer näher an ihn und die ganze Geschichte herangekommen bin. So entwickelte sich letztendlich eine Freundschaft.
Also habt ihr über die Jahre eine immer größere Bindung zueinander aufgebaut?
Ja, genau. Es ging vor allem um ein großes Vertrauensverhältnis, damit dieses Projekt überhaupt möglich war. Wir mussten einander vertrauen und mittlerweile ist es für Martin normal, dass ich ihn in fast jeder Situation fotografieren darf. Das hängt natürlich sehr mit dem Vertrauen zusammen, dass er mir gegenüber haben muss. Dass er weiß, dass ich nichts Schlechtes, Intimes oder Unangebrachtes einfach veröffentlichen würde.
Wie kam es dann zu der Idee, ein Buch über diese Zeit zu veröffentlichen?
Das erste Treffen für diese Idee gab es bereits nach fünf Jahren, also 2018. Da setzten wir uns das erste Mal zusammen und überlegten, ob man aus den fünf Jahren bereits etwas erarbeiten könnte. Wir sind relativ schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass fünf Jahre noch zu früh sind und dass das Projekt einfach weitergehen sollte. Zu Beginn der Pandemie setzten wir uns erneut zusammen. Wir waren uns einig, dass ich nach zehn Jahren nun endlich etwas veröffentlichen und eine Ausstellung machen kann. Das Buch deckt jedoch nicht alle Bereiche der Dokumentation ab. Es liefert nur einen kleinen Einblick. Es erzählt dem Publikum von den Dingen, die es außerhalb der Bühne nicht sehen kann.
Wie war es für dich, Martin sowohl während seiner Arbeit als auch privat zu begleiten? Hast du etwas aus dieser Zeit mitgenommen oder hat dich etwas besonders berührt?
Besonders berührt hat mich die Tatsache, dass sich eine Freundschaft zwischen uns entwickelt hat. Wir bezeichnen uns mittlerweile als Freunde und verhalten uns auch so. Wir können uns aufeinander verlassen. Auch die Art, wie Martin spielt, berührt mich sehr, dass in jedem Konzert etwas völlig Neues, Unerwartetes steckt und er selbst nicht weiß, was passieren wird.
Gab es auch sehr intime Momente, die du während der Zeit mit Martin erleben oder festhalten konntest?
Es gab einige sehr nahe und intime Momente. Im Buch gibt es ein Bild, das meiner Meinung nach sehr aus der Reihe fällt. Dieses Bild entstand auf einer Tour durch die Schweiz im Dezember 2019. Es war ein sonniger Tag und wir sind zu einem Bergsee spaziert. Nachdem wir eine Weile dort saßen, uns unterhielten und eine schöne Zeit genossen, hatte Martin die Idee, schnell mal ein kleines Bad zu nehmen (lacht). Solche Momente sind eher ungewöhnlich und zeigen Künstler auf eine neue Art. Nicht all diese Momente sind in Fotos festgehalten. Einige existieren nur noch in unserer Erinnerung, was für mich auch ein sehr wichtiger Bestandteil ist.
Ist das Projekt „beyond stage“ deshalb so etwas besonders?
Besonders an dem Projekt ist der lange Zeitraum. Für uns ist es außerdem nur ein Zwischenstand. Es wird in Zukunft weitergehen. Das Projekt dreht sich tatsächlich weniger um die Livemusik. Es geht um die Fotos, die hinter der Bühne entstehen. Das, was man normalerweise nicht auf den ersten Blick einfangen kann.
Was erwartet die Besucher bei der Ausstellung „beyond stage – jenseits der Bühne | 10 Jahre unterwegs mit Martin Kohlstedt“?
In der Ausstellung kann man viele von diesen Momenten, die ich beschrieben habe, kennenlernen. Man sieht Martin hinter der Bühne, kurz bevor die Show anfängt. Es sind die Gefühle zu sehen, die in der Luft liegen.
Gibt es für dich ein persönliches Highlight der Ausstellung?
Einige Bilder sind mir selbst besonders wichtig, aber ich möchte den Betrachter:innen selbst nichts vorlegen. Jeder, der sich die Bilder ansieht, sollte seine eigene Wertung in diese legen können. Bei dieser riesigen Auswahl von Bildern ging es auch nicht bloß um das Ästhetische. Es ging eher um die Momente und das, was die Bilder erzählen. Ich hoffe, dass die Ausstellung und das Buch für sich selbst eine kleine Geschichte erzählen. Eine Geschichte über einen Musiker, einen Künstler und eine Erfolgsstory. Einen Weg, den man als Team gemeinsam beschreitet. Besonders die Familie um das Projekt Martin Kohlstedt ist viel größer geworden. Ich habe die große Hoffnung, dass genau das in den Fotos zum Ausdruck kommt. Dass man persönliche, familiäre Einblicke gewinnen kann.
Was passiert bei der Midissage am 25. Februar?
Die Midissage ist gleichzeitig der Veröffentlichungstermin für das Buch. Darum dreht sich an diesem Tag alles. Martin selbst spielt an diesem Abend öfter am Flügel. Dazu präsentieren wir das Buch. Wir wollen gemeinsam mit den Gästen feiern. Bei der Finissage haben wir uns weniger vorgenommen, es wird ein eher ruhiges Event. Die Leute sind herzlich eingeladen. Wir freuen uns immer über Fragen und Anmerkungen zu den Bildern, dem Buch und der Ausstellung.
Wie geht es nach zehn Jahren mit dir und Martin weiter?
Wir wollen die Dokumentation fortführen. Ich bin weiter mit dabei und fotografiere. Wenn es wieder so weit ist und eine weitere Ausstellung möglich erscheint, werden wir es spüren. Für mich selbst ist erst mal das Ziel, dass die jetzige Ausstellung wandert und an weiteren Orten gesehen werden kann. Wann und wo wird sich in Zukunft zeigen.
Hard Facts:
- Ausstellung Erfurt: bis 17. März
- Di. bis Fr.: 12 bis 17Uhr | Sa. : 10 bis 17 Uhr
- Kultur: Haus Dacheröden | Anger 37
- Midissage: 25. Februar | 19 Uhr |
- Künstlergespräch: 4. März | 19 Uhr |
- Finissage: 17. März | 19 Uhr
- Mehr: www.runkewitz.com
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