Anna Kant ist Künstlerin. Auf ihren Fotografien steht sie oft selbst im Mittelpunkt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Schwarz, Weiß und Grautöne prägen die Bilder ihrer aktuellen Serie „Angst weiß“. Dahinter verbirgt sich jedoch etwas Unsichtbares. Für Anna sind ihre Fotos nicht nur Kunst. „Die Selbstinszenierungen vor der Kamera sind eine Therapie für mich“, sagt sie. Denn Anna lebt mit einer Angststörung, einer Phobie, die sie in ihrem Leben einschränkt. Mit ihren Bildern hat sie eine Art gefunden, auf die sie ihre Gefühle und Ängste verarbeiten kann.
Erfurt: Angst sichtbar machen mit Anna Kants Fotokunst
Panikattacken, Herzrasen, Momente der Überforderung – die Symptome sind vielschichtig. „Die Angst ist lautlos, allgegenwärtig.“ Die Phobie drängt sie in gedankliche Endlosschleifen, die oft im Rückzug und der Isolation enden. „Am Ende bleibt nur Ich und Weiß.“ Passend dazu stellte sie eine Fotoserie in Schwarz-Weiß in der Kunsthalle Erfurt aus, mit dem Titel „Angst weiß“.
Thüringen: Anna Kant öffnet Gespräch über psychische Gesundheit
Mit zehn Jahren nimmt sie ihre Angst das erste Mal bewusst wahr – in einem Klassenraum. Erst 17 Jahre später realisiert sie, dass es eine Panikattacke war. „Ich habe Angst. Und meine Angst hat eine Farbe: weiß“, sagt sie. Weiß – das steht für Leere, für Reinheit, aber auch für Übermacht.

Anna Kant ist Künstlerin. Auf ihren Fotografien steht sie oft selbst im Mittelpunkt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Schwarz, Weiß und Grautöne prägen die Bilder ihrer aktuellen Serie „Angst Weiß“. Dieses Bild trägt den Titel „Thoughts“
„Meine Angst fühlt sich für mich sehr unterschiedlich an. Manchmal ist sie wie eine Flüssigkeit, die mich langsam übergießt und mich allmählich überwältigt. Oft kommt sie aber auch ruckartig, wie ein Geist, der von mir Besitz ergreift und mich plötzlich überfällt. Häufig sitzt sie im Hintergrund und ich spüre sie nur latent, während ich geduldig warte, bis sie sich wieder zeigt.“ Trotz der negativen Erfahrungen ist Anna der Meinung, dass sie sich dadurch kennengelernt hat, ihre Gefühle besser versteht und sich mit ihrer Angst anders auseinandersetzt.
„Es war wie eine Art Befreiung“
Schon im Kindesalter bekam Anna ihre erste Kamera, probierte sich damit aus. Der Moment, in dem sie ihre Angst das erste Mal in ein Bild übersetzte, war wie eine Befreiung für sie.
Ausstellung in Erfurt verarbeitet Angst als künstlerische Therapie
Inzwischen ist die Kunst ein wichtiger Prozess, um ihre inneren Kämpfe sichtbar zu machen und zu reflektieren. „Ich habe gemerkt, dass das Inszenieren und Teilen meiner Arbeiten mir helfen, mit meinen Ängsten umzugehen und sie nicht nur zu verdrängen, sondern zu verstehen. Ich stelle mich ihnen, schaue sie an.“ Angst habe zwar viele Gesichter, spreche aber bei allen die gleiche Sprache. Ihre Angst in Bildern zu verarbeiten sei wie ein Forschungsprojekt an ihr selbst. Wann immer sie nun mit Panik oder Angstgefühlen konfrontiert ist, überlegt sie, wie man dadurch den künstlerischen Aspekt mit aufgreifen kann.
Angst erscheint nicht ausschließlich als Feind
Durch die Kunst hat Anna einen Weg gefunden, mit ihrer Angst umzugehen. In der Serie „Angst weiß“ zeigt sie nicht nur Schmerz und Überforderung, sondern auch Klarheit und den Versuch, zu verstehen. Die Angst erscheint nicht ausschließlich als Feind – sie ist auch Beschützer, Teil von ihr selbst.

Anna Kant ist Künstlerin. Auf ihren Fotografien steht sie oft selbst im Mittelpunkt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Schwarz, Weiß und Grautöne prägen die Bilder ihrer aktuellen Serie „Angst Weiß“. Dieses Bild trägt den Titel „gebrannt“
Insbesondere an schlechten Tagen greift Anna zur Kamera, um ihre Ängste, den Kontrollverlust, zu dokumentieren. Wenn ihr alles zu viel wird, gehe sie in die Natur – versucht, sich zu erden. Ihr nächster Meilenstein wird sein, auch genau das öffentlich zu teilen. „Ich möchte bewusst raus aus der perfekten Welt, rein ins reale Leben. Denn trotz meiner Inszenierungen zeige ich genau das – das Leben in all seinen Facetten.“
Der Weg an die Öffentlichkeit war nicht leicht
Es war ein langer Prozess, bis Anna sich dazu entschied, sich und ihre Ängste öffentlich zu zeigen. „Schließlich möchte man den Leuten keine Angriffsfläche bieten.“ Sobald sie jedoch merkte, dass das völlig okay ist, ist bei ihr ein Knoten geplatzt, erzählt sie. Man muss nicht perfekt sein. Das zu erkennen, hilft zu mehr Ehrlichkeit und Akzeptanz gegen sich selbst.

Anna Kant ist Künstlerin. Auf ihren Fotografien steht sie oft selbst im Mittelpunkt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Schwarz, Weiß und Grautöne prägen die Bilder ihrer aktuellen Serie „Angst Weiß“. Dieses Bild trägt den Titel Lisa-Sora
„Es kostet viel Mut, die eigenen Schmerzen sichtbar zu machen. Doch ich empfinde es als befreiend und notwendig, um das Schweigen zu brechen und anderen den Blick auf das Unsichtbare zu ermöglichen.“ Ihr Ziel ist es, das Schweigen zu brechen und psychische Gesundheit sichtbar zu machen. Anna ist der Meinung, dass über Angst gesprochen werden muss, sie muss enttabuisiert werden. Kunst sei dafür das perfekte Medium, da sie nicht bewertet, sondern betrachtet wird.
Porträts gegen Panik: Anna Kant fotografiert ihre Angst
Mit der Zeit verändert sich auch Annas Kunst. In der Serie „Angst weiß“ tritt zum ersten Mal ihre Verletzlichkeit besonders in den Vordergrund. Normalerweise betrachtet sie ihren Körper als eine Leinwand, die durch Requisiten und Kulissen zum künstlerischen Objekt wird. Es seien schon Menschen auf sie zugekommen und meinten, dass was sie macht, sehr krass wäre.

Anna Kant ist Künstlerin. Auf ihren Fotografien steht sie oft selbst im Mittelpunkt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Schwarz, Weiß und Grautöne prägen die Bilder ihrer aktuellen Serie „Angst Weiß“. Dieses Bild trägt den Titel „Suppe“
„Sie verschonen niemanden.“ Trotz der Ernsthaftigkeit ihrer Arbeiten versucht Anna, ihren Bildern auch Leichtigkeit zu verleihen – mit Witz und Ironie, als Gegenpol zur Schwere. Ihre Serie sei ein laufender Prozess, kein Abschluss. „Angst weiß“ ist ein Forschungsprojekt an sich selbst – und eine Einladung zum Dialog.
Anna Kant zeigt Phobie und Befreiung in Erfurter Kunsthalle
Seitdem die Serie in der Erfurter Kunsthalle ausgestellt wurde, bekam Anna viel Zuspruch. Persönlich, über Dritte oder in den sozialen Netzwerken kommen Menschen auf sie zu und erklären, dass ihnen die Bilder helfen, sich besser verstanden fühlen. Für Anna ist das der größte Antrieb, weiterzumachen, erzählt sie. Die Serie „Angst weiß“ wird weitergeführt – auch ein Buch dazu ist in Arbeit. Anna möchte die Werke künftig deutschlandweit zeigen und zusätzlich Hilfsmittel teilen, die ihr auf dem Weg geholfen haben. „Wenn ich damit auch nur einen Menschen erreiche, ist das doch fantastisch.“
