Nico Semsrott ist der wohl traurigste Komiker der Welt. Auf jeden Fall ist das, was der Mann mit der Kapuze da auf der Bühne treibt: einzigartig, intelligent und relevant. Obwohl er als staatlich nicht anerkannter Demotivationstrainer eigentlich ein Vorbild im Scheitern sein will, wird er mit Kabarett- und anderen Preisen überhäuft.
Freude ist nur ein Mangel an Information – ist die Welt wirklich so schlecht?
Die Welt ist natürlich weder gut noch schlecht, sie ist einfach. Aber es hilft, alles pessimistisch zu betrachten. Wenn ich optimistisch bin, werde ich im Leben oft enttäuscht. Wenn mir etwas wider Erwarten doch gelingt oder ich zufällig Glück erlebe, dann ist die Überraschung groß. Als Pessimist kann ich nur gewinnen. Als Optimist nur verlieren. In Deutschland werden auch alle Großprojekte mit Optimismus begangen. Das Scheitern beim BER war nur möglich, weil Leute fälschlicherweise gesagt haben, wir schaffen das.
Was motiviert einen Demotivationstrainer?
Ich bin Demotivationstrainer geworden, weil ich die Leute im Kapitalismus nur mehr Faulheit anspornen wollte und ihn somit zu sabotieren. Dieser Ansatz ist mittlerweile überholt.
Mich motivieren leider Nazis. Ich will den Arschlöchern nicht die Bühne überlassen und mittlerweile braucht es viel mehr Menschen, die sich politisch engagieren. Leider fehlt mir selbst für Aktivismus die Energie. Deswegen versuche ich Passivismus. Widerstand auf geringerem Niveau.
Wenn Sie in Ihrem Programm lachen müssen, spenden Sie an eine politische Organisation, die Sie nicht wirklich unterstützen wollen. Sind Sie damit schon zum Großspender aufgestiegen?
Pro Lacher gehen 5 Euro an die Junge Union. Ich glaube aber, um im CDU-Umfeld zum Großspender zu werden, muss man mit anderen Budgets arbeiten als ich.
Ihr Programm und auch Ihr YouTube-Auftritt verfolgen ja einen aufklärerischen Ansatz, beispielsweise gegen Populismus oder Rassismus. Haben Sie das Gefühl, damit etwas erreichen zu können?
Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist Humor der natürliche Feind von Rechtsextremisten, denn Rechtsextremisten setzen auf Einschüchterung und Angst. Wer lacht, hat keine Angst mehr und wird getröstet. Deswegen hat Satire immer einen hohen therapeutischen Wert.
Für 2019 gibt es von Ihnen den „Kalender des Scheiterns“. Was hat es damit auf sich?
Ein Abreißkalender mit 365 historischen Ereignissen des Scheiterns. Will man mit sowas in den Tag starten? Ich denke ja! So nach dem Motto: „Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du‘s hinter Dir.“
Haben Sie wirklich für jeden Tag ein historisches Scheitern gefunden? Oder gibt einen Tag, an dem das historische Scheitern darin liegt, dass Sie für diesen Tag nichts finden konnten?
Ja, gleich mehrmals haben wir nix gefunden, dafür haben wir dann wiederum Scheitergeschichten eingefügt, für die wir kein Datum gefunden haben. Aus dem Scheitern ist somit dann immer doch noch was geworden.
Sie wollen 2019 für Die PARTEI nach Brüssel und Kommissionspräsident werden. Wie können Sie sich für so einen anstrengenden Job motivieren?
Als Kommissionspräsident hat man sehr viele Mitarbeiter. Ich würde entscheiden, die anderen müssten arbeiten. Erster Auftrag: Ich möchte in Europa die Demokratie einführen. Notfalls gegen die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.
Werden Sie nach oder auch während Ihrer politischen Karriere wieder auf die Bühne zurückkehren?
Vielleicht. Auf jeden Fall muss ich mich nach dieser Tour erstmal hinlegen.
14. November, 20 Uhr, Stadtgarten