Rassismus, Klimakrise und Politikverdrossenheit: Die Welt braucht neue Ideen und Maßnahmen, wenn sie ihre Herausforderungen und Probleme lösen will. Doch vor allem braucht sie mehr Mut und eine neue Begeisterung für demokratische Werte und politisches Engagement. Das wissen auch Radikale Töchter aus Berlin. Radikale Töchter ist ein Projekt, das durch Workshops Strategien der Aktionskunst und des Aktivismus vermittelt, um insbesondere junge Menschen zu politischer Teilhabe und Engagement zu inspirieren.
Politischer Protest durch Kunst: Workshop in Erfurt
Ziel der Workshops ist es, Menschlichkeit, Haltung und Leidenschaft zu fördern und den Teilnehmenden zu helfen, ihre Handlungsfähigkeit zu entdecken. Am 14. März findet so ein Workshop in Erfurt statt. Wir sprachen deshalb vorab mit Felice Frach von Radikale Töchter, um genauer zu verstehen, wie wir die Welt besser machen können.
Mit „Radikale Töchter“ wollt ihr junge Menschen in Workshops zur politischen Teilhabe inspirieren. Wie kam es zur Gründung und der Idee Workshops für Aktionskunst anzubieten?
Radikale Töchter gründete sich 2019 in Hinblick auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Schon damals war uns klar: Die extreme Rechte gewann an Einfluss, besonders unter jungen Menschen. Unsere eigene Erfahrung hat gezeigt, wie kraftvoll Aktionskunst sein kann: Menschen, die sich zuvor für unpolitisch hielten, wurden durch Kunstaktionen inspiriert – und hatten plötzlich selber Lust, sich einzubringen. Daraus entstand die Idee, Radikale Töchter zu gründen und die kreativen Strategien und Methoden der Aktionskunst mit vielen zu teilen.
DB AG Bahn Azubis gegen Hass und Gewalt (BAgHuG) 2024. Foto: Philipp von Recklinghausen
Denn in der Aktionskunst geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern darum, gemeinsam ins Handeln zu kommen. Wir erschaffen Bilder und Geschichten, die Hoffnung wecken, Mut machen und zum Aktiv werden anregen. Denn Wissen allein reicht nicht – Veränderung beginnt mit Aktion.
Was bedeutet Aktionskunst für euch und warum ist sie so wichtig für die politische Teilhabe von jungen Menschen?
Aktionskunst mischt sich ein, überrascht und fordert heraus – sie ist Kunst, die nicht nur betrachtet, sondern erlebt wird. Sie verwandelt Straßen in Bühnen, Passant*innen in Teilnehmende und abstrakte politische Themen in greifbare, emotionale Erlebnisse. Ob durch spontane Performances, visuelle Statements oder provokante Inszenierungen im öffentlichen Raum – Aktionskunst bricht Routinen auf und bringt Menschen dazu, hinzusehen, nachzudenken und zu handeln. Gerade junge Menschen begeistert sie, weil sie kreativ, laut und direkt ist. Sie macht Politik spürbar, zeigt neue Perspektiven auf und gibt eine Stimme, wo sonst vielleicht keine gehört wird.
Ein Workshop „ganz ohne langwierige Vorträge und Seminare“ – wie kann ich mir einen „Radikale Töchter“- Workshop vorstellen?
Bei einem Workshop von Radikale Töchter rücken du und deine persönlichen Wut- und Mut-Themen in den Vordergrund. Wir bringen Beispiele aus der Aktionskunst mit und geben spannende Einblicke hinter die Kulissen der Aktionskunst. Anstatt von Frontalunterricht, tauchen wir anhand unserer 11 Methoden der Aktionskunst in einen gemeinsamen Arbeitsprozess ein.
Als Teilnehmende*r lernst du, wie die eigene politische Wut als emotionale Kompetenz in Mut und Aktionskunst umgewandelt werden kann. Dabei entstehen Umsetzungskonzepte, kurze Interventionen, eigene Entwürfe, Performances oder Impulse. Es geht darum, von der eigenen Idee ins Handeln zu kommen und sich dabei gemeinsam auf ein konkretes Thema zu einigen.
Ihr fokussiert euren Einsatz besonders auf Brandenburg, Sachsen und Thüringen, vor allem auf ländliche Regionen, Dörfer und Kleinstädte – welche Rolle spielen lokale Kultur und politische Strömungen in diesen Regionen bei euren Workshops?
Die lokale Kultur ist ein zentraler Bestandteil unserer Workshops. Uns ist es wichtig, uns mit ihr auseinanderzusetzen und sie aktiv in den kreativen Prozess einfließen zu lassen. Da wir keine Themen vorgeben, sondern die Anliegen der Teilnehmenden aufgreifen, entstehen oft ganz natürliche Bezüge zur lokalen Kultur – auf eine dynamische und lebendige Weise.
Aktionskunst ist immer politisch. Deshalb spielen politische Strömungen eine entscheidende Rolle in unserer Arbeit. Dabei begegnen wir auch extremen Haltungen, die wir einordnen müssen. Unser Ziel ist es, (junge) Menschen mitzunehmen und in den Dialog zu treten – zugleich erkennen wir aber auch die Grenzen des Möglichen.
Stoßt ihr auf Herausforderungen, Teilnehmer:innen in diesen Regionen zu erreichen?
Besonders in ländlichen Regionen stoßen wir immer wieder auf Herausforderungen, junge Menschen zu erreichen, die sich selbst als unpolitisch wahrnehmen. Gerade dort fehlen oft Angebote und Strukturen für politisches Engagement – politische Themen sind im Alltag weniger sichtbar und der Zugang zu Mitbestimmung fühlt sich für viele weit entfernt an.
Genau dort versuchen wir auch anzusetzen: Zum Beispiel mit Ansprache auf Augenhöhe, Ansätzen, die Spaß machen und Interesse wecken, digitalen Angeboten und Workshops und natürlich starken Kooperationen mit lokalen Organisationen und Vereinen vor Ort. Wir bringen politische Bildung dorthin, wo sie sonst oft nicht stattfindet. Denn nachhaltige politische Bildung bedeutet Vertrauensarbeit – und nur durch stabile Netzwerke erreichen wir viele.
Wie kann euer Workshop jungen Erwachsenen bei der Ideenfindung und dem Umgang mit politischen Themen helfen?
Unsere Workshops beginnen immer mit einem politischen Speeddating – eine von uns entwickelte Methode, um auf spielerische Weise in den Austausch zu kommen und politische Perspektiven auf zunächst unpolitisch wirkende Fragen zu eröffnen. Ziel ist es, herauszufinden, welches „politische Gehalt“ in diesen Fragen steckt und welche persönliche Relevanz sie für die Teilnehmenden haben. Diese Bezüge helfen dabei, sich der eigenen Themen bewusst zu werden.
Der nächste zentrale Bestandteil unserer Workshops ist die Konkretisierung der Themen. Viele Teilnehmende äußern zu Beginn allgemeine Gefühle wie bspw. „Die Klimakrise macht mich wütend“. Doch ein so großes Thema allein kann überwältigend wirken. Unser Ansatz hilft, diese Themen greifbarer und klarer zu formulieren. Je konkreter ein Anliegen ist, desto besser lässt es sich angehen und verändern. Wichtig dabei ist auch die Konkretisierung. In Zeiten multipler Krisen fällt es vielen schwer, sich auf ein einzelnes Thema zu konzentrieren. Doch um wirklich ins Handeln zu kommen, ist genau das essentiell. Wir ermutigen die Teilnehmenden, eine Priorität zu setzen – denn wer zu viele Prioritäten hat, hat am Ende gar keine. So gelingt der erste Schritt in Richtung Veränderung.
Unser Workshop eröffnet mit unseren 11 Methoden der Aktionskunst dann auch noch einen kreativen Zugang zu eigenen Themen. Im Arbeitsprozess ermutigen wir die Teilnehmenden, gewohnte Denkmuster aufzubrechen, neue Perspektiven einzunehmen und unkonventionelle Wege zu erkunden. So entsteht ein geschützter Raum, in dem sie sich frei ausprobieren, ihre Ideen weiterentwickeln und neue Ausdrucksformen für ihre Anliegen finden können.
Ihr gebt einen „Mut-Muskel-Workshop“. Was ist ein Mut-Muskel und warum müssen wir ihn stärken?
Die Zeiten sind herausfordernd und politische Ohnmacht ist allgegenwärtig. Doch genau deshalb braucht es eine resiliente Zivilgesellschaft – eine, die nicht nur zusieht, sondern für demokratische Prinzipien einsteht. Das erfordert Mut. Und Mut ist nichts, was man einfach hat oder nicht hat – er ist wie ein Muskel, der trainiert werden kann. Jede kleine Handlung, jeder Widerspruch gegen Ungerechtigkeit stärkt diesen Muskel. Wer übt, mutig zu sein, erfährt, dass politisches Handeln nicht nur notwendig, sondern auch machbar ist. Und dass Veränderung immer dort beginnt, wo Menschen sich trauen, den ersten Schritt zu gehen.
Gibt es ein Beispiel für eine erfolgreiche Aktion, die aus einem eurer Workshops hervorgegangen ist?
Ja, es gibt einige Aktionen, die aus unseren Workshops heraus entstanden sind. Eine erfolgreiche Aktion ist beispielsweise im Rahmen unseres MUT-Stipendiums entstanden. Dies war eine Aktion von “ACT KIT!”. ACT KIT! verbindet Aktivismus mit Mode und nutzt Kleidung als Kommunikationsmittel, um den Aktivismus gegen die Klimakrise zu unterstützen und die eigene Haltung zu reflektieren. Alltägliche Ressourcen und ausrangierte Textilien werden zu wirkungsvollen Statements umfunktioniert.
Weitere Beispiele gibt es in unserer digitalen Aktionskunstgalerie. Hier präsentieren wir fortlaufend Aktionsideen aus unseren Workshops, um ihnen Sichtbarkeit zu geben und andere zu inspirieren, sich selbst in Aktionskunst auszuprobieren und ins politische Handeln zu kommen.
Hard Facts
- Workshop mit Radikale Töchter in Erfurt:
- 14. März | Zum Güterbahnhof 20
- Mehr Infos: www.radikaletoechter.de