Es ist noch viel zu tun, damit wir alle in einer gerechten Welt leben können. Geschlechterungleichheiten bestehen in vielen Bereichen fort – bei der Bezahlung, in Führungspositionen und bei der Verteilung von Sorgearbeit. Ganz zu schweigen von dem Sexismus und der Gewalt, der Frauen auch in Deutschland im Jahr 2025 noch immer ausgesetzt sind.
KRAFTWERKE Erfurt: 30 Events für Kultur und Feminismus
Um das zu ändern, schickt sich das feministische Kulturfestival „KRAFTWERKE – culture.equality.now!“ in Erfurt an, durch ein buntes Angebot an Veranstaltungen etwas zu ändern. Vom 1. bis 9. März und darüber hinaus finden deshalb in der Thüringer Landeshauptstadt die verschiedensten Events statt – von Konzert über Lesung bis zu Workshops wird einiges geboten. Wir sprachen deshalb mit der Organisatorin von KRAFTWERKE Ianthe Nico Paul, um mehr über das feministische Festival in Erfurt zu erfahren.
Wie ist die Idee zu KRAFTWERKE entstanden, und welche Vision steckt dahinter?
Während meines Minijobs im Kalif Storch hatte ich die Möglichkeit, Einblicke in die Planung von Projekten zu gewinnen – und sogar selbst eine kleine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, was mir direkt Spaß machte. Zusammen mit Hubert Langrock, dem Chef des Clubs, habe ich darüber gesprochen, dass Erfurt dringend mehr aktiven Feminismus braucht – vor allem in der Kulturszene. Anfangs dachte ich nur an eine einzelne Veranstaltung im Kalif, doch das war mir nicht genug. Ich wollte, dass ganz Erfurt die Kraft des Feminismus spürt. So entstand die Idee, eine Auftaktwoche zum feministischen Kampftag am 8. März zu gestalten.
Der Name ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu? Und warum culture.equality.now!?
Der Name entstand erst nach längeren Überlegungen. Zunächst wollte ich die Woche schlicht „feministische Auftaktwoche – FeAWo“ nennen, doch wirklich zufrieden war ich damit nicht. Also dachte ich weiter über einen passenden Namen nach. Ich fragte mich: Was will ich mit dieser Woche erreichen? Und wie kann ich dieses Ziel umsetzen? So entstand KRAFTWERKE.
Kraft – für die Gesellschaft, für marginalisierte Gruppen. Kraft, um aus patriarchalen Strukturen auszubrechen und sich selbst zu ermutigen. Werke – weil diese Kraft Arbeit erfordert, weil Werke entstehen, weil Menschen Dinge erschaffen. Dinge wie Ausstellungen, eigene Bücher, Workshops für andere, Musik, die mitfühlen lässt und Gefühle verkörpert. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die Kraft des Feminismus erlebbar zu machen.
Der Nachsatz „culture.equality.now!“ unterstreicht die Forderung von KRAFTWERKE: Gleichberechtigung muss JETZT in der Kultur verankert werden. Kultur verbindet verschie- dene Gesellschaftsgruppen in Erfurt – sie bietet eine riesige Plattform, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen. Wenn wir es schaffen, Gleichberechtigung durch Kultur zu fördern, können wir damit auch die Gesellschaft nachhaltig sensibilisieren.
Du machst ja viel in Eigenregie. Welche Herausforderungen gab es bei der Organisation der ersten KRAFTWERKE-Woche?
Die größte Herausforderung waren die Förderanträge samt Kostenfinanzierungsplänen. Zuvor hatte ich keine Vorstellung davon, welche Kosten auf mich zukommen könnten – und eine solche Organisation habe ich zum ersten Mal allein übernommen. Zum Glück bekam ich schnell Unterstützung bei den Anträgen.
Ohne gute Kontakte wäre ich allerdings schnell aufgeschmissen gewesen. Um ein vielfältiges Programm anbieten zu können, braucht es viele engagierte Menschen, die Lust haben, etwas auf die Beine zu stellen. In dieser Hinsicht war die Ständige Kulturvertretung Erfurt eine große Hilfe: Durch ihr umfangreiches Netzwerk in der Kulturszene konnten sie mich bestens vernetzen.
Dabei ist mir aufgefallen, dass es vielen Kulturakteur:innen oft an Zeit fehlt, um selbst Veranstaltungen zu organisieren – insbesondere im Frühjahr. Denn genau dann werden die meisten Förderanträge erst besprochen und bewilligt, während viele Events bereits stattfinden. Dadurch läuft die Finanzierung oft auf Risiko hinaus, und es bleibt ungewiss, ob Veranstaltende überhaupt finanzielle Unterstützung erhalten.
Warum ist Erfurt Deiner Meinung nach der richtige Ort für dieses Festival?
Grundsätzlich fände ich es großartig, wenn es eine feministische Kulturwoche in jeder Stadt gäbe. Kultur bietet eine gute Plattform, um die Gesellschaft zu sensibilisieren und auf wichtige Themen aufmerksam zu machen.
Warum gerade Erfurt? Ganz einfach: Ich bin hier geboren, seit jeher in der Kulturszene unterwegs, und diese Stadt liegt mir am Herzen. Durch meinen Aktivismus möchte ich Erfurt mitgestalten und beeinflussen. Gleichzeitig will ich allen, die vielleicht nur fürs Studium hierhergezogen sind, zeigen, wie viel diese Stadt zu bieten hat – dass Erfurt eine l(i)ebenswerte Stadt ist. Und genau das möchte ich bewahren – unabhängig davon, wie politische Wahlen ausfallen. Erfurt soll nicht nur für mich ein Zuhause sein, sondern auch für viele andere Menschen. Besonders für diejenigen, die marginalisierten Gruppen angehören.
Gerade die Kultur hat das Potenzial, Menschen auf niedrigschwellige und kreative Weise für Themen wie Feminismus zu sensibilisieren und Zusammenhänge erlebbar zu machen. Kultur schafft Räume, in denen wir uns begegnen, Fragen stellen und neue Perspektiven einnehmen können. Kultur verbindet, inspiriert und schafft aktiven Austausch.
Wie wurde das Programm zusammengestellt, und nach welchen Kriterien wurden Künstler:innen und Initiativen ausgewählt?
Wir haben einen Aufruf an alle Kulturakteur:innen in Erfurt gesendet und aufgefordert, eigene Veranstaltungen zu organisieren und mitzumachen. Daraufhin meldeten sich unglaublich viele Menschen, die ein Event beisteuern wollten. Bei der Auswahl war mir wichtig, dass sich die Veranstaltungen in irgendeiner Weise mit Feminismus auseinandersetzen oder eine Bühne für FLINTA* Personen stellt. Mittlerweile sind es über 30 Veranstaltungen geworden. Es ist also viel los in den kommenden Wochen in Erfurt.
Wie messt Ihr den Erfolg von KRAFTWERKE? Geht es um Besucherzahlen, mediale Aufmerksamkeit oder langfristige Veränderungen?
Für mich ist KRAFTWERKE schon jetzt ein Erfolg – allein durch die Vielfalt an Programmpunkten. Das zeigt, dass Erfurts Kulturszene aktiv sein will und dass wir viele sind, die den Feminismus aus der „Bubble“ holen und in die Gesamtgesellschaft tragen möchten.
Doch der Erfolg kann wachsen. Wenn feministische Veranstaltungen in Erfurt nicht mit dem März enden. Wenn immer mehr FLINTA*-Personen Bühnen bekommen. Wenn ihre Stimmen gehört und weitergetragen werden. Wenn wir nicht nur wissen, dass das Patriarchat gestürzt werden muss, sondern aktiv werden, um diesen Prozess zu beschleunigen.
Inwiefern richtet sich das Festival nicht nur an FLINTA*-Personen, sondern auch an die Gesamtgesellschaft?
Jede Person ist eingeladen, sich mit den Thematiken des Feminismus zu beschäftigen, neue Themen kennenzulernen und vielleicht auch neue Blickwinkel auf Feminismus zu bekommen. Ich finde es gut, wenn Vorurteile gegenüber diesen Thematiken fallen gelassen werden und jede Person die Möglichkeit bekommt, sich eine Meinung zu bilden, nachdem sie sich mit Problemen vieler marginalisierter Gruppen auseinander gesetzt hat.
Welchen Programmpunkt sollten die Gäste keinesfalls verpassen?
Am liebsten keine! Such dir einfach die Veranstaltung aus, die dich am meisten anspricht. Bist du musikalisch unterwegs? Dann hat der JazzClub was für dich. Oder liegt dir eher das Kreative? Dann könnte der Workshop „Affirmationskarten mal anders“ von Designielle genau dein Ding sein.
Interessierst du dich für spannende Gesprächsrunden? Dann schau bei „Immer noch die gleichen Kämpfe?“ von der Gruppe Versus vorbei. Wenn du Lesungen liebst, bietet die Herbstlese zwei besonders interessante feministische Veranstaltungen. Und auf keinen Fall solltest du die Demonstration am 8. März um 13 Uhr auf dem Domplatz verpassen!
Warum sollte man unbedingt so viele KRAFTWERKE-Veranstaltungen wie möglich besuchen?
Um zu erleben, wie vielfältig Feminismus ist! Jede einzelne Veranstaltung in dieser Woche ist total individuell und bietet ganz andere Umgangsweisen mit dieser Thematik an. Für jede Person ist etwas dabei, da bin ich mir sicher. Ein Blick ins Programmheft lohnt sich!
Wie soll es mit KRAFTWERKE weitergehen?
Nach der Veranstaltungswoche möchte ich mit Fotos und Dokumentationsvideos zeigen, was passiert ist und was wir gelernt haben. Vielleicht folgen auch noch Interviews – als Reels auf Instagram? KRAFTWERKE soll nicht einfach enden, nur weil der feministische Kampftag vorbei ist und alle auf der Demo waren. Ganz im Gegenteil: Es geht weiter! Aufklärung hört nicht auf. Je aktiver ich bleibe, desto mehr Menschen kann ich erreichen – und vielleicht sogar begeistern, selbst aktiv zu werden. Vielleicht ja als Teil von KRAFTWERKE 2026?