Okay. Methusalem hat die Engelsburg in Erfurt noch nicht geknackt, aber die ist nah dran. Der Club und Kult(ur)ort in Erfurt feiert Geburtstag – und zwar keinen kleinen. 900 Jahre hat das geschichtsträchtige Gebäude auf dem Buckel. Fehlen nur noch 69 Jahre laut Bibel und Methusalem wäre geknackt. Und sein wir mal ehrlich: 969 ist auch irgendwie ‘ne geile Schnapszahl.
„Das Haus lebt“: Indoor-Festival am 8.11.
900 ist aber auch nicht schlecht – dachte sich offenbar das Team der Engelsburg, die das biblische Alter zum Anlass nimmt, fett die Sau rauszulassen! Denn am 8. November öffnet das Kulturzentrum seine Türen für ein ganz besonderes Indoor-Festival, bei dem Geschichte, Musik und Subkultur aufeinandertreffen. Wie Andreas Busch von der E-Burg-Crew mitteilt, werden an diesem Tag neun Live-Acts und sieben DJs auf mehreren Floors und Bühnen auftreten – ein Jubiläum, das gleichermaßen an die Vergangenheit erinnert und die Zukunft (der Musik) feiert.

Eine der ersten Adressen für Indie in
Thüringen: das Kulturzentrum Engelsburg Erfurt. Fotos: Mattias Wolf
Seit Jahrhunderten prägt die Engelsburg das kulturelle Leben Erfurts. Bereits 1125 soll hier ein Hospital gestanden haben, später wurde das Haus zum Treffpunkt der Humanisten um Eobanus Hessus und Crotus Rubeanus. Martin Luther kam vorbei, und 1515 entstanden hier sogar die berühmten „Dunkelmännerbriefe“, die satirisch die Reformation und den Humanismus vorantrieben.
Kulturzentrum Engelsburg zwischen Geschichte und Subkultur
Auch heute steht noch der Mensch im Mittelpunkt des Wirkens in der Engelsburg. Doch nunmehr wummern statt Federkielen über Pergament die Bässe durch die Gewölbe des Erfurter Kulturortes. „Für Bands aus den USA oder Großbritannien ist es immer etwas Besonderes, in so einem alten Haus zu spielen“, erzählt Andreas Busch, der Booker des hauseigenen Clubs. „Wir selbst vergessen das manchmal im Alltag – aber Gäste von außen erinnern uns immer wieder daran, wie einzigartig dieser Ort eigentlich ist.“
Kein Lift, aber viel Leidenschaft
Die Historie der Engelsburg birgt allerdings auch Tücken: Das die Engelsburg unter Denkmalschutz steht, bringt neben Charme auch Herausforderungen mit sich. „Alle wünschen sich eigentlich einen Lift – aber das war im Mittelalter leider nicht möglich. Wir tragen also vor und nach jeder Party Equipment, Getränke und Werkzeug über die verschiedensten Treppen. Aber der Charme abends, wenn sich die Gäste im Gemäuer verirren, entschädigt natürlich dafür“, sagt Andreas Busch schmunzelnd.

Erfurts Engelsburg feiert 900 Jahre Kulturgeschichte: Ein Indoor-Festival zeigt auf mehreren Floors neue Bands und überraschende Locations innerhalb der historischen Burg.
Für den Booker ist klar: Die Engelsburg soll weiterhin Geschichte schreiben. Auch in Zukunft, denn seit der Neuausrichtung 2017 als „Kulturzentrum Engelsburg“ hat sich der Club musikalisch breit aufgestellt: „Hip-Hop, Indie, Punkrock, Pop, Metal, Singer-Songwriter. Uns ist wichtig, Künstler:innen am Anfang ihrer Karriere abzuholen“, sagt Andreas, der immer hofft, dass mit einem kleinen Konzert ein Stück Musikgeschichte geschrieben werden kann. „Im besten Fall sagen die Leute, wenn sie die Stars von morgen sehen, später: ‚Wow, die Band hab‘ ich mal mit 100 Menschen in der Engelsburg gesehen.“
Neun Live-Acts und sieben DJs auf mehreren Floors
Das Indie- und Underground-Programm der Engelsburg ist längst fester Bestandteil des Erfurter Kultur-Kalenders. Hoffest, Coming-Home-Open-Air oder die Samstagsreihe „All You Can Dance“ gehören zu den Klassikern. „Unsere Disco am Samstag ist sehr beliebt, weil sie musikalisch nah am Zeitgeist ist“, sagt Andreas Busch und fügt an: „Und wem das zu Mainstream ist, der kann auf dem zweiten Floor neue Musik entdecken.“
„Es gibt größere Bühnen und ganz kleine, intime. Lasst euch überraschen“
Zum 900-jährigen Jubiläum geht das Team noch einen Schritt weiter. Das gesamte Gebäude wird für Besucher:innen geöffnet – auch Räume, die sonst verborgen bleiben. „Ich will nicht zu viel verraten, aber es wird Live-Musik in Räumen geben, in denen normalerweise niemand feiert. Es gibt größere Bühnen und ganz kleine, intime. Lasst euch überraschen“, verspricht der Booker, der mit dem Line-up zum Jubiläumsfestival einmal mehr beweist, dass der Club in der Erfurter Innenstadt nie müde wird, zukünftige Musiker:inne-Stars zu heben.
Das Line-up für den 8. November liest sich wie ein Streifzug durch die aktuelle Musiklandschaft: Yung Pepp, der erst 17-jährige Leipziger Rapper, der bereits auf dem Splash! Festival aufgetreten ist, trifft auf Indiepop, Bluesrock und Electro-Punk. Dazu kommen Acts wie Paulinko, Teeya Lamée, Yung Fsk 18, Werner Krauss oder Keller 2000. „Wir wollten frische Bands nach Erfurt holen, denen wir eine große Zukunft zutrauen“, erklärt Andreas Busch.
Experiment mit Zukunft: „901 Jahre“-Ausblick
Das Festival ist nicht nur Rückblick, sondern auch Testlauf für die Zukunft. „Es ist ein bisschen ein Experiment“, sagt er. „Wir wollen sehen, ob das Publikum Lust auf neue Acts hat. Wenn alles gut läuft, steht einem ‚901 Jahre Engelsburg Indoor Festival‘ nichts im Wege.“
Jubiläum in Erfurt: Musik, Szene, Gewölbe
Und das nächste große Festival kommt bestimmt. Spätestens beim 950 Geburtstag. Dann erreicht die Engelsburg übrigens das biblische Alter von Noah, dem Archen-Ingenieur. Doch so lange für den nächsten Besuch warten, sollte man nicht, so Andreas Busch: „Das 900. Jubiläum ist ein guter Anlass, mal wieder vorbeizuschauen – selbst wenn man lange nicht feiern war. Man trifft alte Freunde, entdeckt neue Bands und erlebt, dass Live-Musik Menschen verbindet. Und das sind in der Regel immer die freundlichsten und offensten Menschen.“
Hard Facts:
- Wann: 8. November ab 19 Uhr
- Wo: Kulturzentrum Engelsburg | Allerheiligenstraße 20/21
- Weitere Infos und Tickets gibt es hier!
