Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenendschmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
Das sommerlichste Restaurant Erfurts
Mit einem kräftigen Temperatursturz und reichlich Regen hat plötzlich der Herbst begonnen. Die beste Zeit im Jahr, um in das sommerlichste Restaurant Erfurts zu gehen, das ich dennoch am liebsten in den kälteren Jahreszeiten besuche. Das „La Petite France“ in Erfurt. Es gibt dafür mehrere Gründe: Im Petite France herrscht stets eine Wärme, die an den Sommer denken lässt. Bei einem Glas Wein kann man sich nach Südfrankreich träumen, wo man jetzt sicher noch Sandalen tragen kann. Beim Biss in den knusprigen Flammkuchen hat man den Urlaub in Straßburg schon fast gebucht und sobald man ein Stück Baguette durch den kleinen Olivenöl-See auf dem Teller zieht, höre ich schon den Atlantik rauschen.
Erinnerungen an den letzten Sommer
Vielleicht ist das so ein melancholisches Ding, denn im Sommer gibt es in Erfurt Restaurants mit mehr Urlaubsvibes, weil sie zum Beispiel große Terrassen zwischen mittelalterlichen Mauern haben. Das La Petite France taugt weniger für neuerschaffene Urlaubsmomente, sondern mehr für Erinnerungen an den letzten Sommer oder Pläne für den nächsten. Wenn die dichten Rollos vom tristen Eckhaus am Gothaer Platz hochgezogen werden, dann zeigt sich: Irgendwo gibt es noch etwas anderes als mehrspurige Straßen, auf denen Autos durch den Nieselregen rollen. Irgendwo ist Frankreich!
Inhaber Gerrit Webel hat dafür gesorgt, Frankreich als Sehnsuchtsort in seinem kleinen Lokal zu kanalisieren. Das Erste, was man sieht, wenn man durch die Tür tritt, ist eine gut gefüllte Käsetheke. Feinste französische Affineurskunst stapelt sich und wartet darauf, auf der großen mechanischen Waage portioniert zu werden. Hinter der Theke hängen Wildschweinsalamis. An den Seiten finden sich Regale voller Feinkostartikel, von Schokoladentrüffeln zu Oliven und Gewürzen. Die verbliebenen Wände des Raumes werden von Weinregalen gesäumt und immer stehen auch noch ein paar Kisten Wein auf dem Boden herum.
Das kleine Frankreich
Erst hinter diesem Verkaufsraum öffnet sich der kleine Gastraum, der immer gut gefüllt ist. Ich bin nicht der einzige Fan vom kleinen Frankreich. Das kulinarische Angebot im La Petite France ist überschaubar. Gerit Weber hat eine handgeschriebene Schiefertafel auf der verschiedene Flammkuchenvarianten aufgelistet sind, zudem gibt es Käseplatten aus der Theke und ein Dessert. „Bei mir gibt es keinen Firlefanz“, sagt der Gastgeber, „Ich möchte einfach gute Produkte verkaufen. Alles, was es hier gibt, ist einwandfrei.“
Köstliche Flammkuchen
Das bedeutet auch, und das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man bei der Bestellung immer das Richtige wählt. Egal, ob es der köstliche Flammkuchen mit Ziegenkäse, Rosmarin und Honig oder der mit Blauschimmelkäse, Birne und Walnuss wird – ich bin der Meinung, dass es hier definitiv den besten Flammkuchen der Stadt gibt. Der Teig ist knusprig, der Belag gut dosiert und die Größe gerade so, dass man sich nach einem geteilten Flammkuchen noch zutraut, zu zweit auch noch eine der stets hervorragenden Käseplatten zu schaffen. Mit viel Glück ist danach noch Platz für eine Crème brûlée.
Auch was den Wein angeht, ist das La Petite France niedrigschwellig. Es gibt hier guten Wein, aber man muss kein großer Weinkenner sein, hat keine schwierigen Fragen zu befürchten, sondern wird einfach kompetent beraten. Mit großem Weinwissen flexen kann man woanders, hier kann man sich einfach zurücklehnen, ganz in Ruhe genießen und an Frankreich denken.
Ein Urlaubssouvenir
Einer der großen Pluspunkte an diesem Lokal ist auch, dass man sich immer noch etwas Schönes mit nach Hause nehmen kann. Ein Urlaubssouvenir quasi. Eine gute Flasche Wein, ein besonderes Stück Käse, ein Gläschen französische Konfitüre. Während man das verzehrt, kann man dann entweder den nächsten Urlaub buchen oder sich einfach freuen, dass es in Erfurt ein so gemütliches, schnell erreichbares Fernwehheilmittel gibt, von dem man sich, ähnlich wie an den Sommer gerichtet, stets mit einem „À bientôt!“ verabschiedet und auf den nächsten Besuch freut.
Hard Facts:
- La Petite France: Str. des Friedens 8 | Erfurt
- geöffnet: Mo – Do: 16 – 22 Uhr, Fr 12 – 22 Uhr
- Mehr unter: www.das-kleine-frankreich.de