Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenend-Schmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
Jenaer Restaurant Scala im Test
Ich habe eine grundlegende Skepsis gegenüber Restaurants, die über einen schönen Ausblick verfügen. Natürlich ist das unfair, aber die Erfahrung hat mir leider schon oft Recht damit gegeben, dass sich manch Gastronom:in auf einer prominenten Lage auszuruhen scheint und ein bisschen weniger Mühe in der Küche investiert. So viel also zu dem Vorurteil, gegen welches das Restaurant Scala im JenTower unwissenderweise heute antreten muss.
Mit dem Fahrstuhl bis Etage 27
„Wollt’a hoch?“, blafft uns der Mitarbeiter am Empfang in der Neuen Mitte an. Als wir bejahen, fügt er ein „Da braucht’a aber ‘ne Reservierung!“ hinzu und zieht die Augenbrauen zweifelnd hoch. Wir bejahen wieder und erhalten die Auskunft, wie wir denn nun eigentlich rauf kommen in den Turm (Fahrstuhl bis Etage 27, dann umsteigen in einen anderen Fahrstuhl zu Etage 29, jetzt nur noch einige Treppen hoch, eine lustige Showtreppe wieder runter und zack ist man im Gastraum). Ganz einfach also. Erstaunlicherweise verirren sich trotzdem so viele Leute in das Restaurant, die eigentlich zur Aussichtsplattform wollen, dass wir auch hier schon wieder ziemlich zweifelnd darauf hingewiesen werden, dass wir eine Reservierung benötigen, um hier zu essen. Puh.
Endlich an unserem Platz angekommen, können wir uns endlich der tollen Aussicht über Jena widmen. Während andere Dinge von oben ja meist eher klein erscheinen, zeigt sich Jena von oben in einem großstädtischen Gewand. Es ist schön, die vielen Lichter zu betrachten, Züge beim Ein- und wieder Abfahren zu beobachten und zu sehen, wie die klitzekleinen Menschlein durch die Straßen laufen.
Große Vielfalt an Speisen
Im Scala haben die Gäste die Wahl zwischen einem omnivoren (Red.: Allesfresser) oder einem vegetarischen Menü (mit drei, vier oder fünf Gängen). Angekündigt ist ein „Sharing Konzept“, das uns laut Speisekarte zur „Kommunikation am Tisch“ anregen soll. Gerne doch! Zu viert bestellen wir also ein bisschen querbeet und freuen uns, miteinander zu teilen und viel Verschiedenes zu probieren. Dazu wird eine Weinbegleitung angeboten.
Vielfalt an Gerichten auf dem Tisch
Los geht es allerdings erst einmal mit einer schwer teilbaren Trüffelsuppe (vegetarisch) beziehungsweise einer Wildsuppe (omnivor). Bei der Vorspeise werden dann viele kleine, hübsche Teller zu unserem Tisch gebracht: ein Salat aus Belugalinsen, ein Bergkäse-Schaum mit Birnenstückchen, eine Art paniertes Omelett mit Sojasoße, marinierte Avocado (beziehungsweise Butterfisch) und Vitello Tonnato. Allein diese Vielfalt an Gerichten auf dem Tisch zu haben, ist sehr schön anzusehen.
Dass Vielfalt auch Probleme mit sich bringen kann, wird uns beim Hauptgang klar. Nicht alle Gerichte passen zueinander und so bauen wir uns auf unseren eigenen Tellern dann doch wieder das zusammen, was in der Speisekarte zusammen genannt wurde und essen eher nacheinander. Hier scheint uns das Konzept nicht ganz durchdacht zu sein. Zudem ist die Servicekraft sehr sparsam mit Erklärungen, sodass es uns teilweise schwerfällt herauszufinden, welche Gerichte vegetarisch sind und welche nicht. Leider erstreckt sich diese sparsame Informationsweitergabe auch darauf, in welchen Gerichten Alkohol oder roher Fisch enthalten ist. Da wir eine (offensichtlich!) schwangere Person am Tisch haben, finde ich das hochproblematisch (und ja, wir haben das bei der Reservierung angegeben und auch noch mal beim Ankommen darauf hingewiesen).
Ort mit beeindruckender Aussicht
Trotzdem schmecken uns die Gerichte und ich kann all die glücklich aussehenden Leute um uns herum gut verstehen. Wir sehen Pärchen bei Dates, Familien bei besonderen Anlässen und einige Geschäftsessen. Für eine Feier an einem besonders schönen Ort mit beeindruckender Aussicht und besonderer Verpflegung ist das Scala eine hervorragende Wahl. Für alle, die Wert darauf legen, den Käse auf der Platte detailliert kennenzulernen und den Wein in der richtigen Trinktemperatur zu genießen, die werden vielleicht woanders glücklicher.
So ganz kann mich das Scala also nicht von meinen Vorurteilen über Restaurants mit Aussicht befreien. Schön war der Abend im höchsten Restaurant der Stadt aber trotzdem. Beim nächsten Mal würde ich das abendliche Menü einfach gegen das Frühstück austauschen und dabei die Aussicht genießen.
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Hard Facts:
- Restaurant Scala: Leutragraben 1 | Jena
- Öffnungszeiten: Montag – Freitag von 7 bis 23 Uhr
- Mehr unter: scala-jena.de
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