Jampler – so heißt nicht etwa der neuste Babystrampler-Trend aus den USA. „Jampler“ ist eine kecke Wortneuschöpfung und verbindet die Begriffe Sampler und Jamsession. Seinen Ursprung hat dieser zauberhafte Neologismus – um auch mal etwas mit Fachtermini zur brillieren – bei der netten Crew von Kabelsalat, die unter anderem elektronische Jamsessions in Jena und Erfurt organisieren.
Kreative Köpfe aus ganz Thüringen
Genutzt für diese digitalen Musikhappenings werden vorwiegend Synthesizer, die gekoppelt via Leitungen und Drähte schon mal einen ganz leckeren Kabelsalat ergeben. Mit garantiert wenig Kalorien, aber einem umso köstlicheren Output: eben dem Jampler, auf dem kreative Köpfe aus ganz Thüringen zu hören sind.
Oder wie die Crew des Musik-Jams liebevoll sagt: „Ein loser Haufen energetischer Musiker:innen“, der sich alle 14 Tage zum gemeinsamen Improvisieren „zusammenschließt“ – im wahren Sinne des Wortes. Bunt, elektronisch und treibend soll er sein und die besten Tracks aus Jamsessions und Eigenproduktionen oder Live-Auftritten von Künstler:innen aus der Region beinhalten.
Handgemacht und voller Energie
„Von schwebendem Ambient bis knackigem Technobeat – alles handgemacht und voller Energie.“ Bewirbt die Kabelsalat-Crew den Jampler und macht auch unsere Zeitung neugierig. Deshalb haben wir die Protagonisten und Mitbegründer vom Kabelsalat in Jena zum Gespräch gebeten: Clemens Kynast aka Klinke auf Cinch, Holger Weser aka HoW und Philipp Stoya.
Was bedeutet eigentlich Synth für euch? Wie würdest du das deiner Oma erklären?
Holger: Für mich ist es die Freiheit, selbst Musik zu machen und mich musikalisch ausdrücken zu können. Durch Synthesizer habe ich Zugriff auf ein ganzes Orchester.
Clemens: Synthesizer sind ein wichtiger Bestandteil meiner Musik. Sie können kreative Blockaden lösen, die eigene Gelassenheit fördern oder in meditative Welten führen. Das komplette Gegenteil von Perfektionismus und dem Musikmachen am Computer.
Was ist ein Community-Sampler?
Clemens: Musik verschiedener Künstler, versammelt auf einem Album.
Holger: Musik aus unserer Community heraus – also eine Momentaufnahme, wo jeder gerade steht. Quasi ein Zeitzeugnis.
Philipp: „Community“ bedeutet „Gemeinschaft“ oder „Gemeinde“. Es beschreibt eine Gruppe von Menschen, die durch gemeinsame Interessen, Werte, Ziele oder Merkmale miteinander verbunden sind. Ein Sampler ist eine Zusammenstellung von Tracks verschiedener Künstler innerhalb dieser Gruppe. Er dient dazu, neue Musik zu präsentieren und unbekannte oder aufstrebende Künstler vorzustellen oder zu fördern.
Wie findet ihr die Künstler:innen für eure Jamsessions?
Clemens: Durch das regelmäßige Angebot der Jam-Session finden die Künstler uns. Alle 14 Tage im Kassablanca Jena kommen wir zusammen. Es ist ein offener Stammtisch. Einige kommen zum Zuschauen, andere zum Ausprobieren, die meisten aber zum Mitmusizieren.
Holger: Ja, sehr oft finden die Künstler:innen uns oder erhalten Empfehlungen. Oder man lernt sich – wie jetzt wieder – auf unseren öffentlichen Veranstaltungen kennen. Dort stellt sich der eine oder andere als jemand vor, der oder die daheim Musik macht und sich für elektronische Musik begeistert. Die Einladung zu uns ist dann sehr naheliegend.
Sind die Jam-Sessions eher Teamwork oder ein musikalischer Wettkampf, wer den heftigsten Beat raushaut?
Clemens: In einer Jam-Session geht es vor allem darum, sich zu synchronisieren – sowohl emotional als auch inhaltlich. Wenn dann gemeinsam der heftigste Beat entsteht, gehen alle glücklich nach Hause.
Holger: Na ja … und es ist auch immer ein kleiner Wettkampf im vertrauten Miteinander dabei. Aber das macht es ja gerade aus: Wir treiben uns gegenseitig an. Wir machen uns besser, in der Sache. Raus aus der Komfortzone. Oder man merkt seine Grenzen.
Philipp: Da muss ich einmal intervenieren. Im Kabelsalat- oder Jam-Session-Format geht es nicht um musikalischen Wettkampf, sondern darum, ein Verständnis für den oder die Gegenüber zu entwickeln. Es geht darum, zuzuhören, darauf zu achten, wo musikalischer Platz ist, was der oder die andere tut, sich seinen oder ihren eigenen Platz zu suchen und die Mathematik und Tonleitern als Leitplanken zu nutzen. Wir versuchen, allen Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, sich musikalisch auszuprobieren und so auch das eigene Momentum zu finden.
Was kann man sich unter der regionalen Synth-Nerd-Community – wie ihr euch selbst beschreibt – vorstellen? Wie muss ich mir so einen Synth-Nerd vorstellen?
Clemens: Synth-Nerds kennen sich natürlich sehr gut aus auf dem (vornehmlich Gebraucht-)Markt der Synthesizer und Modularsysteme. Doch nicht alles wird gekauft, vieles wird auch selbst gelötet und zusammengebaut. Und meistens hat irgendjemand etwas im Schrank stehen, was ein anderer schon immer mal dringend ausprobieren wollte (lacht).
Holger: Du erkennst es daran, dass man sich gegenseitig Respekt für „Dinge“ zollt, mit denen der Normalmensch absolut nichts anfangen kann: selbstgebaute Modularsysteme, verfrickelte Arrangements, Bassdrums oder Bässe, wie sie kein anderer hinbekommt, völlig abgefahrene Synthesizer, die man sonst nur von Bildern kennt. Oder auch, wenn jemand an einem Regler dreht und sein Gesichtsausdruck, sagen wir mal, erotische Fantasien vermuten lässt (lacht).
Wie würdet ihr die Atmosphäre bei euren Jam-Sessions im Kassablanca beschreiben?
Clemens: Entspannt, lässig, freundlich, liebevoll, kreativ, konstruktiv, wertschätzend.
Holger: Ja, das kann ich absolut unterstreichen. Neben dem Inhaltlichen ist es auch genau das, was Clemens sagt, was über allem steht.
Philipp: Tolle Aufreihung von Adjektiven, „offen“ und „respektvoll“ könnten noch ergänzt werden.
Wie kommt es, dass ihr eine Compilation rausbringt? Gibt’s die nur digital oder auch auf Kassette oder Minidisc?
Clemens: Die Musik, die durch die Jam-Sessions entstanden ist, hatte nach einiger Zeit eine ziemlich beeindruckende Qualität entwickelt. So kam ich auf die Idee, ein Teil davon auch mal festzuhalten und zu veröffentlichen – sozusagen als nächsten Schritt.
Der Jampler dient somit nicht nur als Aushängeschild für die Community, sondern ist für viele Beteiligte die erste Gelegenheit überhaupt, einen Song zu veröffentlichen. Außerdem dient er auch als Magnet für weitere Interessierte und trägt so zur Vergrößerung der Community bei. Da wir das alle nur nebenbei machen, beschränken wir uns derzeit auf wenige physische Exemplare für uns selbst oder Fans und veröffentlichen ausschließlich digital.
Philipp: Da habe ich nichts hinzuzufügen. Auf den Punkt gebracht!
Wie organisiert ihr eure regelmäßigen Jam-Sessions, und wie entsteht daraus letztendlich eine Compilation?
Clemens: Der Jampler ist eine Gelegenheit für die Menschen und Projekte aus unserer Community, einen Track beizusteuern. Es gibt eine Deadline, und wer bis dahin geliefert hat, ist dabei. Insofern sind der Jampler und die Jam-Sessions erstmal voneinander getrennt. Die Jam-Sessions selbst organisieren sich hauptsächlich durch ihre Regelmäßigkeit alle 14 Tage und die großartigen Möglichkeiten im Kassablanca.
Welche Herausforderungen gab es bei der Produktion des Jampler und wie habt ihr sie gemeistert?
Clemens: Wir wollten eine gute Durchhörbarkeit erreichen. Also haben wir das Mastering der Tracks in Eigenregie organisiert, und das Anordnen der Tracks hat uns auch einige Abende gekostet. Außerdem war uns eine optische Wiedererkennbarkeit wichtig: wir haben mittlerweile einen eigenen Fontund Clipart-Pool.
Holger: Ja, im Grunde ist die größte Herausforderung unserem kreativen Haufen eine übergeordnete Struktur und Klammer zu geben, sodass es auch für Außenstehende eine runde Sache wird.
Was ist das absurdeste oder kreativste Feedback, das ihr jemals zu einem Track erhalten habt?
Clemens: Haben wir da was?
Holger: (Lacht) … ja, da gibts was … Ich kann mich noch an die Live-Session letztes Jahr in der Kirche in Erfurt erinnern. „Achim“ hat mit einer Bierflasche die Saiten seiner Gitarre bearbeitet und mit Synthesizern und Effekten kreative Klangwelten geschaffen – da sind vor allem die Rentner:innen völlig hin und weg gewesen. Und sie haben sich fast ein wenig in Achim verliebt.
Philipp: Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Es geht ja immer darum, nicht nur einen Track zu „machen“, sondern auch ein Gefühl bei den Hörer:innen auszulösen. Ich habe auf einer Veranstaltung „Ratafka“ gespielt. Als ich auf dem Dancefloor beobachtet habe, wie sich ein junger Mann im Scheinwerferlicht der Discokugel mit geschlossenen Augen und stark grinsendem Gesichtsausdruck selbst umarmt hat, fand ich das ein sehr schönes nonverbales Feedback. Es ist mir stark im Kopf hängen geblieben.
Stellt euch vor, ihr würdet eine Werbung machen oder im TV-Shopping den Sampler an den Mann und die Frau bringen. Wie würdet ihr den Jampler in maximal drei Sätzen bewerben?
Clemens: Seit zehn Jahren im Kassablanca Jena lebendig, längst thüringenweiter Anlaufpunkt. Von Laie bis Nerd: Ausgang ist die Liebe zum Entdecken und Ausloten neuer Klangwelten an elektronischen Instrumenten, Ideenaustausch auf Augenhöhe – ein Stammtisch, der jeden willkommen heißt. 14 Tracks von House bis Dub wurden für den Jampler in improvisierten Sessions beigesteuert – ein einmaliges Produkt und Aushängeschild für die Region.
Warum sollte jeder unbedingt mal reinhören?
Clemens: Die musikalische Vielfalt ist jedes Mal erstaunlich. Jeder, der elektronische Musik mag, wird den einen oder anderen Song für sich entdecken können.
Philipp: Und lieben lernen.
Hard Facts
- Record Release Party: 15. Februar | 22 Uhr
- MVZ Wagner | Kochstraße 2a | Jena
- Die nächste Kabelsalat Jam Session im Kassablanca Jena: 21. Februar | ab 19 Uhr
- Hier geht’s zum Kabelsalat Instagram-Account
- Hier gibt’s den ersten Jampler
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