Eine kosmetische Reise in den Orient
Hipster tragen ihn, Frauen lieben ihn und Männer lassen ihn wachsen – den Bart. Es gibt kein anderes äußeres Attribut, das dermaßen Testosteron ausstrahlt, wie die gepflegte Gesichtsbehaarung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man(n) muss sich nicht ständig rasieren. Man(n) kann das so oft verhöhnte „Bübchengesicht“ vermeiden und Man(n) kann verdammt überlegt wirken, wenn man sich bedächtig, mit Denkermiene durch den Bart streicht.
Spaß beiseite. So eine wohl gepflegte Gesichtsfrisur macht mehr Arbeit, als man denkt. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Stutzen, Kämmen, Ölen und eventuell mit Haarwachs in die korrekte Form bringen – das kann zeitaufwendiger sein als vermutet. Warum also nicht einfach zum Friseur um die Ecke gehen und diesen Arbeitsaufwand von Profis erledigen lassen. Selbiges habe ich bereits häufiger probiert – bisher mit mäßigem Erfolg.
Nichts gegen den Friseur um die Ecke, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein herkömmlicher deutscher Haardompteur mit dem akkuraten Stutzen eines Bartes teilweise überfordert ist. Zufrieden war ich bisweilen eher weniger, nachdem ich das Haarstudio wieder verließ. Für mich Grund genug, um einfach einmal Profis bei der Arbeit zu erleben – Profis wie Ahmad Helwa, der in Erfurts einen arabischen Friseursalon eröffnet hat.
Für „t.akt-testet“ und für alle Männer da draußen, habe ich mich unters Messer gelegt – natürlich nur unter das Rasiermesser. Bei meinem ersten Besuch im Salon „Helwa“ in der Erfurter Trommsdorfstraße bin ich zunächst verunsichert: Wird mein Bart wieder – entgegen meinem Wunsch – zu kurz geschnitten? Versteht der Friseur, was ich mir vorstelle? Sehe ich aus wie Horst Lichter, wenn ich den Laden verlasse?
Nicht lang schnacken, Kopf in‘ Nacken, signalisiert mir Ahmad, nachdem ich im Frisierstuhl Platz genommen habe. Nach einer kurzen Beratung geht es los. „Einmal Konturen schneiden. Nicht zu kurz. Sonst das volle Programm“, sage ich dem doch recht jungen Mann. Der 26-Jährige ist mit seiner Familie im Jahr 2004 von Syrien nach Deutschland immigriert. „Mein Vater, der als Friseurmeister arbeitete, wollte für seine Kinder eine sichere Zukunft schaffen. Deshalb packten wir unsere Sachen und kamen nach Erfurt“, erinnert sich Ahmad und zückt den Föhn und die Rundbürste. „Zunächst müssen wir den Bart glätten“, erklärt er mir. Das sei nötig, um die Haare ordentlich zu trimmen. Mit Kamm und Schere rückt er dann meiner buschigen Gesichtstracht zu Leibe und fängt an zu schneiden.
Ahmad erlernte sein Handwerk im Salon seines Vaters von Kindesbeinen an. Für seine Friseurlehre reiste er extra nach Jordanien, um in einem mehrmonatigen Intensivkurs Haare schneiden zu lernen – ganz nach alter Schule. „Teilweise trainierte ich 15 Stunden am Tag“, blickt der Friseur zurück und richtet zwischendurch immer mal wieder meinen Kopf auf, weil er die Bartsymmetrie im Wandspiegel überprüft.
Die jordanischen Coiffeure lehrten Ahmad allerdings nicht nur Rasieren und Frisieren, auch Handgriffe der besonderen Art wie die Faden-Technik lernte er kennen. Was das ist, erfahre ich recht schnell am eigenen Leib. Mit einem weißen Faden, den er mit dem Mund und seinen Fingern hält, stutzt der junge Friseur meine Augenbrauen sowie Härchen an meinen Schläfen. Es fühlte sich an, als ob ein kleiner Mann mit einem Minirasenmäher über meine Gesichtshaut fährt. Ich zucke unweigerlich zusammen. „Wir stutzen nicht zu viel. Es soll natürlich aussehen“, beruhigt mich Ahmad, als er meine Zweifel bemerkt.
„Die Friseure in meinem Salon haben Minimum 16 Jahre Berufserfahrung“, erklärt er stolz. „Hier dürfen nur Profis arbeiten“, versichert der Junge Salonbesitzer, der 2013 auf die Idee kam, das arabische Friseurgeschäft in der thüringischen Landeshauptstadt zu eröffnen. „So einen Laden gab es in Erfurt noch nicht“, fügt Ahmad an.
Mit überdimensionierten Wattestäbchen, die in Flammen stehen, klopft er mir daraufhin um die Ohren. Der Geruch verbrannter Haare steigt mir in die Nase. „Das ist Standard beim arabischen Friseur“, erwidert er auf meine verdutzten Blicke. „Willst du das volle Programm“, fragt mich Ahmad dann. „Immer her damit“, kontere ich so männlich wie möglich. Es folgt eine Nasenhaar-Entfernung mit Wachs. Als ob zwei riesige warme Popel aus meinem Nasenloch winken, erscheint es mir im Spiegel.
„Jetzt müssen wir kurz warten, bis sich das Wachs abkühlt“, sagt er mit einem Grinsen im Gesicht. Es bereitet ihn offenbar ein wenig Freude, meine entgleiste Mimik zu beobachten, als ich die Prozedur über mich ergehen lasse. Ein Ruck! – und das Innere meiner Nasenhöhlen prangt auf dem Wachs-Popel-Stäbchen. Mein Schreck entlädt sich in einem nicht ganz so männlichen Schrei. Kurze Zeit später fühle ich mich, als ob ich nie zuvor besser Atmen konnte. Ein Nasenhaar-Waxing stellt jedes noch so starke Schweizer Kräuterzucker in den Schatten.
Sieben Mitarbeiter waxen und stutzen die Gesichtsbehaarung alltäglich in dem Erfurter Salon. „Mehr als 70 Prozent der Kunden sind Thüringer. Sogar Frauen nehmen in unseren Friseurstühlen Platz“, berichtet mir Ahmad, währen er abschließend meinen Bart samtweich ölt und mein Gesicht – natürlich nur den unbehaarten Teil – mit Creme in das Ebenbild eines Babypopos verwandelt.
Der Laden füllt sich, als ich mich vom Frisierstuhl erhebe. Es herrscht reges Treiben. Kein Wunder, dass Ahmad mit weiteren Saloneröffnungen liebäugelt. „Wir haben viel zu tun. Die meisten Kunden kommen mehrmals im Monat“, schildert der junge Friseur, der mich trotz kurzweiliger Schreckmomente während meiner Behandlung bestimmt wieder sehen wird, denn das Resultat meiner kosmetischen Reise in den Orient hat mich überzeugt.
Helwa Friseursalon Erfurt
Trommsdorffstraße 5, 99084 Erfurt
0361 / 34 19 41 05
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