Die Vielen Erfurt, die Ständige Kulturvertretung (SKV) und das Kunsthaus Erfurt rufen 2021 am 8. Mai erneut zur Aktion „Gold statt Braun“ auf. Im vergangenen Jahr schlossen sich über 70 Kultureinrichtungen und viele Künstler:innen dem Aufruf an und beteiligen sich im Rahmen des 75. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus und Beendigung des Zweiten Weltkrieges an den Glänzenden Aktionstagen zum 8. Und 9. Mai. Unterstützt von der Galerie Hammerschmidt + Gladigau und dem Café Hilgenfeld will das Kultur-Bündnis die Thüringer Landehauptstadt in diesem Jahr erneut zum Glänzen bringen und ein Zeichen gegen Hass und Hetze, Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung setzen. Wir haben Mitinitiator und Kurator Dirk Teschner über den Aktionstag gesprochen.
Am 8. Mai soll Erfurt mit goldenen Rettungsdecken zum Glänzen gebracht werden. Worauf sollen die goldenen Decken Aufmerksam machen?
Die goldenen Rettungsdecken sind seit fünf Jahren bundesweit ein verbindendes Element von Kulturinstitutionen und Aktiven der Kunst und Kultur, die damit ein Zeichen gegen Hass und Hetze, Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung setzen. Die goldenen Rettungsdecken prägten sich in unser mediales Bewusstsein als Symbol der Rettung Geflüchteter an den Küsten des Mittelmeers ein. Die goldenen Rettungsdecken sind ein Zeichen für das Recht auf Asyl, für die Solidarität mit allen, die auf der Flucht sind und stehen für das Streben nach einem glänzenden Leben für alle.
Warum ist es wichtig mit zu machen und Erfurt zum Glänzen zu bringen?
Seit Jahren gibt es ein Erstarken rechtsradikaler Gruppen und Parteien. Mit der Vertretung einer rechtsradikalen Partei in allen Parlamenten hat sich die politische Stimmung im Land weiter zugespitzt. Dazu kommen in Zeiten der Pandemie nach rechts offene Demonstrationen und Aktionen von Querdenker. Die Stimmung ist vergiftet. In einigen Schaufenstern der Innenstadt sehen wir große schwarzes Plakate mit Totenkreuzen. So sehr auch die Situation mancher Selbstständiger prekär ist, nur ein solidarisches Miteinander eröffnet uns eine lebenswerte Zukunft, dazu gehört die Unterstützung der Geflüchteten an Europas Außengrenzen genauso wie eine gegenseitige Unterstützung in der Kulturszene. Und eine Zurückweisung rassistischer, antisemitischer Verschwörungserzählungen.
Ich habe die sogenannten Baseballschläger-Jahre in den 1990er Jahren hautnah miterlebt. Damals wurde gesät, was heute aufgeht. Wir müssen nach vorne, an Neuem arbeiten. Gerade wir in der Kulturszene haben viele Möglichkeiten Protest mit glänzenden Aktionen zu verbinden. Es geht um eine goldene Zukunft für alle, in einer Gesellschaft der Vielen.
Wer kann bei der Aktion mit machen?
Alle Künstler:innen, Kulturakteur:innen, Kulturinitiativen, Gruppen, Kulturbetriebe, Kirchen, Synagogen und Privatpersonen. Also von der Galerie über Museen, Theater, Cafés bis zu Wohnungen.
Wo ist Kultur heute noch rechten Repressionen ausgesetzt?
Repressionen ist der falsche Begriff, ich würde eher von Angriffen reden. Es gibt in den Landeparlamenten und Stadträten Anfragen und Anträge von rechtsradikalen Parteien gegen Ausstellungen, Initiativen, Theateraufführungen, Kunstprojekten im öffentlichen Raum. Im vergangenen Jahr wurde auf Betreiben von AfD mit Unterstützung und Stimmungsmache von Pro Chemnitz, CDU und FDP der Beitrag des Künsterl:innenkollektivs „Peng!“ für das Kunstfestival „Gegenwarten“ in Chemnitz gestoppt. Oder wie vor einem Jahr in Erfurt, als die AfD mit der Kürzung der Fördermittel drohte, als Reaktion auf die Aufführung der Wagner-Oper „Lohengrin“ am Theater Erfurt.
Um auf den „Kulturkampf“ von Rechtsaußen hinzuweisen und zum Selbstschutz schließen sich in immer mehr Kulturschaffende zusammen und feilen an Gegenstrategien. Die größte, mit über 3.000 Gruppen und Initiativen, ist der 2017 gegründete Verein Die Vielen. In Erfurt beteiligen sich bislang acht Kultur- und Kunsteinrichtungen daran.
Hast du selbst als Kunstförderer schon negative Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung in Bezug zu Kunst und Kultur gemacht?
Alles Überlagert natürlich der Angriff von acht Nazis bei der Ausstellungseröffnung von „Miss Painting“ im Kunsthaus Erfurt im Juli 2012, wo einige von uns erheblich verletzt wurden. In dieser Zeit kam es immer wieder zu Provokationen von Rechtsradikalen vorm und im Kunsthaus. In den letzten Jahren blieb es bei verbalen Attacken, wie während der Ausstellung „Kunst gegen Rechts“ 2019 im Werkraum in Erfurt-Rieth.
Was können wir am 8. Mai in Erfurt erwarten?
Das haben wir im letzten Jahr auch erst am 8. Mai gesehen. Geplant sind im Moment goldene Fahnen zu hissen und goldene Rettungsdecken zu hängen, dazu Plakate mit dem Spruch „Gold statt Braun“. Daneben wird es aber auch Musik, Videoinstallationen und viele Überraschungen geben. Es gibt gleichzeitig auch ergänzende Aktionen an diesem Tag, wie eine Lesung der Omas gegen Rechts vor der Stadtbibliothek am Domplatz zum Gedenken an die Bücherverbrennung der Nazis in Erfurt im Juni 1933.
Warum ist das Gedenken so wichtig?
Es bleibt wichtig an den 8. Mai zu gedenken und ihn gleichzeitig zu feiern. In diesem Jahr begehen wir den 76. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Für mich ist es der wichtigste Feiertag im Jahr, der ja offiziell kein Feiertag ist, obwohl es Forderungen danach gibt. Es ist richtig, dass 1945 die Deutschen besiegt wurden und noch viele Deutsche dem nachtrauern. Aber wer nicht feiert hat verloren. Wir gedenken am 8. Mai allen Millionen Opfern der Shoa (an.d.Red. Holocaust) und des 2. Weltkrieges. Europa, die Welt wurde am 8. Mai 1945 vom Nationalsozialismus befreit. Deshalb finde ich den Begriff „Tag der Befreiung“ weiterhin für zutreffend.
Für mehr coole News klickt hier und lest das neue t.akt-Magazin online!
Hard Facts:
- Wann: 8. und 9. Mai | Erfurt
- Ständige Kulturvertretung auf Facebook
- Ständige Kulturvertretung auf Instagram
- Die Vielen Erfurt auf Instagram
Mehr coole News vom t.akt Magazin:
-
Die Ärzte kündigen Konzert auf dem Domplatz in Erfurt an
-
Landestheaterverbände starten gemeinsames Modellprojekt
-
Zahlreiche Beiträge der Erfurter Museen ergänzen die BUGA