Als gebürtige Erfurterin eine Stadtführung mitmachen? Klingt erst einmal abwegig, schließlich läuft man doch jeden Tag durch die „eigenen“ Gassen, kennt jeden Winkel. Und doch: Oft verliere ich im Alltag den Blick für die Schönheit meines Wohnortes. Hetze von A nach B, schaue nicht mehr nach oben, bleibe nicht mehr stehen und staune. Und die Neueröffnung eines Geschäftes oder Restaurants bekomme ich häufig nur noch via Instagram oder Facebook mit. Als es also hieß: „Bock bei einer ‘Eat the World Tour’ mitzumachen?“ habe ich nicht lange überlegt. Erfurt entdecken und essen? Bin dabei!
Kulinarisch Erfurt erkunden mit der „Eat the World Tour“
Schon im Vorfeld bekam ich nach der simplen Anmeldung via Website auf www.eat-the-world.com die ersten Infos zu Hygienemaßnahmen und Treffpunkt und die Gelegenheit, Nahrungsmitteleinschränkungen mitzuteilen. Von den verschiedenen Tourversionen, die angeboten werden, entschied ich mich für: „Erfurt macht blau“. Diese Führung verspricht nicht nur leckere Kostproben, sondern auch den Besuch einer Färberwerkstatt, die nach den gleichen Verfahren wie im 15. Jahrhundert arbeitet.
Stadtführer Andreas Brinkmann empfängt die Gruppe – wir sind etwa 15 Personen – mit einem strahlenden Lächeln. Er schafft es, die Stadtgeschichte so spannend zu erzählen, dass die Teilnehmer an seinen Lippen hängen. Am Domberg berichtet er von der ersten urkundlichen Erwähnung Erfurts im Jahr 742, wie viele Männer damals nötig waren, um die größte freischwingende Glocke der Welt, unsere Gloriosa, zu läuten und wie groß der Domplatz ist: er misst ziemlich genau sechs Fußballfelder.
Koreanische Spezialitäten im wollkim
Man merkt dem gebürtigen Dortmunder an, dass er sich mit seiner Wahlheimat auseinandergesetzt hat. Er verliebte sich bei seinem ersten Besuch in die Stadt, zog später mit seiner Frau hier her und habe seitdem noch nicht einen Tag bereut. Die Zeit für diese kleine Plauderei finden wir in der ersten kulinarischen Station: dem wollkim. Das inhabergeführte koreanische Restaurant am Domplatz gehört dem ehemaliger Biathleten Jörn Wollschläger und seiner südkoreanischen Frau Nami Wollschläger-Kim – selbst einstige Winter-Spitzensportlerin. Die Gerichte stammen aus dem Familienkochbuch und werden frisch zubereitet. Für uns gibt es „Mandus“ – mit Kimchi bzw. Gemüse gefüllte Teigtaschen mit Sojasoße. Die genießerische Stille im Raum wird von der Diskussion über den Schärfegrad beendet, die unter den Teilnehmern aufkommt.
Blau machen und Puffbohnen genießen
„Auf geht´s“ motiviert Brinkmann die Runde zum Aufbruch. „Wir haben noch viel vor!“ Er sollte Recht behalten. Insgesamt drei Stunden schlendern wir durch die mittelalterliche Innenstadt. Lernen, wie die Redensart des „Blau machens“ entstand, halten in der Ecke Kornack auf einen heimischen (und sehr leckeren) Puffbohnen-Snack und statten natürlich auch der Krämerbrücke einen Besuch ab. Insgesamt fünf kulinarische Überraschungen für alle Geschmackssinne halten das Energielevel konstant oben.
Im „Blauen Keller“
Den Abschluss findet die Tour im „Blauen Keller“. In dieser Werkstatt werden nach alter Handwerkstradition noch Stoffe im 6 m³ großen Bottich gefärbt oder in Handarbeit mit Waid bedruckt. Die Manufaktur ist einer der letzten 12 in Deutschland. Es heißt, Liebe geht durch den Magen. Vielleicht lag es tatsächlich an der spannenden Verköstigung während der Führung: ich für meinen Teil habe mich auf jeden Fall noch einmal ganz neu in „mein“ geschichtsträchtiges und verwinkeltes Erfurt verliebt.
Unsere Autorin Franzi Waldner, in Bloggerkreisen auch als Stattstadtmaedchen bekannt, ist seit Jahren Teil der t.akt-Familie. Wenn sie nicht gerade als Hochzeitsrednerin unterwegs ist, findet sie für uns die richtigen Worte. Bei diesem Text unterstützte sie Anja Feßer von Hellbunt Fotografie, die unter anderem als Hochzeitsfotografin die schönsten Momente in Bildern festhält.
Hart Facts:
- weitere Touren: Altstadt-Tour, Andreasviertel-Tour, historische Sonntags-Tour
- Mehr über die „Eat the World Tour“ auf: www.eat-the-world.com