Thüringen ist voll von kreativen Köpfen. Egal ob Designer, Fotografinnen, IT-Buden mit den neuesten App-Ideen oder Influencerinnen – die Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK) ist stets am Puls der Zeit und kennt so einige Ideenmotoren im Freistaat. Das wollen wir euch nicht vorenthalten, deshalb stellen wir in unserer Rubrik „So kreativ ist Thüringen“ gemeinsam mit der THAK kreative Umdenker und Neudenkerinnen aus dem Freistaat vor.
Graffitikünstler Max Kosta von GNIBMOB im digitalen Talk
Wandgestaltung und Graffiti gewinnen in kommerziellen und öffentlichen Bereichen mehr und mehr an Bedeutung. Künstler und Künstlerinnen aus der Graffiti-Szene sind dabei längst nicht mehr im Untergrund unterwegs, sondern professionalisieren sich zu Urban Art-Gestaltenden. Doch wie gelingt der Spagat zwischen Kunst und Kommerz? Weitreichende Erfahrungen hat die Erfurter Agentur für urbane Gestaltung „GNIBMOB“ gemacht, die bereits etliche Wandgestaltungsprojekte in Berlin, Stuttgart, Köln, Dresden, Leipzig sowie in Erfurt erfolgreich umgesetzt hat. Die Agentur besteht aus einem Zusammenschluss verschiedener Künstler aus dem Bereich Urban Art. Ihr Portfolio umfasst kreative Lösungen in der Gestaltung des öffentlichen Raumes, wie Wandgestaltung und Außenwerbung, aber auch von Innenräumen mit Graffiti-Konzepten. Ihre Auftraggebenden sind Agenturen, Stadtverwaltungen und Unternehmen verschiedenster Branchen. Seit 2020 besteht die Kreativagentur, die von Ideengeber und Graffiti-Künstler Max Kosta ins Leben gerufen wurde. Wir haben den quirligen Kreativschaffenden zum digitalen Talk getroffen, um mehr über die GNIBMOB-Projekte und seine Leidenschaft fürs kreative Schaffen mit Sprühfarbe zu erfahren.
Der Zoom-Konferenzraum öffnet sich. Hinter unserem Gesprächspartner Max Kosta blitzt die Skyline New Yorks hervor. „Wie findet ihr meinen neuen Workspace?”, Max Kosta schmunzelt in die Kamera, ein Baby gluckst im Hintergrund. Der junge Familienvater klärt uns schnell auf, bevor wir uns fragen können, seit wann der gebürtige Thüringer in New York lebt. Er sei gerade mit seiner neugeborenen Tochter in einem Autohaus in Thüringen, wo er auf die Reparatur warte. Die Skyline habe er sich zum Tagträumen in den digitalen Hintergrund gepackt.
Von Europa nach Los Angeles und Israel
Fast hätten wir ihm geglaubt, dass er das Interview von New York aus führt, denn der Künstler und Gründer der GNIBMOB GmbH Agentur für urbane Kunst und Design hat bereits nationale und internationale Wandgestaltungsprojekte, Fassadengestaltungen und Ausstellungen kuratiert: Von Europa nach Los Angeles und Israel tingelte Max Kosta mit der Sprühdose im Gepäck in den letzten Jahren durch die Welt. Durch die Corona-Pandemie sei Ruhe eingekehrt – spätestens mit der Geburt seiner Tochter, die fröhlich in die Zoom-Kamera brabbelt.
Doch wie gestaltete sich Max’ Weg bis hierhin? „Ich bin durch das ganz klassische Graffiti mit verschiedenen Gestaltungsprojekten im öffentlichen Raum in Berührung gekommen. Durch wachsende Auftragsanfragen im kommerziellen Bereich hat sich der Anspruch meiner Kunst hin zu professionalisierten Kreativleistungen verändert. Schnell wurde mir klar, dass es für Graffiti-Künstler spannende Zielgruppen aus dem B2B-Bereich gibt. So hat es sich ergeben, dass ich seit 2020 zusammen mit weiteren Urban Artists für zum Beispiel Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgungsunternehmen, Hotels, Agenturen und Städte Flächen wie Häuserwände, Dachgiebel, Stromtrafos, Brücken oder Frachtcontainer gestalte und aufwerte sowie große Werbekampagnen sprühe.“ Darüber hinaus bringt das Kollektiv auch Expertise in den Bereichen Mediendesign, Grafik, 3D, Fotografie und Video mit. „Bei unseren Projekten bleibt es oft nicht nur bei der Wandgestaltung, sondern das gesprühte Werk wird durch Fotos und Videos nachhaltig für Social Media und Printprodukte, wie Firmenkalender und Co, verwendet.”
Wunsch nach Steigerung der Frauenquote
Die Crew der Agentur für urbane Kunst kennt sich bereits seit vielen Jahren aus der Graffiti-Szene. „Die Kerntruppe besteht aus fünf Sprayern. Meine festen Partner sind dabei Dr. Hot und Hannes. Das lose Netzwerk drumherum aus ungefähr fünfzehn weiteren Künstlern und Künstlerinnen”, fasst Max zusammen. Perspektivisch ist der Ausbau der Agentur mit Mitarbeitenden, die interne Prozesse regulieren, Aufträge koordinieren und SocialMedia-Arbeit betreiben, geplant. Zudem wünsche sich Max eine Steigerung der Frauenquote in der professionalisierten Graffiti-Szene. Die „weibliche Achse” sei bisher leider „noch nicht so ausgeprägt”
Zusammen hat das Team Kunstwerke an Wänden im gesamten Bundesgebiet realisiert. Zu ihren Thüringer Auftraggebenden gehören das Lutherhaus in Eisenach, die TEAG, die Stadtwerke Erfurt Gruppe, Telekom Deutschland, Lindig, aber auch die WBG Einheit, Kaufland Bad Salzungen und die Kegelbahn Eisenach. Auch über Thüringen hinaus setzt die Agentur Aufträge um, wie zum Beispiel für den Tafel e.V. in Heinsbach in Hessen sowie< die J.S. Bach Stiftung in St. Gallen. Von der Konzeption über die Vorbehandlung der Untergründe bis hin zur Umsetzung der Wandbilder liefern die Künstler professionelle, individualisierte und fachgerechte Komplettlösungen für ihre Auftraggebenden. „Durch die Gestaltung von Wänden habe ich als Unternehmen zum einen die Möglichkeit, auf eine fulminante Art zu werben und auf mich aufmerksam zu machen. Der Handmade-Charakter macht das Ganze zudem einzigartig und individuell.“ Doch wie gestaltet sich eigentlich der Weg vom Künstler zum Unternehmer?
„Als Künstler, egal in welchem Bereich, ist der größte Motivator die persönliche Selbstverwirklichung. Natürlich gibt es eine Debatte über den Spagat zwischen dem freien, künstlerischen Graffiti und kommerziellen Auftragsarbeiten, der auch in der Szene heiß diskutiert wird. Aber, wie mein geschätzter Kollege und Illustrator Stefan Kowalczyk im Podcast „Kreativtalk: Zwischen Kunst und Kommerz – Gestaltung im öffentlichen Raum“ schon richtig formuliert hat, kann es keinen ernsthaften Künstler geben, der seine Kunst nicht verkaufen will. Ob Werbung oder freie künstlerische Arbeit: Ich möchte meiner Familie etwas bieten können und nicht wie ein verarmter Künstler von der Hand in den Mund leben. Zudem habe ich durch meine Arbeit die Chance, meine Umgebung, aber auch die von anderen Menschen aktiv mitzugestalten. Motivatoren sind hierbei, verwaiste Orte attraktiver zu machen, unbelebte Gegenden künstlerisch aufzuwerten und neue Impulse zu setzen.”
Graffiti-Gestaltungen entdecken
Auch die Förderung von jungen Talenten ist Teil des GNIBMOB-Auftrages: Für Schulen und Jugendliche bietet die Crew Graffiti-Workshops an. Zudem verkaufen sie in einem kleinen Shop Farben und Künstlerbedarf. Auch eine Galerie gibt es, in der GNIBMOB Graffitikunst an die Menschen bringen will. Zudem bieten die Künstler Graffiti-Events und Performances an. Durch ihr öffentlichkeitswirksames Tun und ihre Vielseitigkeit hat die Agentur nun von Privatpersonen in Erfurt und Eisenach Giebelwände zur freien Gestaltung und Konzeption zur Verfügung gestellt bekommen. „Die an belebten Orten befindlichen Wände können wir nun für freie Arbeiten, aber auch für potenzielle Auftraggebende nutzen, um dort Werbekampagnen zu sprühen”, erzählt Max stolz.
Max’ Tochter erwacht in diesem Moment von ihrem Nickerchen und hat offensichtlich keine Lust mehr, dass Papa ein Interview führt. Wir beschließen, uns zu verabschieden und freuen uns auf einen ausführlichen Sonntagsspaziergang durch Erfurt, wo wir uns vornehmen, die Graffiti Gestaltungen der GNIBMOB GmbH zu entdecken, die sich über die ganze Stadt erstrecken. Und schnell wird klar: Graffiti und Urban Art bedeuten viel mehr, als Farbe aus Sprühdosen an Wände zu sprayen – diese Kunstform gestaltet, kommuniziert, wertet auf. Ob nun im kommerziellen oder rein künstlerischem Sinne – Graffiti wurde durch Visionäre wie Max längst auf eine für die Zukunft bedeutsame und zeitgemäße Ebene gehoben.
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