„Es geht um das Gefühl für den Gefühlswert. Jeder der schreibt, gibt seine Empfindung in sein Werk und berührt damit andere. Das fühlt man. Wenn man mit allen Sinnen liest. Wenn man Bücher in den Händen hält. Das möchte ich als Teil des Verlags weitertragen. Wichtig ist: Das Gefühl muss echt sein“, beschreibt die literarische Übersetzerin Bianca Katharina Mohr die Ambition, die sie veranlasst, Teil des wohl jüngsten Erfurter Verlags zu sein. „Ich finde wir sind ein super Team, weil uns das allen am Herzen liegt. Weil wir das alle einfach fühlen und auch transportieren wollen.“
Erfurter Verlag kul-ja! publishing will jungen Talenten eine Chance geben
Bianca stieß vor über einem Jahr zu kul-ja! publishing. Stephan Herbst hingegen war als Lektor von Anfang an dabei. Der Verlag wurde am 19. Oktober 2019 von der Literaturwissenschaftlerin und Autorin Julia Kulewatz gegründet. Damit war auch das geflügelte Wappentier des Verlages, der Kulibri, geschaffen. In ihm vereinen sich ein Teil des Nachnamens der Gründerin sowie das lateinische Wort „libri“ für Freiheit und Buch. Deshalb entstehen hier jetzt „kule“ Bücher, nur echt mit dem Kulibri. „Wir wollen den Künstlern sagen, dass sie nicht allein sind in dieser vordergründig mainstreamigen Verlagswelt, ihnen bei uns eine Plattform bieten“, fügt Julia an.
Gesamtkunstwerke mit Herzblut
Als Autorin war es Julia einfach leid. Etablierte Verlage geben demnach jungen Talenten nur wenige Chancen. Zudem würden die Werke von Autoren und Autorinnen oftmals lediglich als Konsumprodukt betrachtet und nicht als Gesamtkunstwerk, in das Autoren ihr Herzblut legen. „Ich beobachtete als Schriftstellerin schon so viele Dinge, die schieflaufen. Als gelernte Gestaltungstechnikerin achte ich auch auf Layout, Bebilderung, Cover und mehr“, sagt Julia. „Ein befreundeter Bestseller-Autor sagte mir beispielsweise einmal, dass er von seinem Verlag als Coverbild ungefragt einen Vogel bekam, obwohl das keinerlei Bezug zum Text hatte. Daraufhin fragte er nach dem ‚Warum‘ und bekam die Antwort: `Wir haben Statistiken, dass Vögel gut gehen‘ – Und es stimmt, überall sieht man derzeit Vogelcover.“
Erstes Buch ist bereits ein Hit
Neben der Missachtung der Künstlerseele stößt der Verlegerin zudem sauer auf, dass stets nur nach dem großen Profit geschaut werde und erst an zweiter Stelle nach Qualität. Dass beides jedoch auch Hand in Hand funktioniert, beweisen die drei Engel von kul-ja! publishing – und legen vor: Gleich das erste Buch, das sie veröffentlichten und komplett selbst editierten, „Orkaniden. Sturmgedichte“, ist in der ersten Auflage komplett ausverkauft. Das liebevoll gestaltete Lyrik-Werk versammelt insgesamt 30 Gedichte von Julia, die von zehn Illustrationen der Künstlerin Jantien Sturm begleitet werden. Die zweisprachige Ausgabe wird komplettiert durch die englische Übersetzung von Bianca. Und wie sollte es anders sein: Stephan hat es lektoriert, gesetzt und auf dem Buchmarkt platziert.
Drei Werke veröffentlichte das Publisher-Verlagsteam 2021. Dieses Jahr wollen sie an den Erfolg anknüpfen. Etwa zehn (Kunst-)Werke befinden sich in der Pipeline. Doch wer sind diese drei Enthusiasten, die die Literaturwelt erobern wollen? Bianca studierte englische Sprache und Literaturwissenschaft. Sie forschte und lehrte im Bereich Spracherwerb und Mehrsprachigkeit an der Universität Erfurt. Im Verlag ist sie als Übersetzerin tätig und für die internationale Kommunikation zuständig, denn die internationale Ausrichtung und Zusammenarbeit ist dem Verlag sehr wichtig. Neben seiner Lektoratstätigkeit engagiert sich der studierte Philosoph Stephan als Dozent an der Universität Erfurt. Er managt den Verlag gemeinsam mit Julia, die im Gespräch mit dem t.akt-Magazin ganz klar als Motor des „Trio Infernal“ erscheint.
Autorin Julia Kulewatz und ihre Passion zum geschriebenen Wort
Ihre Liebe zur Literatur erfüllt den Raum. Spricht Julia über Bücher, spricht sie nicht einfach über Bücher. Sie feiert die Kunst des Schreibens in all ihren Facetten. So ist es ihr eine Herzensangelegenheit, Schreibtalente an der Volkshochschule und der Universität in Kursen zum kreativen Schreiben zu entdecken und zu fördern. Was Julia und ihre Literatur hervorhebt, hat auch Neu-Ulm erkannt und sie mit dem Stadtschreiberstipendium für 2022 ausgezeichnet. Die beherzte Autorin feierte ihr literarisches Debüt mit Kurzgeschichten. Ihr Erstlingswerk „Vom lustvollen Seufzer des Sudankäfers“ erschien 2017. „Jenseits BlassBlau“, ein weiterer Kurzgeschichtenband mit einem Vorwort von dem international bekannten Phantastikautor Bernhard Hennen, erschien 2020. Bereits in diesen beiden Werken zeichnete sich ab, dass Julia Literatur nicht einfach als Ansammlung von Buchstaben und Sätzen sieht. Aufgeladen hat sie ihre Schöpfungen mit passenden Zeichnungen lokaler und überregionaler Illustratoren. Es sind Gesamtkunstwerke – und da haben wir noch nicht mal über das Layout gesprochen! Ein hoher Anspruch, den die drei nun bei kul-ja! publishing zur Perfektion treiben wollen.
Klein aber fein
Der Verlag soll eine Plattform sein – und dabei ist es nicht zwangsweise Lyrik – welche die drei Wahlerfurter in die hiesigen Bücherregale hieven wollen. „Wir sind offen für alle Themen. Wichtig ist, dass der Funke überspringt. Sagen wir drei “Ja!“, dann nehmen wir das Buch in unser Repertoire auf“, erklärt Julia, die besonders hervorhebt, dass gerade die „Größe“ des unabhängigen Publikumsverlages so einige Vorteile bietet. „Wir sind viel beieinander. Im kleinen Team können wir schnell entscheiden und eng mit unseren Autoren zusammenarbeiten. Große Verlage kommen da viel behäbiger daher.“
Neben der hohen Autorinnen- und Autorennähe glänzt das Trio zudem mit einem großen Netzwerk. Illustratoren, Künstler sowie namhafte Literaten, die gut und gerne schon mal ein eloquentes Vorwort oder filigrane Zeichnungen beisteuern, runden das Gesamtkunstwerk Buch bei kul-ja! publishing ab. „Wir wollen Kunst mit Kunst, Künstler mit Künstlern verbinden. Dabei ist uns stets wichtig, dass wir den Beteiligten Raum geben, sich zu entfalten“, erklärt Julia, die mit ihren Mitstreitern die Literaturlandschaft in Deutschland bereichern will: „Egal, ob Großstadtsatire, philosophischer Roman oder Science-Fiction-Novelle, wir sind auf der Suche nach Geschichten, die uns faszinieren, die uns auf eine magische Reise schicken und uns und der Welt um uns herum den Spiegel vorhalten. Nach Geschichten, die uns nicht mehr aus dem Kopf gehen, die authentisch sind, einen Wiedererkennungswert haben und in denen wir auch nach mehrmaligem Lesen noch Neues entdecken können, kurzum: nach Geschichten, denen wir unsere Zeit nur allzu gern widmen wollen.“