Der Avantgardekomponist und -musiker Burkhard Schlothauer war viele Jahre seines Lebens auf Tourneen unterwegs, spielte in vielen Ländern Europas für eine Zielgruppe, die zwar „über die ganze Welt verstreut, aber sehr überschaubar ist“, wie er mit einem Schmunzeln zugibt. Als seine Frau Claudia Tittel 2011 eine Vollzeitstelle als Kunstwissenschaftlerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhielt, war für den heute 64-Jährigen Wahl-Berliner klar, dass es ihn nach Thüringen verschlagen würde. Die Wahl des Wohnorts fiel auf Gera. „Wir wollen hier Kultur erleben. Und wenn wir das, was wir brauchen, hier nicht vorfinden, machen wir es selbst. Für mich war auch klar: Ich möchte unterrichten!“ Gesagt, getan: Das Paar kaufte 2016 ein nach seiner Nutzung als Mädchenschule lange Zeit leerstehendes Häuserensemble in der Geraer Altstadt – und die Geschichte des Kulturhauses Häselburg begann.
Gera schafft Kultur in der Häselburg
In der Wahrnehmung vieler Thüringer hat Gera kulturell nicht mehr zu bieten als das Fünfsparten-Theater, Otto Dix und die historischen Höhler. Auch wenn ein Großteil des Kulturbudgets der stets klammen Stadt Gera in diese Aushängeschilder fließt, ist das ein Vorurteil, welches Burkhard Schlothauer, inzwischen Geschäftsführer der von ihm mit gegründeten KIM – Kultur in Mitteldeutschland gemeinnützige GmbH mit den Veranstaltungen und Angeboten in seiner Kultureinrichtung mit einem innovativen Konzept Lügen strafen möchte. „Wir wollen der freien Szene der Region einen Ort geben. Durch günstigen Bau und Förderungen haben wir die Möglichkeit, Kulturvereine und Medienschaffende zum Selbstkostenpreis in der Häselburg einziehen zu lassen. Wir verstehen uns als Coworkingspace für freie künstlerische Entfaltung und Bildung“, so Schlothauer.
Zuerst wurde bereits 2017 im Haus die Neue Galerie für Zeitgenössische Kunst eröffnet – ein Herzensprojekt seiner Frau, die inzwischen als Kulturamtsleiterin der Stadt Gera tätig ist. Werke regional verwurzelter und international bekannter Künstler werden hier in wechselnden Ausstellungen präsentiert. Im ersten Obergeschoss zog kurze Zeit später der Kaktus e.V, mit einer künstlerisch genutzten Dunkelkammer ein. Im zweiten Obergeschoss wiederum bietet die Freie Akademie der Kunstschule Gera Kurse für Kunstinteressierte an. Jährlich wurde eine Sommerakademie veranstaltet mit Kursen in Malerei, Fotografie und Medienkunst, die gut angenommen wurden. Seit 2019 hat auch das Medienbildungszentrum der Thüringer Landesmedienanstalt in der Häselburg Quartier bezogen – und in wenigen Monaten kommt mit dem Vogtlandradio ein regionaler Medienbetrieb dazu. Inzwischen sind die bezugsfertigen Räumlichkeiten der Häselburg nahezu komplett belegt.
Plattform für junge Literaten oder Bands
Ein 180 Quadratmeter großer Multi-Funktionsraum mit Bühne, das alte Wannenbad, befindet sich im Keller und ist Dank des Bundesprogramms „Neustart Kultur“ jetzt voll funktionsfähig ausgestattet. „Ich persönlich möchte vor allem lokalen Kulturschaffenden, jungen Literaten oder Bands, die ihre eigene Musik machen eine Plattform geben. Veranstaltungen mit ‚großen Namen‘ mögen zwar viele Leute anziehen, inhaltlich sind sie aber oft völlig belanglos“, so Schlothauer. „Gera weist, weil viele junge Leute zum Studieren wegziehen, leider keine so ausgeprägte Band- oder Musikszene auf wie andere Städte auf“, gibt er zu bedenken.
Mit individuellem Charme eingerichtete Ferienwohnungen
Damit das Kulturhaus Häselburg eine Strahlkraft über Gera hinaus entwickeln und auch als niedrigschwelliger Anlaufpunkt für Schüler oder Studierende dienen kann, hat Schlothauer bereits weitere Pläne. Im gelben Eckhaus, das gerade modernisiert wird, soll ein Café entstehen, das Getränke zu fairen Preisen anbietet. Im Dachgeschoss befinden sich derzeit vier mit individuellem Charme eingerichtete Ferienwohnungen mit Küche und Bad, weitere drei Wohnungen und zwölf Künstlerzimmer für internationale Gäste sollen noch dazukommen. „Unsere Zimmer sind derzeit übrigens komplett belegt durch eine Filmcrew, die in Gera für Disney+ an einer neuen Serie dreht“, freut sich Schlothauer. Die Häselburg hat jedenfalls schon jetzt ihren Teil dazu beigetragen, das Image der Stadt Gera aufzuwerten.
Nächste Veranstaltungen:
Sa, 26. und So, 27. Februar, 10 und 11 bis 17 Uhr: Linolschnitt lernen und eigene Bilder drucken mit der Künstlerin Nadja Schütt. Anmeldung unter kontakt@kunstschule-gera.de oder telefonisch unter 0365 55246844.
Do, 3. März, 19 Uhr: „H. W. Katz und die Fotografin Aenne Biermann“: Lesung mit Annerose Kirchner und Frank Rüdiger zum jüdischen Leben in Gera im Rahmen von „900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen“
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