Tannen, Buchen, Fichten, links und rechts der Straße, links und rechts der Gleise. Egal, ob man mit dem Regionalzug von Rottenbach aus unterwegs ist oder mit dem Auto von Rudolstadt ins Schwarzatal vordringt: Immer enger die Täler, immer dunkler der Wald. Doch weshalb sollte man sich in diesem Spätsommer überhaupt nach Schwarzburg verirren?
Das Schloss Schwarzburg
Gründe gäbe es mehrere: Eine abendliche Wanderung zu seltenen Fledermausarten im Schwarzatal. Spannende Fotomotive mit morbidem Charme im ehemaligen Kurort, der vor allem im 19. und 20. Jahrhundert Besucher anzog. Oder eine Veranstaltungsreihe, die die Türen zu einem fast vergessenen Schloss öffnet. Über dem Ort thront es, das Schloss Schwarzburg. Es ist die Stammburg eines der ältesten Adelsgeschlechter in Thüringen. Bereits im Mittelalter wurde auf dem steilen Schieferfelsen eine Anlage gebaut, die erst zur Festung und dann zu einem prächtigen Barockschloss erweitert wurde. Die Nationalsozialisten setzten der Pracht ein jähes Ende: Sie wollten aus dem Schloss ein Reichsgästehaus machen und fingen 1940 an, weite Teile des Barockensembles zu zerstören. Das Vorhaben blieb unvollendet, die Anlage wurde 1942 als Bauruine zurückgelassen.
Führung durch das Schloss
Nach umfangreichen Sicherungs- und Renovierungsmaßnahmen ist das Schloss seit 2019 nach jahrzehntelanger Schließung wieder zugänglich – und kann während der Sommermonate mit einer Audiowalk-Führung erkundet werden: Unter Kopfhörern wandert man vom Nordtreppenhaus über den Ahnensaal bis zum Emporensaal. Die Schlossführungen nach so langer Zeit wären allein ein guter Grund, die Reise an diesen verwunschenen Ort anzutreten. Doch in diesem Sommer findet neben den Führungen auch eine Veranstaltungsreihe in diesem so einmalig widerspiegelnden Baudenkmal statt: „Denkort der Demokratie“ lautet das Motto der Reihe. Es spielt nicht unwesentlich darauf an, dass sich Friedrich
Ebert im Spätsommer 1919 in Schwarzburg zur Erholung befand, als der SPD-Politiker und Reichspräsident mit seinen Ministern, die ebenfalls einige Tage Erholung im Schwarzatal suchten, in einem feierlichen Akt auf dem Schloss die Verfassung der Weimarer Republik unterzeichnete: Die erste deutsche Demokratie, sie wurde im tiefsten Thüringer Wald besiegelt. Zwischen Tannen, Buchen, Fichten. Und Eichen.
Vielfältiges Programm
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe werden aktuelle und vergangene politische Themen beleuchtet. Es wird Gesprächsrunden geben – und Freiluftkino. So wird beispielsweise am 3. September um 20 Uhr im Garten des Schlosses der preisgekrönte israelische Dokumentarfilm „Waltz with Bashir“ gezeigt, der den Nahostkonflikt thematisiert. Am Tag darauf, am Samstag, den 4. September um 20 Uhr, findet ein Wettbewerb im Schloss statt: Nicht wie einst ein Wettstreit der Minnesänger, sondern ein Poetry Slam mit selbst geschriebenen Texten – Texten, an denen man zuvor im Rahmen eines Workshops feilen kann. Eine Woche später, am 11. September, findet der letzte Freiluftkino-Abend am „Denkort der Demokratie“ statt – zumindest für das Jahr 2021. Dann läuft ab 19 Uhr „Jetzt, nach so viel‘ Jahren“ von Pavel Schnabel. Schnabel, der 1968 aus Prag nach Frankfurt floh und in den folgenden Jahren ein viel beachtetes und prämiertes Dokumentarfilmwerk schuf, porträtiert in diesem Film aus dem Jahre 1981 ein Dorf in Hessen. In Rhina waren mehr als die Hälfte der Einwohner jüdisch – bis sich von 1933 an alles änderte. Der Regisseur, der mittlerweile 75 Jahre alt ist, wird sogar zum Publikumsgespräch in Schwarzburg erwartet.
Frühschoppen im Emporesaal
Und schließlich lädt der Verein am 26. September zu einem Frühschoppen, um die neue Bestuhlung einzuweihen: Hier kann das Thema Sitzverteilung, in einer Demokratie ja nicht ganz unwesentlich, dann auf ganz andere, augenzwinkernde Weise diskutiert werden und Schwarzburgerinnen und Schwarzburger können mit auswärtigen Besucherinnen und Besuchern bei einem gemeinsamen Frühstück im prachtvollen Emporesaal des Schlosses ins Gespräch kommen.
Hard Facts
- 11. September | 19 Uhr | Garten am Kaisersaal | Freiluftkino | Jetzt, nach so viel Jahren
- 26. September | 11 Uhr | Emporensaal | Frühschoppen + Musik | Platz für alle!
- Wo: Schlossstraße 5 | 07427 Schwarzburg
- Mehr Infos gibts hier.