In der Ferne thront das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal auf dem Kyffhäuser, links neben mir liegt ein keilförmiger Graben, aus dem vereinzelt Muschelkalk-Brocken herausluken. Dahinter fällt der Hang ab, unter mir verschwindet die A71 im Tunnel. Auf dem grasbewachsenen Kamm der Schmücke bietet sich an diesem kühlen, aber trockenen Tag im Mai bis zum Horizont eine beeindrucke Weitsicht ins Thüringer Becken. Ich laufe auf der letzten Etappe eines traditionsreichen Fernwanderwegs, der mich mit solchen beeindruckenden Ausblicken nicht zum ersten Mal verzaubert.
Der Finne-Wanderweg
Der Finne-Wanderweg führt entlang einer gleichnamigen geologischen Störungszone von Weißenfels in Sachsen-Anhalt bis ins Tal der Unstrut kurz vor Sachsenburg, welche an der Thüringer Pforte den Muschelkalk durchbricht und den Übergang zur Hainleite bildet. Diverse Schilder in Bad Kösen, wo ich aufgewachsen bin, weckten mein Interesse – also lief ich ihn an vier Tagen weitgehend ab. Zwei Tage, bevor ich auf dem Kamm der Schmücke stehe, brach ich auf Thüringer Seite in Bad Sulza auf. 1,1 Kilometer vom Bahnhof entfernt und durch das Thüringer Weintor (Touringen-Stempelstelle 203) trifft die Straße Unter den Sonnenbergen direkt auf die Markierung des Finne-Wanderwegs: Ein rotes Dreieck auf weißem Grund am Wegweiser nahe der Emsenmühle zeigt Eckartsberga an.
Zu Lebzeiten von Napoleon gepflanzt
Der Abschnitt entlang der eingleisigen Trasse der Pfefferminzbahn (der Betrieb zwischen Großheringen und Buttstädt ist seit Dezember 2017 eingestellt) gestaltet sich trotz des Asphalt-Untergrunds, den sich der Finne-Wanderweg mit einem heute wenig frequentierten Napoleon-Radweg teilt, idyllisch. Das Tal weitet sich, rechts ziehen hinter weitläufigen Feldern sanfte, grasbewachsene Hügel hinauf. Bei Auerstedt wandelt sich ein steiniger Feldweg durch eine blühende Wiese in einen schmalen Pfad, von dem mir ein Fuchs neugierig entgegenblickt, bevor er in der Böschung verschwindet. Ich erreiche die „Vier Napoleonslinden“, welche zu Lebzeiten des französischen Feldherrn gepflanzt wurden – und von denen nur noch zwei stehen.
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Route des Finnewanderweg.Der Blick hinab ins Tal ist von dicken Regenwolken verdeckt, es nieselt. Keine gute Zeit für eine Pause. Ich nähere mich durchs Reisdorfer Holz der quaderförmig emporragenden Eckartsburg – und biege kurz vor ihr rechts ab, zwischen zwei imposante Muschelkalkwände hindurch. Hinter dem ehemaligen Schloss Marienthal, in dem sich heute eine Kindertagesstätte befindet, erreiche ich an der Landstraße zwischen Braunsroda und Marienroda die mäandernde Landesgrenze – an der sich niemand so recht für Markierungen des FinneWanderwegs zuständig fühlt. Im Tiefen Tal in der Nähe von Rastenberg teilt ein Wegweiser den Finne-Wanderweg: „Viadukt“ steht darauf – das Bauwerk (einst für die Bahnverbindung in den Rastenberger Kalischacht) ist schon lange abgerissen.
Wanderroute durch Rastenberg: Abkürzung und Sehenswürdigkeiten
Die Abkürzung rechts ab führt nördlich an Rastenberg vorbei, über eine Jagdhütte mit Rastplatz und das Mühltal wird Burgwenden mit einer Einsparung von 2,6 Kilometer erreicht. Ich laufe weiter geradeaus, bis ich kurz hinter einer weiteren neuen Bauernschänke über eine kleine Brücke auf schmalem Pfad durch den Wald aufsteige und vorbei an der Touringen-Stempelstelle 370 (Ullrichs Ruh) am Friedhof hinab nach Rastenberg gelange.
Erfrischend-modernes Ambiente Café Alina
Neben dem Geburtshaus vom Vater des berühmten Jenaer Unternehmers Carl Zeiß unter Orange strahlendem Putz kommt man auch am hübsch restaurierten Rathaus vorbei. Hier lohnt es sich, einen Umweg von 400 m in Kauf zu nehmen, um sich in einem erst am 04. Mai neu eröffneten Lokal zu stärken, welches in erfrischend-modernem Ambiente (mit riesigem Himmel-Motiv an der Decke) neben Eis, Kuchen und Cocktails auch deftige und Nudelgerichte anbietet: Café Alina (Kirchallee 9 in Rastenberg). Wer den Finne-Wanderweg abläuft, ist auf einsamen Pfaden unterwegs, trifft oft stundenlang keine Menschenseele – ein touristischer Geheimtipp eben. Umso mehr freue ich mich auf der letzten Etappe über etwas Gesellschaft.
Mit Patrick begleitet mich ein sportlicher Kumpel aus Berlin an diesem zwar etwas kühlen und wolkigen, aber immer trockenen Tag. Wir beschließen, die lange Tagesetappe etwas abzukürzen und mit dem Bus ab dem belebten Roßplatz in Buttstädt nicht nur bis Rastenberg, sondern fünf Kilometer weiter nach Schafau zu fahren. Dort kurz nach 11 Uhr angekommen, zieht die sanierungsbedürftigte evangelische Kirche St. Martin mit abblätterndem Putz unsere Aufmerksamkeit auf sich, vor der einer der zahlreichen Wegweiser für Wanderwege durch das Gebiet der Hohen Schrecke und die Finne steht.
Umleitung des Finne-Wanderwegs
Nach Auf und Ab durch den Wald erreichen wir die Rosenmühle – wobei uns bei den Wegweisern hier eine Umleitung des Finne-Wanderwegs hinein nach Bachra ins Auge fällt. Eine Folge des Klimawandels in der niederschlagsarmen Region, wie sich später auf Nachfrage beim Thüringer Forstamt Sondershausen herausstellt. So wurden im Frühjahr 2022 Teile des Finne-Wanderwegs zwischen Bachra und Harras wegen des Absterbens alter Buchen und Eichen sowie ungewöhnlich vielen toten Bäumen in den Wäldern zum Schutz der Wanderer gesperrt und Umleitungen ausgewiesen. Da sich die Situation inzwischen etwas entschärft hat, ist der Finne-Wanderweg im Thüringer Teil seit Juni 2024 aber wieder uneingeschränkt begehbar.
Wanderabenteuer bei schlechtem Wetter: Auf dem Finne-Wanderweg
Litterbach an einer Bauernschänke Da einige Schilder für den Finne-Wanderwegs entfernt wurden, folgen Patrick und ich dem Routenverlauf der GPSTracks unserer Tour, die wir uns vorher bei den Plattformen Outdooractive und Komoot heruntergeladen haben – und halten uns an der Rosenmühle zunächst rechts. Über eine extrem schlammige Forststraße, die uns eher hinaufschlittern als -gehen lässt, erreichen wir eine Wegkreuzung, an der die Umleitung aus Bachra von links einmündet. Wir folgen einem nun etwas schmaleren erdigen Weg nahe am Waldesrand, bis wir hinter dem Litterbach an einer Bauernschänke mit hellem Holz und Touringen-Stempelstelle 363 (Ostramondra, Pauls Teich) aus dem Wald heraustreten. Ein Feldweg gesäumt von einer Baumreihe bringt uns bei wolkenverhangenem Himmel – und nach einem schnell bemerkten falschen Abzweig – zum bewaldeten Höhenzug und Naturschutzgebiet Finnberg, wo sich bei einem freien Blick hinab nach Burgwenden eine weitere Touringen-Stempelstelle (362) befindet.
Nach dem steilen Abstieg hinunter nach Burgwenden legen wir hinter dem Ort in einer Bauernschänke entlang der löchrigen Straße mit Blick aufs Sauertal erst einmal eine Pause ein. Ich packe neben Apfelstückchen und einem Brot auch ein Büchlein auf den Tisch: „Sagen der Unstrut-Finne-Region“. Ich lese, dass sich ganz in der Nähe einst die Monraburg befand – von der heute nur noch Teile der Wallanlage erhalten sind. Wir entschließen uns, diesen Umweg nicht zu gehen. Hinter der Wegkreuzung Klapptor laufen wir auf geschotterter Forststraße, bevor die Route an einer T-Kreuzung geradeaus ein schmaler Pfad weiter im dichten Wald hinaufzieht.
Blick auf den Leubinger Grabhügel
Nahe des komplett bewaldeten Künzelsbergs erreichen wir den höchsten Punkt des Finne-Wanderwegs auf 369 Höhenmetern – ein Ausblick bleibt uns aber verwehrt, dichtes Blätterdach versperrt ihn. Vorbei am Rastplatz Limberleite steigen wir von diesem bereits zur Schmücke gehörenden Kamm ab, bis wir aus dem Wald heraustreten und bei strahlendem Sonnenschein auf einer Bank unter einer Kiefer mit weitem Blick auf den Leubinger Grabhügel und die A71 bei einem Radler rasten. Vor uns grasen Ziegen. Etwas mehr als vier Stunden sind wir nun unterwegs, haben etwa 17 Kilometer Strecke „auf der Uhr“, denn Patrick checkt die Route und unsere Geschwindigkeit auf seiner Smart Watch, deren Akku inzwischen fast leer ist. Ich hole mein Sagen-Büchlein heraus und lese, dass auf der ehemaligen Burgstelle des nahen Bonifatiusbergs früher eine Steinplatte mit vier hufeisenähnlichen Abdrücken (Roßtrappen) und von einer Menschenhand zu finden war.
Der Abschluss des Finne-Wanderwegs
Diese soll der Thüringer Apostel zur Ermutigung seiner Mannen für einen Kampf hinterlassen haben. Unsere letzten Meilen führen uns nun nordwestlich von Harras über den Kamm der Schmücke vom Anfang dieses Texts, bis wir im dichten Wald scharf nach rechts biegen und hinabsteigen in die Hermann-Güntherodt-Siedlung an der Thüringer Pforte, wo der Finne-Wanderweg offiziell startet (oder endet). Einen Abstecher über die Unstrut-Brücke unternehmen wir noch – wobei mir die Ähnlichkeiten der Unteren Sachsenburg mit der Eckartsburg schnell auffallen. Leider hält hier kein Zug, der uns zurück nach Erfurt bringt, wir laufen übers Schwanenfeld weiter nach Heldrungen. Nach insgesamt 28,9 km an diesem Sieben-Stunden-Wandertag will ich von Patrick wissen: „Was ist die längste Strecke, die du jemals gelaufen bist?“ – „Das war heute“, entgegnet er trocken mit einem Lächeln – und ist bereit für die nächste Tour.
Hard Facts:
Fakten zum Finne-Wanderweg: –
- Länge: ca. 89 km (davon 45 km in Thüringen)
- An-/Abreise mit dem ÖPNV: in Bad Sulza (Bahn, stündlich), Auerstedt (Bus, stündlich), Rastenberg (Bus, stündlich), Schafau (Bus, 2-stündlich), Burgwenden (Bus, 5-mal täglich nur Mo-Fr).
- Der Bahnhof Heldrungen (Bahn, stündlich) ist 2,8 km vom Endpunkt bei Sachsenburg entfernt.
- Hinweis: Zwischen Bad Kösen und Eckartsberga ist wegen dem Bau einer Ortsumgehung eine Umleitung ausgewiesen. Ab Bad Sulza nach Westen kann der Finne-Wanderweg jedoch uneingeschränkt begangen werden.
- Route: https://www.outdooractive.com/de/route/wanderung/saale-unstrut/finnewanderweg/14574654/
- Alle Touringen-Stempelstellen unter: https://www.touringen.de/stempelstellen