Wie sieht eigentlich ein guter Reiseführer aus? Eine Karte sollte er haben. Hübsche Bilder und gute Texte natürlich. Und vielfältige Tipps. Nicht zu einseitig sollte er sein. Vielleicht auch haptisch gut verpackt? Wenn das die Maßstäbe sind, dann scheint man mit den Büchlein der „Glücksorte“-Reihe, die im DrosteVerlag erscheint, gut bedient zu sein. Im modernen Gewand, mit seidigem Softcover kommen sie daher und haben so einige Geheimtipps im Gepäck. Der Trick des Verlags: Er holt sich lokale Autoren ins Boot, die den Büchern ihren individuellen Stempel aufdrücken. So auch geschehen in den zwei für Thüringen erhältlichen Stadt-Reise Führern zu Erfurt und Weimar.
Glückorte Buchreihe in Erfurt und Weimar
Der Name scheint Programm: „Glücksorte in und um Weimar“ sowie „Glücksorte in Erfurt“, das bereits in der dritten Auflage erschienen ist, legt den Fokus bei der Wahl der Beiträge auf Orte, die glücklich machen – setzen wir mal voraus, dass das Wetter passt. Und selbst dann bieten die Büchlein Alternativen. Sie führen beispielsweise durch Weimar nicht nur mit Blick auf historische Literatur von Goethe und Schiller oder klassischer Musik von Liszt. 80 „Glücksorte in und um Weimar“ hat Stefan Hasselmann ausgewählt, von der Kuchenmanufaktur über den Mühlenladen bis zur Teeboutique, vom Bauhaus bis zum Kunstfest. Zwischen Ilmpark und Kirschbachtal, zwischen Bad Berka und Schloss Ettersburg beschreibt er Plätze voller Geschichte und Geschichten.
Man verliert leicht den Blick für die Schönheiten der Stadt
Einige der Tipps sind bekannt, andere versteckt. Immer wieder zeigt sich, dass es hilft, die Perspektive zu wechseln oder einfach mal innezuhalten. „Wenn man in Weimar aufgewachsen ist, verliert man leicht den Blick für die Schönheiten der Stadt. Goethe und Bauhaus, Ilmpark und Kunstfest – man nimmt es wie selbstverständlich hin. Doch dann geht man eine Zeit lang weg und spürt, dass der Reichtum dieser Stadt, ihre Schönheit und Vielfalt von kaum einer anderen Stadt erreicht wird“, findet Stefan Hasselmann. Der Architekt, Musiker und Autor ist in Weimar geboren und hat nach seinem Studium viele Jahre dort gelebt.
Auf einen Trip durch Weimar
Ähnlich wie der Weimarer Autor gestalte Bloggerin Jessica Fichtel den Reiseführer „Glücksorte in Erfurt“. 80 verschiedene Orte hat sie ausgewählt. Egal ob kulinarischer Wochenmarkt, gestrickte Kunstwerke, Ampelmännchen oder ein Haus ohne Dach – die Auswahl zeigt viele Facetten der Thüringer Landeshauptstadt. Es geht in die Natur und in Museen, in versteckte Geschäfte und originelle Kneipen, zu den Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der Blumenstadt. Dabei hat Jessika Fichtel selbst noch viele Details entdeckt, die ihr bis dahin völlig unbekannt waren, wie der Verlag schreibt. Wie dem auch sei. Egal ob Stadtbewohner oder Tourist – „Glücksorte in und um Weimar“ sowie „Glücksorte in Erfurt“ bieten eine bunte Auswahl an Ausflugszielen und Sehenswürdigkeiten. Wir wollen euch jetzt auf einen Trip durch Weimar mitnehmen, um euch einen Einblick in die Reiseführer zu geben.
Wir starten in der Klassikerstadt „zwischen allen Orten“ am Donndorfbrunnen in der Geleitstraße, dessen Pendant laut Stefan Hasselmann in Stuttgart steht und dort unter dem Namen Paulinenbrunnen bekannt ist. „Und dann kommt der Augenblick, an dem der kulturhungrige Tourist einen Moment des Innehaltens braucht. Denn so viel gibt es zu sehen in Weimar, Großes und Kleines, die Straßen und Plätze erzählen ihre Geschichten. Manchmal muss man stillstehen und ihnen lauschen. Der namenlose Platz zwischen Geleitstraße, Rittergasse und Windischenstraße, mitten zwischen Nationaltheater, Markt und Stadtkirche ist ein solcher Ort. Etwa 30 historische Brunnen gibt es in Weimar, dieser hier ist nach Adolf von Donndorf benannt, einem hoch angesehenen Bildhauer, der unter anderem auch das Reiterstandbild von Carl August vor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek schuf. Und die liebevoll gestaltete Figur der Wasser holenden Mutter mit zwei kleinen Kindern passt so ganz zur Leichtigkeit und Freude dieses Platzes“, schreibt er und zeigt bereits beim Einstieg in seine Reise ein Auge fürs Detail sowie eine etwas andere Sicht auf die Stadt.
Blumige Umschreibung eines Ortes
„Aus all den umliegenden Straßen heraus fließt die Fülle des Lebens zum Brunnen, im Sommer haben das Café und die Crêperie Tische und Stühle vor die Fassade gestellt, man serviert aromatische Schlemmereien, auf der niedrigen Mauer sitzen Kinder mit tropfenden Eiswaffeln oder junge Menschen mit Pizzaschachteln, vielleicht hat ein Straßenmusiker seine Gitarre ausgepackt oder eine Kutsche rattert über das dunkle Kopfsteinpflaster. Man steht auf dem Platz, an den Brunnenrand gelehnt, man schaut die Gassen entlang, zu den klassizistischen Fassaden und den kleinen Läden, man überlegt vielleicht, wohin man weiter gehen möchte, und stellt fest: Man möchte noch verweilen an diesem Ort“, lobhudelt Stefan Hasselmann farbenfroh, fast poetisch: „Man ist mittendrin und doch ganz bei sich. Vielleicht scheint die Abendsonne vom Theaterplatz her und hüllt die Statue in weiches Licht. Für einen Moment ist alles vollkommen.“ Neben der blumigen Umschreibung eines Ortes, dem Touristen nicht die größte Aufmerksamkeit schenken, bekommt der Leser Adresse, Ortsmarke zu der im Buchumschlag befindlichen Karte und die ÖPNV-Haltestelle beschrieben, sodass auch niemand fehlgeleitet wird.
Umfangen von einer inspirierenden Stille
Weiter im Programm geht es in Goethes Wohnhaus und Museum am Frauenplan. „Kann ein Museum tatsächlich ein Ort des Glückes sein? Noch dazu, wenn es sich um ein Pflichtprogramm für Bildungsbürger und Abiturienten handelt? Um die Antwort vorwegzunehmen: Oh ja! Denn sobald man die Tür aus dem weißen Treppenhaus in die Ausstellungsräume hinter sich geschlossen hat, ist man umfangen von einer inspirierenden Stille und begegnet dort einem faszinierenden Menschen. Dass dieser schon fast 200 Jahre tot ist, ändert daran wenig.
Das liegt natürlich an dem geistigen Reichtum des Mannes, der Weimar zu der Bedeutung verholfen hat, von der die Stadt seit 250 Jahren zehrt. Doch darüber hinaus ist es den Ausstellungsmachern gelungen, Goethes facettenreiche Vielfalt lebendig und nachspürbar darzustellen. Farblich unterschieden sind sieben Bereiche zu Themen wie Natur, Liebe oder Erinnerung; man schwelgt in der Vielfalt der Exponate, vom Reisepass nach Italien bis zu erotischen Miniaturen und Zeichnungen von Vulkanausbrüchen.“ Der für ein Sachbuch sehr blümerant geschriebene Guide, lässt bei aller Liebe zum Detail Öffnungszeiten und Service-Informationen weg. Was – Internet sei Dank – aber nicht weiter tragisch ist. Ein Tipp garniert jeden „Glücksort“. So heißt es hier: „Der sonst geschlossene Vortragssaal wird auch als Bühne für Konzerte und Theateraufführungen genutzt.“
Wie die Glücksbank zu erreichen ist
Dem Blick in die Weite widmet sich Punkt drei unserer Reise durch Weimar. Auf einer Bank im Park an der Ilm findet Stefan Hasselmann sein Glück. Tipp: „Mit etwas Brot, Käse und Wein spürt man dort den Reichtum der Schlichtheit.“ Und für alle, die nicht genau wissen, wie die Glücksbank zu erreichen ist, folgen, neben ÖPNV-Anbindung, ganz genaue Hinweise für die Reise: „Eingang an der Ackerwand, hinter der Ruine die Treppen hinunter, dann rechts“, heißt es in der Beschreibung, die immer wieder die Überschrift des Buches in den Mittelpunkt rückt.
Genau dort sein, wo man immer hinwollte
„Was ist es, das uns glücklich sein lässt? Meist ist es das Gefühl, genau dort zu sein, wo man immer hinwollte, an einem Ort, der auf uns eingeht, an dem wir uns wiederfinden. Oder aber an einem Ort, der so schlicht ist, so selbstverständlich, dass er uns ganz bei uns sein lässt. Im Park an der Ilm, mit seinen freien Flächen, überraschenden Durchblicken und den kleinen dekorativen Elementen, gibt es einen solchen Ort: Unweit des unscheinbaren Borkenhäuschens, oberhalb des Flusses, steht eine Bank. Nichts als eine Bank, und wer anhand eines Reiseführers die Sehenswürdigkeiten von Stadt und Park abläuft, geleitet von Namen und Jahreszahlen, wird vielleicht an ihr vorbeigehen. Doch gerade das macht den Reiz dieses Ortes aus“, schreibt Stefan Hasselmann, der in Punkt vier das Restaurant „Anno 1900“ in der Geleitstraße in den Fokus rückt.
Die entspannte Seele öffnet den Geist
„Schon beim Betreten des flachen Gebäudes aus weiß gestrichenem Holz fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt: Gerade noch stand man auf der belebten Fußgängerzone oder dem Verkehrsknotenpunkt der Stadt, einen Türschlag später laden gepolsterte Sofas und Sessel ein, den Alltag für eine Stunde oder zwei hinter sich zu lassen… Ananas-Koriander-Salat, Straußenfilet aus der Region oder Zander auf Zuckerschoten-Ragout sind Höhepunkte der Karte, genussvoll kühlt dazu ein frischer Wein den Gaumen, und die entspannte Seele öffnet den Geist zum angeregten Gespräch mit dem eben noch Fremden am Nachbartisch.“
„Glücksorte in und um Weimar“ gibt einen außergewöhnlichen Einblick in die Klassikerstadt. Es folgen Läden, wie die Stadtelster, wo handgefertigter Schmuck feilgeboten wird, das Kleinkunst-Festival „Köstritzer Spiegelzelt“, das Kirms-Krackow-Haus, die „Koriat“ Kuchenmanufaktur, der Künstlergarten und viele weitere Orte, die Weimar zu etwas Besonderem machen. Ebenso wie die Erfurter Ausgabe der Glücksorte gibt der Reiseführer durch Weimar einen bunten Überblick über Orte und Sehenswürdigkeiten. Dabei folgt der Inhalt, neben den üblichen Verdächtigen, zumeist dem Gusto des Autors. Was jedoch gewollt ist und ganz zum Tenor des Buches passt, dass mehr sein will, als eine Ansammlung von Fakten. Ratgeber, Roman und Zeitvertreib – die Glücksortereihe macht Lust auf Reisen zu gehen und zeigt, was Erfurt und Weimar neben der Bratwurst so zu bieten haben.
Hart Facts:
- Mehr zur Glücksorte-Reihe: www.droste-verlag.de