Es ist noch gar nicht so lang her, da galt heiraten als sehr konservativ. Sich für immer an einen Partner binden? Wie spießig – bei der Auswahl, die es heutzutage gibt – globale Vernetzung in Dating-Apps sei dank. Doch offensichtlich ist es gerade die vermeintliche Auswahl, die scheinbare Verfügbarkeit einer unbegrenzten Zahl an potenziellen Partnern, die uns die Sehnsucht nach Verbindlichkeit zurückgegeben hat.
Freie Trauung – Alles aus Liebe
Die Idee der freien Trauung gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Doch was ist das eigentlich, eine „freie“ Trauung? Und warum machen Paare so etwas? Gegenfrage: warum heiraten Menschen überhaupt? Mal abgesehen von steuerlichen Vorteilen gibt es in unserer Kultur keine Verpflichtung dazu. Nun, es geht in erster Linie darum, seine Liebe offen zu zelebrieren, sie sichtbar zu machen. Und auch den Gästen kommt eine Bedeutung zu: durch ihre Anwesenheit zeigen sie die Akzeptanz dieser Verbindung, geben ihren „Segen“.
Kirchliche oder freie Trauung?
Apropos Segen: warum nicht kirchlich heiraten? Dafür gibt es einige Gründe. Fehlende oder unterschiedliche Konfessionen oder schlicht die mangelnde Akzeptanz der Kirche für die individuelle Form der Liebe, die natürlich auch gleichgeschlechtlich sein kann. Im Grunde ist eine freie Trauung eine Zeremonie der persönlichen Gefühle, ohne religiösen Rahmen, mit einer emotionalen Rede statt einer Predigt und mit einem Mittelpunkt: dem Paar selbst und dessen Geschichte.
Das Paar gibt den Ton an
Jede Hochzeit ist eine romantische Biografie und das ist auch gleichzeitig der Vorteil gegenüber der standesamtlichen Trauung: der Fokus liegt einzig und allein auf dem Paar und dessen Vorstellungen, in allen Formulierungen, Abläufen und auch dem Ort der Zeremonie. Vom Einzug über den Stil der Rede und der Einbindung von Gästen und Symbolhandlungen, bis hin zu persönlichen Worten des Paares und dem Auszug – alles bekommt den individuellen Rahmen, der zum Paar passt. Auch die Musik – oft live gesungen – kann von Klassik bis Rock alle Bandbreiten umfassen. Für die rechtliche Verbindlichkeit sind nach wie vor die Standesämter zuständig. Viele Paare wickeln das vor dem zeremoniellen Teil ab. Was bis hierhin sehr organisatorisch klingt, ist in Wirklichkeit aber viel mehr – nicht nur für das Paar, auch für den Redner selbst, der durch die Zeremonie führen darf.
Pure Emotionen
Denn der Feier gehen persönliche Gespräche voraus – sehr persönliche. Trauredner durchleben die Geschichte des Paares durch seine Erzählungen noch einmal, jede Euphorie, aber auch jeden Schmerz. Es geht um Verluste, Ängste und Träume. Es werden Geheimnisse geteilt, die manches Mal auch geheim bleiben – für immer. Es wird geweint und gelacht mit jeder Braut und jedem Bräutigam. Pläne werden geschmiedet – nicht nur A, sondern auch B und sie bestärken in Situationen, in denen die Nerven blank liegen.
Ein unvergessliches Erlebnis
In diesem Job schreibt man zig romantische Biografien jedes Jahr und verbringt hunderte Stunden damit, über die Liebe nachzudenken. Sieht sie durch dutzende Augenpaare in immer neuem Licht. Und doch ist es jedes Mal ergreifend, wenn sich das Paar zum ersten Mal begegnet am Tag seiner Hochzeit. Das ist mit Abstand einer der schönsten Momente. Es folgen viele weitere, in denen die Gäste auf eine Reise durch die Geschichte zweier Menschen mitgenommen werden. Zweier Menschen, die aus Überzeugung „Ja“ zueinander sagen. Wenn dann am Ende die Gläser klirren und die Atmosphäre aufgeladen ist von all den Emotionen, die nun nicht nur das Paar, sondern auch seine Gäste fühlen, dann tritt der Redner die Heimfahrt an – und überlässt das Feiern mit einem seligen Lächeln den anderen.