Das Eine ist, hin und wieder in einem Sterne-Restaurant zu speisen. Das Andere ist es, jeden Tag gut zu essen. Und zwar ebenso lecker wie bezahlbar, gesund wie nachhaltig. „Als wir vor neun Jahren angefangen haben, waren viele skeptisch: Kann sowas gut gehen?“, rekapituliert Thomas Günther, Gründer und Chef der Liebstöckel Tagesbar in Jena. In seinem Restaurant gibt es ein täglich wechselndes Mittagsangebot sowie hervorragenden Kaffee und eine kleine Auswahl an Nachspeisen. Alle Zutaten sind regionaler Herkunft und nach Möglichkeit bio, aber – und darauf bezog sich vor fast zehn Jahren die Skepsis der Beobachter – das Liebstöckel liegt weder im Zentrum, noch ist es von irgendeiner Straße aus gut einsehbar. Die Tagesbar befindet sich recht versteckt im Erdgeschoss der Stadtverwaltung am Anger.
Trotz Randlage gut angenommen
Trotz der Randlage wurde das Restaurant gut angenommen. Ein Blick auf die aktuelle Wochenkarte verrät, warum: „Geschmorte Kalbshaxe mit Porree, Kirschtomaten und Nudeln“, „Gebratenes Zanderfilet, Möhrensauerkraut, Petersilien-Kartoffelstampf“; „Frischer Rosenkohl, Wurzelpetersilie und Möhren in Rahm mit Bratling“, „Geschmorte Rehkeule mit frischem Wirsing und Steinpilz-Kartoffelkloß“ – alles günstiger als die meisten Pizzen bei gleichzeitiger Transparenz, was die Bezugsquellen der Zutaten betrifft. Und, noch wichtiger als günstig und ökologisch korrekt: einfach hinreißend lecker.
Stammgäste fehlen in Zeiten von Corona
„Wir hatten uns ziemlich schnell ziemlich viele Stammgäste erkocht“, rekapituliert Günther stolz und wirkt doch plötzlich nachdenklich: „Sie fehlen uns in Zeiten von Corona.“ Aber nicht, weil es seit der Pandemie existenzbedrohend schlecht liefe – dank fester Vorbestellungen bis 11 Uhr und späterer Abholung funktioniert das Liebstöckel-Konzept selbst im Lockdown –, sondern weil man sich eben nicht mehr sieht, weil man nicht mehr wahrnimmt, wie es den Gästen geht, ob ihnen heute ein Espresso und ein Stückchen Käsekuchen oder eher ein hausgemachter Smoothie gut täte.
Garniert wird mit Liebstöckel und Pfeffer
Das namensgebende Kraut wird zum Garnieren verwendet, genau wie ein, zwei Umdrehungen fruchtige Pfeffermischung, kurz bevor der Mittagsschmaus die Thekenseite wechselt. Gemüsestampf-Variationen und regionale Wild-Spezialitäten sind besonders beliebt, aber das eine Liebstöckel-Gericht gibt es nicht, so Günther. Dafür sind er und sein Team viel zu experimentierfreudig.
Vielleicht folgt bald ein Kochbuch
Wäre nicht bald mal Zeit für ein Liebstöckel-Kochbuch? „Mit der Idee tragen wir uns schon lange“, verrät Günther. „Vielleicht zum 10. Geburtstag nächstes Jahr. Es ist ja nicht so leicht, sowas kostendeckend zu machen.“ Dass dieser Ort so ziemlich das Gegenteil kulinarischer Ketten in der Innenstadt, sondern ein echtes Herzensprojekt ist, merkt man auch an der Inneneinrichtung. Ein großer Raum, modern gestaltet und doch persönlich dekoriert. Man möchte glatt wissen, wer der Innenarchitekt war: „Wir selbst“, sagt Günther fast ein bisschen verlegen. „Mit dem Tischler Uwe Schneider aus Erfurt als kongenialem Partner.“
2019 bekam das Team das Angebot zu expandieren. Schon länger war man jenseits des Mittagsangebots mit regelmäßigen, mehrgängigen Dinner-Events und als Caterer erfolgreich. Nun bot sich die Möglichkeit, in Lobeda, Jenas Plattenbauviertel an der Autobahn, ein weiteres Restaurant zu eröffnen: TIEZ, Zeit Rückwärts, bietet in einem spannenden Neubau feine Weine, feine Speisen und einen Panoramablick auf das etwas andere Jena. Kurz vor dem ersten Lockdown eröffnet, wartet der Geheimtipp nun darauf, endlich richtig loszulegen und die Jenaer abermals noch weiter aus dem Stadtkern herauszulocken: „Wir können es jedenfalls kaum erwarten, zum zweiten Mal Eröffnung zu feiern“, so Günther.
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Hard Facts:
- Wo: Lutherplatz 3 | Jena
- Öffnungszeiten: Mo – Fr | 7.30 – 15.30 Uhr
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