Wer gestern sinnloserweise zur Arbeit oder zum Supermarkt getrottet ist, hat entweder keine Kinder oder hält stoisch an dem Glaubenssatz fest, dass Kindertag ausschließlich am 1. Juni zu feiern ist. Wir in Thüringen haben das Vergnügen, den 20. September als Feiertag auf der Couch zu verbringen, um endlich stumpf die ganzen längst überfälligen Film- und Serienformate unzählbar vieler Streamingdienste zu konsumieren. Es sei denn, euer kleiner Trickbetrug im Family-Account bei Netflix und Co. ist inzwischen aufgeflogen und ihr müsst nun mit den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender liebäugeln. Schlecht sind die auch nicht und für arte.tv mache ich gerne unbezahlte Werbung.
Warum feiern wir eigentlich zwei Kindertage?
Doch zurück zum Thema. Warum feiern wir eigentlich zweimal Kindertag im Jahr und was steckt überhaupt dahinter? Im Jahr 1954 beschlossen die Vereinten Nationen bei ihrer 9. Vollversammlung einen internationalen Tag für Kinder einzurichten. Im Anschluss empfahl das Kinderhilfswerk Unicef den 20. September als „Weltkindertag“ einzurichten, woran sich heute über 145 Länder weltweit halten. An dem Tag geht es weniger darum, den Kindern mit Süßkram, E-Scootern oder dem neusten iPhone ein bisschen Liebe abzukaufen. Es geht vielmehr darum, den Fokus auf die Bedürfnisse und Rechte der Kinder zu legen. Ähnlich verhält es sich schließlich auch mit dem Frauen- und Männertag, bei denen im ersten Fall für Gleichberechtigung und im zweiten Fall für Alkoholismus auf die Straße gegangen wird.
Kinder brauchen mehr Lobby
Das wir auch am 1. Juni Kindertag feiern, hat mit unserer Geschichte zu tun. Die sozialistischen Länder im Osten Europas und in Asien haben sich schon 1950 darauf geeinigt, den 1. Juni als internationalen Kindertag zu feiern. Selbst die USA hat sich seltsamerweise diesem Plan angeschlossen. Und so wurde auch in der ehemaligen DDR der Kindertag jedes Jahr mit großen Festen und Veranstaltungen gefeiert. Das war zwar immer ein großer Spaß, aber meist leider nur für einen Tag. Die allgemeine Situation von Kindern hat sich heute nur langsam und punktuell verbessert. Die Lobby von Kindern ist halt wesentlich kleiner als die von Gewerkschaften und Automobilkonzernen. Dabei gibt es nach dem Statistischen Bundesamt über 13 Millionen Minderjährige in Deutschland, während laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in der Automobilindustrie (inklusive aller Zulieferfirmen) circa 823.000 Menschen arbeiten. Doch Kinder haben meistens wenig Kapital, zahlen keine Steuern und dürfen auch nicht wählen, was sie für jedweden Lobbyismus uninteressant macht.
Und so wurde 1989 die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Heute zählt diese zu den meist unterzeichneten Menschenrechtsverträgen, da sie von allen UN-Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme der USA – unterzeichnet wurden. Wer zur Geschichte und zu den Kinderrechten mehr erfahren möchte, kann gerne die Webseite des „Plan International Deutschland e.V.“ besuchen. Da gibt es viele Infos, die mit unkomplizierten Worten zusammengetragen wurden.
Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte
Die UN-Kinderrechtskonvention gilt weltweit und besteht aus 54 Artikeln. Damit sollen Kinder eine Chance auf ein gerechtes und geschütztes Leben erhalten. Thematisch lassen sich die Kinderrechte in drei Gruppen unterteilen: die Schutzrechte, Förderungsrechte und Beteiligungsrechte.
Kinder haben ein Recht auf Medien
So sollen Kinder vor jeglicher Form von Gewalt und Ausbeutung geschützt werden, Grundbedürfnisse wie Gesundheit, Ernährung und Bildung gewährleistet werden und die Möglichkeit erhalten, ihre Meinung zu äußern, sich an wichtigen Entscheidungen beteiligen zu können. Hierzu zählt auch der in Artikel 17 festgeschriebene „Zugang zu Medien“ und „Kinder- und Jugendschutz“. Kinder haben ein Recht darauf, Medien zu nutzen. Analoge und digitale Medien können unter anderem Lernprozesse vereinfachen, verschiedenste Formen von Spielen und Ausprobieren ermöglichen, soziale Interaktion verstärken und die individuelle Lebenswelt bereichern. Sie können aber auch Angst machen, verunsichern und gefährlich sein, da gerade auch Menschen mit finsteren Absichten digital näher an Kinder, Jugendliche und schließlich auch an uns alle heranrücken. Deshalb müssen wir Kindern und Jugendlichen einen sicheren Umgang mit Medien beibringen. Sowohl in der Schule, als auch zu Hause. Ein Verbot von Medien verstößt damit gegen die Kinderrechtskonvention und verlagert Probleme nur auf einen späteren und im schlimmsten Fall unbegleiteten Zeitpunkt.
Weiterhin müssen neben den Eltern auch die Plattformen und der Staat sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche geschützte Räume finden und dass es besondere Medienangebote für die junge Zielgruppe gibt. Bei Plattformen wie Google, Meta und TikTok sind hier schon erste Fortschritte zu erkennen (z. B. YouTube Kids), jedoch gibt es da noch einiges an Luft nach oben. Die öffentlich-rechtlichen Kanäle warten da schon mit qualitativeren Formaten auf. So können wir die Sendung mit der Maus oder dem Elefanten nicht nur im Fernsehen, sondern auch in der Mediathek und als App konsumieren. Die Webseite seitenstark.de listet kindgerechte Inhalte auf und die Suchmaschinen fragfinn.de und blinde-kuh.de sind die weitaus geeigneteren Alternativen zu Google, während der KIKA mit der Sendung logo! Nachrichten im kindgerechten Format liefert. Wer gemeinsam in der Familie Grundlagen im Umgang mit digitalen Medien lernen möchte, dem sei das internet-abc.de empfohlen. Es gibt noch viele weitere tolle Angebote für Kinder und Jugendliche. Nutzt diese gerne noch intensiver. Ihr zahlt sie mit euren Steuern und GEZ-Beiträgen doch eh schon mit.
Als freiberuflicher Pädagoge schult der Erfurter Kay Albrecht die unterschiedlichsten Zielgruppen medienpädagogisch. Regelmäßig klärt Kay in seiner Kolumne im t.akt über Medienphänomene auf, um kritische Zugänge zu den alltäglichen Herausforderungen der medial geprägten Lebenswelt zu legen.
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