Das ist nicht nur was für Radsportfreunde. Dieses Jahr findet die Steher und Derny Europameisterschaft auf der ältesten noch betriebenen Radrennbahn der Welt – in Erfurt statt.
Wir sprachen mit dem Lokalmatador Franz Schiewer über das Steherrennen, echtes Teamwork und die beeindruckenden La Ola-Applaus-Wellen in Erfurt.
Wenn man Steherrennen liest, dämmert es vielleicht bei einigen, aber für diejenigen, die den Radsport nicht kennen, erklären wir mal kurz, um was es dabei geht: Bei der Traditionssportart fährt ein Fahrer ein umgebautes Motorrad im Stehen, während ein Radfahrer in dem Windschatten in die Pedale tritt. Und das nicht gerade langsam – bis zu 80 km/h und mehr wird dabei erreicht. Der Motorradfahrer oder auch Schrittmacher genannt, muss dabei das ideale Tempo für den Radfahrer, den sogenannten Steher, fahren. Ansonsten verausgabt er sich und das Team verliert das Rennen. Als wäre das nicht schon schwer genug, befindet man sich auch noch mit zahlreichen Konkurrenten auf der Radrennbahn. Bei einem Derny-Rennen ist es dasselbe Prinzip mit einem leichteren Motorrad bis 100 ccm.
Nicht gerade „die“ typische Sportart
Wie bist du gerade zu dieser Sportart gekommen?
Eigentlich dadurch, dass mich mein Schrittmacher bei einem Rennen auf der Straße direkt angesprochen hat. Er hat gefragt, ob ich das nicht einfach mal ausprobieren will. Dann haben wir mal eine Trainingsrunde gedreht und es lief gar nicht so schlecht. Kurz darauf sind wir zu Rennen angetreten und sind im Jahr 2015, glaube ich, gleich Vizemeister geworden. Aber beim Training hat es dann schon so viel Spaß gemacht, dass ich ab dem Zeitpunkt angefixt war und keinen Grund gesehen habe, mit dem Sport wieder aufzuhören.
Das ist ja nicht der typische Sport, der bei Jugendlichen auf Platz 1 der Lieblingssportarten steht.
Nein auf keinen Fall. Ich habe das auch jahrelang eher nicht betrieben. Aber dadurch, dass der Sport in meiner Heimat, wie auch in Erfurt, eine gewisse Tradition hat, kommt man automatisch mit Steherrennen in Kontakt. Allerdings war es nie mein Plan irgendwann mal Steherrennen zu fahren. Später findest du dich dann hinter dem Motorrad wieder und dann ist es geschehen.
Kannst du uns, für diejenigen, die Steherrennen nicht kennen, erklären, wie so ein Wettkampf abläuft?
Zur EM werden zwei Qualifikationsläufe über 25 km gemacht. Da kommen jeweils die ersten vier Teams weiter und treten dann, in dem entsprechenden Finale gegeneinander an. So banal wie es auch klingt, im Endeffekt geht es darum, wer als Erster nach einer Stunde über die Ziellinie fährt. Das Rennen selbst ist eine große taktische Angelegenheit. Kopfloses Fahren geht da nicht. Generell ist der Schrittmacher der Kopf des Teams, der uns Sportler steuert. Daher ist es auch wichtig, dass der Schrittmacher die Leistung seinen Fahrer genau einschätzen kann. Er muss das Rennen so gestalten, dass wir uns, als Fahrer, nicht kaputt fahren. Im Rennen gibt es viele Angriffe, die man entweder gut abwehren oder gut fahren muss. Letztendlich ist es, wie ein Radrennen nur mit höheren Geschwindigkeiten und spannenderen Duellen.
Erfurt und die La Ola-Applaus-Wellen
Jetzt hast du die Möglichkeit, den dritten deutschen Titel hintereinander zu holen und das auf deiner Heimatstrecke in Erfurt. Wie fühlt sich das an? Hast du ein gutes Gefühl?
Ja. Der Vorteil von der Heimbahn ist, dass ich hoffentlich zwei bis zweieinhalb tausend Leute in meinem Rücken habe, die mich, beziehungsweise uns anfeuern und unterstützen werden. Die Stimmung in Erfurt ist wirklich immer besonders. Das ist wie eine La Ola-Welle von Applaus, die mit dir um die Bahn rumgeht. Das motiviert natürlich.
Was erwartet denn die Zuschauer an dem Wettkampfwochenende in Erfurt?
Zum einen eine gute Stimmung. Erfurt ist eine Stadt, die sich gerade mit dem Radsport sehr identifiziert hat. Sei es nun auf der Straße im Profibereich mit Marcel Kittel und ähnlichen Kalibern oder sei es im Sprintbereich auf der Bahn. In den Letzten Jahren hat das Erfurter Publikum gezeigt, dass es den Sport liebt. Es kommen auch immer mehr Familien zu den Rennen, weil es eben auch tolle Kinderunterhaltung gibt und die Fans uns so nah, wie auf keiner anderen Bahn kommen. Auf der anderen Seite wird es in diesem Jahr extrem spannend. Das es das deutsche Team in der Hand hat, den Titel in Deutschland zu behalten. Aber auch allein das Rennen am Samstag ist etwas Besonderes, da über eine Stunde nicht oft gefahren wird. Da kann man den Einen oder Anderen Sportler mal richtig leiden sehen -aber hoffentlich nicht mich.
Es wird also ein wirklich aufregendes und spannendes Rennen für die ganze Familie. Also kommt bitte vorbei – so viele Leute, wie möglich! Auch Diejenigen, die noch nicht bei einem Rennen waren, sollen kommen. Es wird euch sehr schnell mitreißen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für eine hammer Stimmung in Erfurt ist.
In diesem Sinne – ab zur Radrennbahn Andreasried!
07. -08. September, ab 13 Uhr
Radrennbahn Andreasried
Fotos: VIADATA Photo | Holger John