Sichtbarkeit, Vielfalt und Respekt: Ein Insta-Video aus Erfurt trifft in der Clubszene einen wunden Punkt. Ein Insta-Video sorgt für Gesprächsstoff: Die DJ Karla aus Thüringen zeigt, wie ein diverses Line-up Clubs verändert – und fordert mehr Einsatz
„Hi, ich bin Karla und ich bin sauer!“
Traurig, aber wahr: Wir sind im Kulturbereich noch weit von Gleichberechtigung entfernt. Künstlerinnen werden weniger gesehen, zu Wort gebeten und schlechter bezahlt. Damit sich das ändert, ist aufstehen und laut sein angesagt. Klare Ansagen. Klare Botschaften. Genau das beherzigte vor Kurzem „Radikarlaaa“. Die Thüringer DJ sorgte mit einem Video bei Instagram für Aufsehen, in dem sie anspricht, was leider immer wieder angesprochen werden muss: Es braucht mehr Gleichberechtigung.
Ein Insta-Post aus Erfurt trifft die Szene ins Herz
In diesem Fall geht es um mehr Diversität in den Line-ups von Techno-Veranstaltungen, Raves, Disco-Partys oder ganz allgemein: Tanzveranstaltungen. Karla, die seit über zwei Jahren House und Downtempo in den einschlägigen Clubs in Thüringen auflegt, macht sich in ihrem Video Luft und trifft damit einen Nerv.
„Heute lernen wir, wie wir weibliche DJs finden …“
Sie spricht Veranstaltende direkt an und macht eine Art Erklär-Beitrag: „Hi, ich bin Karla und ich bin sauer. Und weil etwas kaputt schlagen keine Option ist, gibt es dieses Video“, startet die DJ den Post. Und weiter: „heute lernen wir, wie wir weibliche DJs finden …“ In der Folge stellt sie klar, warum es wichtig ist, ein diverses Line-up zu haben.
Sichtbarkeit für FLINTA*: DJ aus Thüringen wird laut
Ihre Botschaft zusammengefasst: Ein diverses Line-up bei Raves und Partys ist entscheidend, da es Repräsentation und Inklusion fördert, indem es die Vielfalt des Publikums widerspiegelt und Barrieren abbaut. Zudem bereichert es die Szene durch neue künstlerische Perspektiven und Sounds, die aus unterschiedlichen Hintergründen stammen. Schließlich tragen vielfältige Line-ups zu einer positiveren, respektvolleren Atmosphäre bei und sind ein Zeichen für die soziale Verantwortung der Veranstaltenden.
Diversität in Clubs: DJ Karla sendet klare Botschaft
Es geht dabei um die Gestaltung einer zukunftsfähigen Szene. Denn eine diverse und inklusive Szene ist widerstands- und zukunftsfähiger, da sie ein breiteres Publikum anspricht und neue Generationen von „Künstler:innen und Partygänger:innen“ inspiriert. Doch was war der Auslöser für das Statement?
Barrieren für Care-Arbeit sichtbar machen: Erfurter Künstlerin kritisiert Kunstwelt
Laut Karla kamen da einige Dinge zusammen: „Im Rahmen der Planung für die freie Kulturkarawane (FKK) in Erfurt kontaktierte uns ein anderes DJ-Kollektiv mit der Bitte, die Wagenreihung zu tauschen. Unser Wagen stand an erster Position. Die Anfrage hatte jedoch nichts mit politischer Sichtbarkeit zu tun – es ging ihnen lediglich um die Außenwirkung, da sie der Wagen mit dem größten Zulauf sind.“
FLINTA*-Perspektiven fehlen auf Partys in Thüringen
Das war der erste Moment, der Karla extrem wütend machte, denn der Wagen, den die DJ mitorganisiert, stehe für eine klare politische Botschaft: Sichtbarkeit von FLINTA*-Personen in der Kulturszene. „Wir haben ein reines FLINTA*-Line-up und eine Drag Show geplant – das Thema ist für uns zentral“, sagt Karla.
Erfurter DJ spricht Klartext über Booking-Problem
Am nächsten Tag wurde ihr dann das Line-up der Soli-Party für die FKK in ihrer Instagram-Timeline gespült. Fast ausschließlich männlich besetzt – „soweit ich mich erinnere, war nur eine Frau dabei. Das war der Punkt, an dem meine Wut überlief. Ich fühlte mich ohnmächtig angesichts dieser Ungerechtigkeit.“
Karla wollte das nicht einfach hinnehmen, sondern dem Ganzen Raum geben und sichtbar machen, was viele FLINTA*-Personen regelmäßig erleben. „Wie ich im Video sagte: Diese Rückfragen wie ‚Kennst du eine andere FLINTA*-Person, wenn du nicht kannst?‘ zeigen, wie oft man nur als Quotenfrau angefragt wird – und das ist frustrierend.“
Karla aus Erfurt kritisiert männerdominierte Line-ups
Solche Situationen kenne die DJ gut – und viele FLINTA*-DJs berichten Ähnliches. Man bekommt eine Anfrage, kann nicht, und wird dann gebeten, „eine andere FLINTA-Person“ zu empfehlen. „Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Wer eine Party plant, ist selbst dafür verantwortlich, das Line-up zu kuratieren und passende Künstler*innen zu finden. Ich bezweifle, dass männliche DJs solche Nachfragen je bekommen“, sagt die Künstlerin.
„Wer wir sind“: Erfurt diskutiert das weibliche Altern ohne Klischees
Deshalb wollte sie mit ihrem Video ein kleines „How-to“ skizzieren: einfache Schritte, wie sich Veranstalter besser mit FLINTA*-DJs vernetzen können. Oft reicht es demnach aus, sich umzuschauen, in Kollektiven zu stöbern, sich durch Club-Accounts zu klicken. „Support beginnt im Kleinen – etwa, indem man FLINTA*-DJs früh fördert, ihnen Räume bietet oder sie einfach mitdenkt“, laut der DJ braucht es da gerade am Anfang Rückhalt, damit sich die Musiker:innen trauen.
„Ja, es bedeutet mehr Aufwand – aber es lohnt sich“
Dass oft Männer entscheiden, die sich weit weniger mit Diskriminierung beschäftigen müssen als FLINTA*Personen, erschwert die Sichtbarkeit weiter. „Dabei geht es nicht darum, irgendwen zu buchen – sondern darum, bewusst zu suchen, wer zum Sound passt. Ich selbst habe mal ein reines Männer-Line-up mitgestaltet – und dafür zu Recht Kritik bekommen. Seitdem mache ich es anders. Ja, es bedeutet mehr Aufwand – aber es lohnt sich.“
FLINTA*-Perspektiven fehlen auf Partys in Thüringen
Karla ist es wichtig die Realität von FLINTA*-DJs sichtbar zu machen – eine Realität, die sich deutlich von der männlicher Kollegen unterscheidet. Aussagen wie „Der Sound zählt, nicht das Geschlecht“ klingen gut, blenden aber strukturelle Ungleichheiten aus, sagt sie. „Denn obwohl viele FLINTA*-Personen den gleichen Sound liefern, stehen auf Line-ups meist fast nur Männer. Es fehlt oft an Reflexion – auch in Szenen, die sich selbst als progressiv verstehen.“
Café Nilo wird zum Club: Rave-Brunch in Erfurt bringt Bass, Vielfalt und Begegnung
Hinter den Kulissen gab es ein Gespräch mit der FKK. Denn es ging ihr nie darum, öffentlich Schaden anzurichten. Aber die DJ ist froh, dass das Line-up nach dem Video angepasst wurde. „Viele Verantwortliche – und da muss ich nicht gendern – denken beim Buchen nicht darüber nach, wem sie eine Bühne geben. Genau darum ging es.“
Diversität auf der Bühne: Thüringen hört Karla zu
Ein diverses Line-up bringt ein diverses Publikum. Das beobachtet nicht nur Karla. Immer wieder zeige sich: Je vielfältiger das Line-up, desto wohler fühlen sich Menschen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen. „Besonders deutlich wird das, wenn viele FLINTA*-Personen auf dem Line-up stehen – dann kommen auch mehr FLINTA*-Personen ins Publikum. Überwiegen Männer auf der Bühne, ist der Club meist auch überwiegend männlich besucht.“
DJ Karla aus Thüringen bricht das Schweigen im Club
Natürlich ziehen manche Genres tendenziell mehr Männer an – trotzdem beeinflusse die Auswahl der Acts das Publikum spürbar, sagt die DJ. Denn ein diverses Publikum verändert den Raum: Sexistische Übergriffe und grenzüberschreitendes Verhalten nehmen ab, aggressive Situationen und Diskriminierung kommen seltener vor. Die Atmosphäre wird entspannter. Und wie Karla betont: „Sichtbarkeit auf der Bühne bedeutet Sichtbarkeit für marginalisierte Gruppen – und schafft Räume, in denen sich mehr Menschen sicher und willkommen fühlen.“
