Alarmsignal aus Celle machen politischen Deutschpunk. Die Texte beinhalten viel Herz, viel Wut und jede Menge Mut. Am 30. September steht die Band in Mühlhausen als Headliner der Veranstaltung „Aufmucken gegen Rechts“ auf der Bühne. Mit Sänger und Bassist Steff sprach ich im Voraus über Veränderungen in der DeutschpunkSzene, die Pläne der Band für die nächsten Monate und warum das Konzert in Mühlhausen etwas Besonderes ist.
Was müssen wir auf jeden Fall über Alarmsignal wissen?
Oh, da gäbe es so einiges. Wir haben als völlig ahnungsloser Haufen angefangen, einfach um der Langeweile in unserer tristen Kleinstadt etwas entgegenzusetzen. Eigentlich hatten wir das Ziel, einfach nur ein Album zu machen, aber irgendwie entwickelte das dann alles eine anfangs nicht absehbare Eigendynamik. Konzertanfragen häuften sich, die Läden wurden größer, wir ein kleines Stück professioneller und mittlerweile haben wir tatsächlich acht Alben in unserer Diskographie und so viel erlebt, dass das den Rahmen dieses Fragenkataloges sprengen würde. Wir könnten ein ganzes Buch darüber schreiben. Das Wichtigste, was Menschen über uns wissen sollten ist, dass wir stets versuchen, eine korrekte Band zu sein und wir den Anspruch haben, Missstände innerhalb und außerhalb unserer Szene, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, also mit Musik, Texten und Ansagen, zumindest ein kleinstes Stück zu verändern. Inwieweit uns das gelingt oder bereits gelungen ist, müssen natürlich andere entscheiden.
Euch als Band gibt es seit mittlerweile 22 Jahren. Ich denke, es gibt kaum jemanden in der Deutschpunk-Szene, dem Alarmsignal kein Begriff ist. Wie hat sich die Szene in diesen 22 Jahren verändert?
Da “die Szene“ so groß ist, lässt sich das pauschal schwer beantworten. Aber dieses „Punk als optisches Statement mit Iro und klassischem Punkoutfit nach außen tragen“ ist irgendwie weniger geworden. Vielleicht, weil Punk als Bürgerschreck in der heutigen Zeit nicht mehr ganz so gut funktioniert wie damals. Musikalisch hat sich auch vieles verändert. Musste es früher oftmals rau und ungestüm sein, kann Punk heute schon mal mit mehr Gefühl oder fetteren Produktionen um die Ecke kommen. Und früher war auch mehr „No Future“ und “Scheißegal-Attitüde“. Heute macht Punk sich viel mehr Gedanken, was ich gut finde. Sich Gedanken zu machen, sich (und die Szene) auch mal kritisch zu hinterfragen, Umstände nicht mit der Ausrede so zu belassen, dass sie ja schon immer so waren, all das beugt dem Stillstand vor.
Anfang des Jahres erschien euer achtes Studioalbum. Es klingt anders, nachdenklicher als die Alben zuvor. Wie kam es dazu und was waren eure Einflüsse?
Unsere Einflüsse sind die Welt vor unserer Tür. Das, was wir um uns herum alles erleben und daraus resultierend das, was die äußeren Umstände alles in unserer inneren Gefühlswelt bewegen. Das Verarbeiten der ganzen Eindrücke, der innere Kampf mit gewissen Umständen. Es gibt Platten von uns, die klingen unglaublich wütend, weil wir zum Zeitpunkt des Songwritings wütend waren. Es gibt Platten, die klingen etwas resignierter und welche, die klingen kämpferischer. Eine Platte ist also immer ein Spiegel dessen, wie wir uns im Entstehungsprozess dieser Platte gefühlt haben. Während den letzten zwei bis drei Alben regierte bei uns mehr die Nachdenklichkeit und die aktuelle Platte ist zudem noch sehr viel persönlicher und lässt tiefer blicken als alle Platten zuvor. Quasi der Spiegel unsere aktuellen, inneren Gefühlswelt.
Ihr behandelt in euren Songs Themen, die einem im Deutschpunk eher seltener begegnen. Erfordert das Mut?
Anfangs ja, denn als wir in diese Szene kamen, war alles um uns herum so hart und so abgeklärt. Gefühle zu zeigen, galt als Zeichen von Schwäche und wer Gefühle zeigte, machte sich angreifbar und wurde oftmals als Weichei oder Hippie verlacht. Es dauerte aber nicht lange, bis uns diese ganze harte Punkcoolness scheißegal war – was auch gut war. Denn über eigene Gefühle und Probleme zu singen, wirkt zum einen befreiend und wie ein Ventil und zum anderen baut es Menschen auf, die ähnlich empfinden oder mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Klingt vielleicht komisch, ist aber so!
Ihr habt im Sommer auf wahnsinnig vielen Festivals gespielt. Wie geht’s für den Rest des Jahres weiter? Habt ihr sogar schon Pläne für 2023?
Ja, tatsächlich. Wir waren dieses Jahr viel unterwegs und es stehen sogar noch etwa 20 Konzerte für den Rest des Jahres an. 2023 werden wir zwar auch wieder viele Festivals mitnehmen, aber es wird nur sieben Indoor-Shows geben. Ab Herbst 2023 werden wir dann komplett runterfahren und uns neuen Songs widmen.
Welcher Gig während eurer 22jährigen Bandgeschichte ist euch besonders im Kopf geblieben und warum?
Jeder Gig hat tatsächlich ein eigene Geschichte, weshalb ich keinen hervorheben würde. Obwohl, etwas besonders und anders als andere Konzerte, war natürlich der diesjährige Auftritt beim „Rock am Berg“-Festival. Auch wenn es etwas chaotisch war, aber dass wir beim jeden zweiten oder dritten Song eine:n Gastsänger:in mit einbinden konnten, war schon außergewöhnlich und geil.
Am 30. September spielt ihr als Headliner beim diesjährigen „Aufmucken gegen Rechts“ in Mühlhausen. Mühlhausen ist ja nun eine eher kleinere Stadt – ist der Auftritt trotzdem etwas Besonderes für euch?
In Kombination mit dem Motto auf alle Fälle. Wir finden es immer wichtig, solche Statements in Kleinstädten zu setzen und wissen, dass sie dort auch eine andere Wirkung haben als in Großstädten. Für Mühlhausen schätzen wir diese Veranstaltung deshalb als ungeheuer wichtig und wertvoll ein und hoffen, dass sie weite Kreise zieht und vielleicht sogar ein paar politisch ungefestigte Kleinstadtkids in die richtige Richtung lenkt.
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
Liebe!
Hard Facts:
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