„Ihr macht wirklich geile Klöße – kann man ja mal sagen“
Romano ist ein Phänomen. Lange blonde Haare, geflochtene Zöpfe und Indianerkrone – der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Roman Geike heißt, trifft mit seinen Hip-Hop-Beats den Nerv der Zeit. Im September veröffentlichte er sein zweites Album „Copyshop“. Auf seiner dazugehörigen Deutschlandtournee kehrt er auch im Erfurter Club Kalif Storch ein und will den Thüringern zeigen, warum die Welt ein Copyshop ist. Wir haben mit ihm über Thüringer Spezialitäten, Inspiration und seine Mutti gesprochen.
Du hast eine bewegte Vergangenheit. Hip-Hop, Metal, Drum ’n‘ Bass, Schlager – Du hast alles bereits ausprobiert. Wo fühlst Du Dich heimisch?
Schwierig zu sagen. Ich bin ja Wendekind. Als die Mauer gefallen ist, sind auf mich viele neue Eindrücke eingeprasselt. Die DDR gab’s nicht mehr. Gleichzeitig war der Westen noch nicht im Osten angekommen. Es war eine Phase der totalen Anarchie – gerade hier, in Berlin. Da habe ich die verschiedensten Musikrichtungen kennengelernt. Ein guter Freund namens Erik war zu dieser Zeit DJ und hat mich durch die Clubs gezogen. So lernte ich die Technobewegung Anfang der 90er kennen.
Gleichzeitig versorgte mich Hendrik, ein anderer Freund, mit den ersten Metal-Kassetten. In der Schule war dann Hip-Hop-Business angesagt. Durch diese ganzen Einflüsse hab ich ein breites Spektrum an Musikgeschmack. Ich will mich da nicht festlegen, weil ich an vielen Dingen Freude habe.
Du hörst Musik in allen Farben des Regenbogens?
Genau. Unterschiedliche Dinge gefallen mir einfach. Hip-Hop, Schlager, Drum ’n‘ Base, Crossover – wenn man jedes Projekt, das ich bis jetzt gemacht habe als einzelne Schiffe auf dem Meer sieht, dann haben diese Musikschiffe alle im Projekt Romano einen gemeinsamen Hafen gefunden – den Romano-Hafen.
Dein aktuelles Album heißt Copyshop, so wie die erste ausgekoppelte Single. Worum geht es in dem Song?
Ich habe mit meinen Jungs zusammengesessen – mit meinem Produzenten Siriusmo und Jakob Grunert, dem Regisseur. Und wir sprachen darüber, dass ich im Copyshop gearbeitet habe und mir kam dann der Gedanke: Was ist eigentlich der Copyshop? Zuerst fing ich klein an und überlegte, was ich dort erlebt habe. Dann wurde mir bewusst: Die Welt ist ein Copyshop.
Die Frage ist: Was ist Kopie, was Original? Manchmal sind wir uns so sicher, dass wir das Original kennen und dann stellt sich raus, dass es das schon vorher gab. Wenn man die Möglichkeit hat und sich einen ganz teuren Monet für Millionen von Euro kauft und dann feststellt, dass der nicht echt ist, verliert er plötzlich an Wert. Aber trotzdem hat man sich das Bild ja gekauft, weil man es schön fand. Ich stelle in Copyshop die Wertigkeiten infrage.
Hört man da Gesellschaftskritik heraus?
Es ist eine Feststellung, die ich aufzeige. Ich will den Hörer an einer friedlichen Diskussion beteiligen, zu überlegen, wo kommt was genau her? Gerade im Hip-Hop, bei dem es um Realness geht, sampled man viel. Und plötzlich stellt man bei einem Lied fest, dass ein Sample aus den 70ern oder 80ern stammt – beispielsweise von James Brown. Dann schaut man, wo James Brown seine Einflüsse herhat und landet irgendwann beim Blues. Es ist ein nicht endender Kreislauf. Verrückt!
Du triffst mit Deinem Elektrobeat-Hip-Hop scheinbar den Nerv der Zeit. Wer baut Deine Beats? Machst Du alles selbst?
Die Beats und die Produktion macht mein Freund Siriusmo (Mo), er kommt auch aus Köpenick – wie ich. Wir haben uns 1996 bei einem Schulprojekt kennengelernt und die Freundschaft ist seitdem nicht abgerissen. Ich habe bei Produktionen von ihm mitgesungen. Irgendwann drehten wir für sein Album eine Single, da hat Jakob Grunert die Regie geführt. Die Arbeit mit den beiden hat so viel Spaß gemacht, dass mich die zwei ein paar Monate später angerufen haben und fragten: „Sag mal, wollen wir nicht ein gemeinsames Projekt machen?“ Und so ist Romano entstanden.
Ich schreibe maßgeblich die Texte, bin für Gesang und Performance zuständig. Mo macht die Beats. Jakob ist Ideengeber und auch Regisseur der Videos. Wir sind ein super Team. Mo kommt ja aus dem Elektronikbereich. Für mich ist er wirklich etwas Besonderes, weil er nicht nach jedem Trend geht, sondern einfach kuckt, was ihm selbst gefällt. Das macht Spaß.
Zurück zu den Liedern auf Deinem neuen Album. Da gibt es einen Song namens Mutti. Handelt er von Deiner Mutter und wie findet sie eigentlich Deine Musik?
(lacht) Mutti ist stolz auf mich. Mutti ist ein Wirbelwind. Mutti muss man eigentlich ab und zu an die Kette nehmen. Mutti ist immer mal wieder ein bisschen doll, aber liebenswert. Die Grundaussage ist: die große Liebe zur Mutti.
Trotz der Dinge, die andere vielleicht als Fehler sehen, seh‘ ich das als ’ne tolle Sache bei ihr. Mutti singt im Kirchenchor. Mutti kann nicht besonders gut kochen. Mutti fährt auch gerne mal im Slalom durch Berlin und geht gern zum Pferderennen nach Hoppegarten. Ich hab da ein paar Sachen aus dem Leben raus gegriffen und ihr einen Song verpasst.
Das Einzige, was sie mich zum Songtext gefragt hat: „Wer hat die dicksten Eier? Ich hab doch gar keine Eier.“ Da sagte ich: „Mutti, das ist doch bloß ein Synonym für: Du bist geil drauf, du hast die Hosen an.“ Das fand sie super und hat den Song abgenickt. Mir war wichtig, dass Mutti ihn auch gut findet. Ich bin sehr froh drüber. Mutti ist ’ne tolle Frau.
Deine Mutti ist sicherlich Inspiration für Dich. Und wo wir gerade bei Inspiration sind: Normalerweise lassen sich Klischee-Rapper von dicken Autos, Frauen mit großen Brüsten und Geld inspirieren. Du singst überhaupt nicht über derlei Themen. Warum? Was inspiriert Dich?
Weil ich so etwas sehr, sehr langweilig finden. Das Geld wegzustapeln und die ganze Zeit nur über Frauen und geleaste Autos zu rappen, ist für mich eintönig. Es wiederholt sich. Es passiert nichts. Ich ziehe meine Energie lieber aus den Alltagssituationen. Das kann ein Gespräch mit der Postfrau sein, ein Besuch im Copyshop. Das kann alles Mögliche sein.
Wenn man mit wachem Blick durch die Straßen läuft, dann entdeckt man auch in den kleinen Gassen Situationen, über die man schreiben kann. Das Leben bietet genug Möglichkeiten. Das kommt bei mir sehr aus den Alltäglichkeiten und dem Blick fürs Detail.
Wo wir beim Blick fürs Detail sind. Du hast auch spezielle Details an Dir, trägst geflochtene Zöpfe, manchmal auch eine Federkrone. Bist Du ein Indianer?
Ja. Ich bin Indianer. In der Schule gab es immer die Frage, wer ist Cowboy und wer Indianer? Und ich war immer eher Indianer. Ich bin ein Großstadtindianer!
Indianer sein, heißt für mich, Verbundenheit mit der Natur. In einer Welt, die nur nach Wachstum strebt. Wo es immer um höher und weiter geht, muss man sehen, dass man die Natur nicht ganz vergisst. Die Natur ist das, was immer da ist, was uns umgibt. Und der Mensch kann sich davon nicht abwenden. Wir sind Teil der Natur. Wenn der Mensch sich über die Natur stellt, besteht die Gefahr, dass er diesen Kampf verliert. Deswegen bin ich mit der Natur. Der Gedanke des Indianers ist da der passende.
Thema: Natur. Davon haben wir in Thüringen viel. Im Oktober trittst Du hier auf. Warst Du hier schon mal? Kennst Du Thüringen?
Ich war schon in Erfurt. Ein Bekannter von mir betreibt das Goldhorn, einen Club in Leipzig. Und ein Teil seiner Freunde sind nach Erfurt gezogen; deshalb haben wir dort mal eine Party geschmissen. Ich weiß nicht mehr auf welchem Gelände, aber das war ein Mega-Ding, eine spaßige Sportveranstaltung – das Klappradrennen des Todes. Das hab ich als ’ne geile Feier in Erinnerung.
Außerdem kommt meine Verwandtschaft väterlicherseits zum Großteil aus Gera. Gerade in meiner Kindheit hab ich dort viel Zeit verbracht. Da war ich sehr, sehr oft.
Du hast vorhin erwähnt, dass Romano ein Projekt ist. Wie viel von Dir steckt in Romano?
Das lässt sich ganz, ganz schwer raus filtern. Als Romano entstanden ist, hat Jakob zu mir gesagt: „Roman, lass uns das Projekt auf Deutsch machen.“ Ich sagte dann: „Krass, Deutsch? Okay.“ Da meinte er: „Schreib Texte. Lass die Leute so nah ran, wie du möchtest. Du entscheidest.“ Also hab ich die Texte geschrieben und war erstaunt, wie nah ich die Leute in meine Seele lasse. Das war faszinierend.
Definitiv sind die Zuhörer ganz nah dran bei mir. Ich rappe von Alltäglichkeiten, von dem, was ich als Roman Geike und als Romano erlebe. Im Endeffekt bin ich ein Mensch, der beides ist. Das kann man gar nicht mehr trennen. Geht gar nicht. Wo will man da ansetzen? Ist unmöglich.
Du bist jetzt Romano, doch als Teenager hattest bereits einen Plattenvertrag. Warum klappte es damals nicht?
Ich denke, ich war zu jung und unerfahren. Ich machte mit Freunden aus Köpenick Musik. 1996 haben sie mich beim Köpenicker Sommer gefragt, ob ich in ihrer Band mitmachen will, weil sie keinen Sänger hatten und auftreten wollten. Da schrieben wir am Abend noch zwei Songs. Als ich kurze Zeit später auf der Bühne stand, alle Mütter und Freunde da standen, war ich komplett aufgeregt.
Danach haben wir einfach weiter Musik gemacht – immerhin sechs Jahre. Es war eine tolle Erfahrung, eine tolle Zeit. Irgendwann wollte uns die Plattenfirma dann in die Richtung Boygroup mit Gitarre drängen – das war nicht unser Ding. Also haben wir uns aufgelöst, sind aber trotzdem noch gute Freunde.
Du bist jetzt Romano. Wie lange willst Du das Projekt betreiben?
Ich kann die Zukunft nicht in den Händen halten. Aber ich fühle mich hier sehr, sehr wohl – in dem Romano-Hafen. Und hier wird noch eifrig gefeiert.
Jetzt hab ich noch ein paar Begriffe vorbereitet, auf die Du bitte nur mit einer Wortgruppe oder einem Satz antwortest.
Clueso?
Geiler Typ, super Sänger.
Ironie?
Manchmal.
Berlin?
Heimat.
Bratwurst?
Lecker!
Bushido?
Rapper.
Hipster?
Hopster!
Thüringen?
Klöße. (Romano singt) Thüringer Klöße, die mag‘ ich sehr…
Du kennst also Fritz und seine Musik?
Na klar. Aber ihr macht ja auch wirklich geile Klöße – kann man ja mal sagen.