Eines der Open-Air-Highlights des erschreckenderweise gar nicht mehr so jungen Jahres 2024 erwartet euch am 27. April in Erfurt. Das Kulturzentrum Engelsburg feiert Geburtstag mit einem hauseigenen Tagesfestival. Headliner des Kulturkiez Festivals, das mit handverlesenem Line-up glänzt, ist die Band Steintor Herrenchor aus Hannover, die feinsten Post-Punk nach Erfurt bringen wird. Das t.akt-Magazin sprach vorab mit Frontsänger Timon über die Gründungsgeschichte der Band, das Genre „Neue Neue Deutsche Welle“ und Straßenlaternen.
Steintor Herrenchor als Bandname ist ja schon ein kleiner Zungenbrecher. Was steckt hinter eurem Namen?
Timon: Eigentlich ist das nur ein lustiger Reim. Das Steintor ist eine Partymeile in Hannover, wie die Hamburger Reeperbahn, mit der wir eigentlich gar nichts zu tun haben. Nach einer Session haben wir aus Spaß Freestyle-Rap gemacht und da kam Steintor Herrenchor bei raus. Den Namen fanden wir cool und er blieb hängen.
Seid ihr sehr mit eurer Heimat Hannover verbunden?
Wir wohnen schon gern hier. Eigentlich kommen wir aus Hildesheim, aber das ist ja quasi Hannover. Ich glaube, das ist eine Stadt, die uns guttut und die zu unserem Schaffen einen Teil beiträgt. Es gibt nicht alles und es gibt nicht alles in schön, also macht man vieles selbst. Aber wir sind keine Hannover Ultras, dass wir diesen Namen haben, war eher Zufall.
Es gibt ein visuelles Element, das sich bei euch durchzieht. Von eurem Profilbild über das Cover eurer ersten Single „Luisa“ bis zur Deko auf der Bühne: Überall ist diese viergliedrige Straßenlaterne zu finden. Was hat es mit der auf sich?
Das ist ein bisschen unromantisch. Sie steht auf einem leeren Gelände mitten im Nix neben dem Tonstudio, wo wir ganz viel Musik gemacht haben. Unser Gitarrist Milan fand die Laterne total schön und hat jedes Mal, wenn wir hier Sessions hatten, ein Foto von ihr im Sonnenuntergang gemacht. Dann brauchten wir ein Cover für „Luisa“ und haben einfach diese Laterne genommen. Irgendwann haben Leute angefangen, das mit uns in Verbindung zu bringen, einige Fans teilen Fotos von Laternen in ihren Instagram-Stories und legen unsere Songs drunter. Und dann haben wir sie einfach weiter benutzt. Die Laterne, die wir auf der Bühne haben, ist natürlich eine andere. Die haben wir auf Facebook Marketplace gefunden (lacht).
Also ich finde das total romantisch … Wie habt ihr euch eigentlich zusammengefunden? Wie ist es zur Gründung eurer Band Steintor Herrenchor gekommen?
Ich habe Milan über die Hildesheimer Hip-Hop-Szene kennengelernt, wir haben Beats produziert. Milan wäre es jetzt wichtig zu erwähnen, dass ich die erste und letzte Person war, die er angeschrieben hat, weil er meine Beats so cool fand. Und seine waren für mich die coolsten Beats der Gegend, sehr special, non-konform und wunderschön! Milan war mal DJ und hat mir Dub-Techno gezeigt. Dann haben wir Techno gemacht und über eine Party-Bekanntschaft schrieb ich dann irgendwann das Lied „Postkarten“. Das war das erste Mal, dass ich einen Song eingesungen habe und alle in meinem Umfeld meinten, ich solle den unbedingt veröffentlichen. Eigentlich habe ich dann nur eine Band für das Musikvideo gesucht und Milan und seinen Mitbewohner Mirko, der auch Musik macht, gefragt. Wir trafen uns später und sie brachten Wave- und Post-Punk Beats mit. Und dann sagten wir irgendwann: „Alles klar, wir sind jetzt ‘ne Band!“
Warum seid ihr damals bei diesem New Wave und Post-Punk-Sound hängengeblieben?
„Postkarten“ war auf jeden Fall von den 80ern inspiriert. Der unterscheidet sich sehr von den anderen Songs, die danach entstanden sind. Wir haben viele experimentiert und Inspirationen gesammelt … Es hat sich angefühlt, als würden wir das erste Mal wirklich so Musik machen, wie wir intuitiv Bock hatten. Ohne irgendein Ziel und nur zum Spaß. Dann haben wir es hochgeladen und es kam gut an. Es war ein großer Zufall, dass zu der Zeit andere Musiker:innen ähnliche Musik gemacht haben, denn den Begriff „Neue Neue Deutsche Welle“ gab es damals noch gar nicht.
Wie steht ihr zu dem Genre „Neue Neue Deutsche Welle“, das ja durchaus auch wie eine Schublade ist, in die man schnell gesteckt wird?
Das ist ein Thema, über das wir uns auf jeden Fall Gedanken machen. Es fing an mit einer Bewegung, einer Stimmung. Die war super familiär mit vielleicht zehn Künstler:innen, die da reingepasst haben. Dann gab‘s eine Playlist vom Magazin „Diffus“, welche explizit so hieß. Und es war toll, dass man aus ganz Deutschland und Österreich Leute kennenlernen konnte, die so ähnliche Musik machen. Jetzt hat sich ein eigenes Genre daraus entwickelt und es gibt ein klares Muster, wie ein NNDW-Song auszusehen hat. Aber das passt nicht zu der musikalischen Herangehensweise der meisten ursprünglichen NNDW-Artists. Die sind alle totale Musik-Nerds mit grundverschiedenen Sounds. Und wir sehen uns da eher als Post-Punk-Band. Wir machen Steintor-Herrenchor-Musik.
Wie würdest du die Steintor-Herrenchor-Musik mit deinen eigenen Worten beschreiben?
Das ist wirklich eine ganz schwierige Frage. Ich finde, es ist minimalistische Musik und sehr reduziert. Milan sagt, es ist dilettantisch und das ist es auch… Die Art, wie wir Musik machen, ist sehr punkig. Der schreibende Kern sind Milan, Mirko und ich, mit Dejan haben wir jetzt einen Drummer. Der studiert Musik und hat uns mal gesagt: Was wir in unserer Musik machen, ist teilweise so unlogisch, und wenn man Musik lernt, würde man das so nie machen. Aber genau das macht die Musik geil! Sie geht nicht nach Lehrbuchregeln. Wir machen, was sich gut anfühlt.
Im Dezember 2023 seid ihr mit TEMMIS – ebenfalls ein großer Name der NNDW-Szene – auf eine Co-Headlining-Tour durch ganz Deutschland und Österreich gegangen. Wie war das gemeinsame Touren und in so vielen Städten aufzutreten?
Es war ganz toll und es war auch extrem anstrengend. Mit zwei Bands hat man viel Krams, es gibt wenig Schlaf und viel Action. Aber wir haben das ganz gesund gehalten und an so 60 Prozent der Tage kein großes Rockstar-Life gelebt, sondern haben die Shows nüchtern gespielt und sind dann möglichst früh ins Bett gegangen. Es war ein tolles Erlebnis, das mit einer anderen Band zu teilen. Wir kannten uns vorher schon und es war das ein bisschen wie Klassenfahrt. Mit zwei Bands hatten wir eine doppelte Reichweite und konnten größere Venues bespielen, die dann ausverkauft waren. Das war schon geil.
Im April 2024 werdet ihr auch in Thüringen auftreten, denn ihr seid der Headliner für das Kulturkiez Festival des Kulturzentrums Engelsburg. Es ist euer erstes Konzert in Thüringen… Seid ihr schon aufgeregt?
Als echter Headliner ganz oben auf dem Plakat zu stehen mit so vielen anderen coolen Artists, das ist so extrem cool. Und wir freuen uns riesig drauf. Wir hatten uns den Winter freigenommen, um Musik zu schreiben, weil wir im Sommer so viel unterwegs waren. Und ich vermisse es schon richtig.
Hard Facts:
- Kulturkiez Festival: 27. April | 17.30 Uhr
- Kulturzentrum Engelsburg | Allerheiligenstr. 20 | Erfurt
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