Einen Tag hinter den Kulissen beim Radio
Es gibt unzählige Lieder, die vom Radio handeln. Seit 1923 die erste Sendung „on air“ ging, ist viel passiert. Nur eines hat sich nicht bestätigt: „Video killed the Radio star“. Denn Radio ist präsent wie eh und je, begleitet uns täglich: oldschool via Frequenz oder newschool als webradio.
Ich persönlich höre sie jeden Morgen, wenn ich mich im Bad zurecht mache oder abends im Auto sitze: die Stimme aus dem Radio. So vertraut, als würde man sie kennen und doch unbekannt. Das wollte ich ändern und wissen:
1. Wie sieht die Stimme aus?
2. Was macht eigentlich ein Radiomoderator, wenn gerade ein Lied läuft? Und überhaupt: Was macht eigentlich ein Radiomoderator?
Ich folge also eines schönen Septembertages der Einladung ins MDR-Funkhaus. Dort empfängt mich Radiomoderator Marko Ramm. Frage eins kann schon mal beantwortet werden: die dunkelwarme Stimme, die mich oft in den Feierabend begleitet, gehört einem sportlichen und attraktiven Mann. Und nimmt mich mit in die „heiligen Hallen“.
Dort lerne ich das Team kennen, das seine Sendung bereits vorbereitet hat. In der Planungssoftware ist alles auf die Sekunde genau vorbereitet! Immer im Wechsel folgen auf zwei Lieder eine kleine Reportage, Nachrichten, Verkehrsmeldungen oder Polizeiberichte. (An denen ich übrigens besonders Gefallen gefunden habe – denn sie werden von echten Polizisten mit viel Leidenschaft und schmückender Bildgewalt vorgelesen.)
Damit das so funktioniert, braucht es ein Team um einen Radiomoderator: Reporter, die draußen „am Hörer“ sind und die Thüringer Geschichten mit ihrem Mikro einfangen. Redakteure, die die Planung der Sendung übernehmen, Beiträge auswählen und kürzen. Mit ihnen stimmt sich Marko vor der Sendung noch einmal ab und bereitet sich entsprechend vor, indem er beispielsweise Einsicht in die vorbereiteten Texte nimmt. Nicht, dass am Ende ein Tomatensuppenrezept vorgelesen wird (laut Marko ein Klassiker der Moderatorengeschichte).
Die Auswahl der Lieder übernehmen die Musikredakteure
Zwei von ihnen – Markus Luhn und Alex Dietz – durfte ich kurz auf den Zahn fühlen und erfahre mehr über das Auswahlverfahren. Denn oft haben Hörer das Gefühl, es liefen immer die gleichen Lieder und diese seien der persönliche Geschmack von Markus und Alex. Doch weit gefehlt: In der Rotation (die Intensität, in der Musiktitel in einer bestimmten Zeitspanne wiederholt werden) laufen weit über 1.000 Lieder. Die Zusammenstellung stützt sich auf das Sendungsformat und das Zielpublikum des Senders. Letzteres wird in regelmäßigen Umfragen eingebunden.
Wenn also „California Dreaming“ von Marko anmoderiert wird, dann weil die Hörer es gern mögen. Im Übrigen weiß er dank Vorarbeit der Redakteure auch hier genau, wie lang das Intro und das Lied selbst sind. So kann er seine Einsätze, Übergänge oder spontane Verkehrsmeldungen genau timen.
Allgemeinbildung und eine angenehme Stimme sind Voraussetzung
Und das macht er mit viel Witz und Charisma. Die sind – neben der Allgemeinbildung und einer angenehmen Stimme – wichtige Voraussetzungen für den Job. Den planen lässt sich eine solche Karriere nicht. Ein Stück weit entscheiden Zufall und Liebe zu diesem Beruf, wer am Ende ans Mikrofon darf. Hier im Sender jedenfalls ist die Vielfalt der Ausbildungen groß: ehemalige Banker, studierte Pädagogen und Journalisten oder Wissenschaftler wuseln hinter den Kulissen. Praktika sind ein guter Anfang.
Marko sitzt seit über 20 Jahren am Mikrofon und liebt diesen Job noch immer. Wenn die Lampe rot leuchtet, er „on air“ geht, dann macht sich auch heute noch freudige Aufregung breit. „Radio ist mehr als Unterhaltung“ sagt er, „Radio zeigt dir auch neue Dinge – immer wieder“.
Ich werde jetzt noch viel aufmerksamer zuhören.