Der Erfurter Rapper Dissy, der mit bürgerlichen Namen Till Krücken heißt, veröffentlichte Ende September sein Debütalbum „Playlist 01“ auf dem Label Corn Dawg Records. In zehn Songs singt der 29 Jahre alte Musiker von Antihelden, provinzieller Tristesse und die nächste Party. Wir haben uns mit dem Erfurter getroffen und über seine erste große Platte gesprochen:
Das erste Lied auf deinem Album ist quasi ein Hip-Hop-Klassiker, den Du neu aufgelegt hast – „Rave on!“ von Blumentopf. Ist das eine Anspielung auf das, was dich bei deiner Musik inspiriert?
Das Lied mochte ich schon immer gerne. Es ist ein Klassiker, weil es eine Leichtigkeit hat. Der Beat ist gut. Ich fand es lustig, das in meinem Liedtext mit einer Bassröhre im Kofferraum zu verbinden. Außerdem fand ich Blumentopf immer gut. Es war aber nicht so, dass ich riesiger Fan war. Inspiriert haben mich eher andere Sachen: amerikanische Musiker wie Tyler, the Creater, Flying Lotus, Mac Miller und so.
Wie würdest Du deine Musik selbst beschreiben?
Manchmal verspult. Vielleicht ab und zu ein bisschen verkopft. Meine Texte sind sehr analytisch. Ich analysiere in ihnen mich selbst, mein Umfeld und die Gesellschaft. Oft gehe ich dabei mit Humor vor. Ich komme ja selber aus einer Crew, in der wir ein bisschen Assi-Rap gemacht haben – mit Texten, die ein bisschen unter der Gürtellinie sind. Wir haben das auf Lustig gemacht. Die Musik war undergroundig und ein bisschen dreckig – ähnlich wie meine.
Wie bist Du zum Hip Hop gekommen?
Mit 15 Jahren hab ich viel Beasty Boys und Eminem gehört. Zu diesem Zeitpunkt hab ich auch selbst angefangen Beats zu bauen. Über den Hip Hop hab ich viele Freunde in Erfurt gefunden, mit denen Musik gemacht und so.
Damals fand ich auch Gangsterrap cool. Ich fand geil, dass Hip Hop so wandelbar ist. Man kann klassische, Jazz oder jede andere Musik sampeln. Du kannst in jede Richtung gehen, die du willst und hast dann trotzdem immer einen geilen Hip-Hop-Beat. Dazu rappst du dann mit einem schlechten Mikro drauf und schon hat das eine geile Ästhetik. Hip Hop mag ich einfach.
Früher hattest Du noch einen längeren Künstlernamen. Heute ist aus Dissythekid einfach nur Dissy geworden, warum?
Dissythekid hieß einfach das Projekt, da hab ich auch schon eine EP gemacht. Irgendwann hab ich gedacht: „Diesen th-Laut kann ich noch nicht mal richtig aussprechen und irgendwie checkt das eh keiner so richtig. Irgendwann hat mich mein alter Name einfach genervt.
Als Dissy geh ich jetzt einen größeren Schritt nach vorne. Ich konzentriere mich mehr auf meine Musik und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich muss den alten Namen ein bisschen ablegen. Ich rappe auf Deutsch und der Name war auf Englisch. Das ist komisch. Ich verlasse mich heute mehr auf meine Intuition, lasse mir nicht mehr ganz so viel reinreden, versuche mich zu reduzieren. Aber so einen riesigen Unterschied zwischen Dissy und Dissythekid gibt es da jetzt nicht.
Wann hast Du angefangen professionell Musik zu machen?
2013 hab ich den ersten Song als Dissythekid rausgebracht, der im Internet schon recht gut Resonanz hatte. Da habe ich dann mit einem Freund zusammen eine EP aufgenommen und so hat sich das weiterentwickelt. Schon immer hab ich mit Freunden Musik gemacht oder Sessions mit unterschiedlichen Musikern, alles aus der Lust heraus – so wie jetzt auch bei meinem neuen Album.
Apropos Album: Warum heißt dein aktuelle Platte „Playlist 01“?
Als das Label nach dem Albumnamen fragte, hatte ich nicht viel Zeit zum Überlegen. Ich habe es Playlist genannt, weil ganz viele verschieden Einflüsse in die Platte geflossen sind. Es ist wie eine selbstgebrannte CD, auf der ganz viel Unterschiedliches drauf ist, die man einfach im Auto durchhört. Daran ist das orientiert.
Teilweise klingt dein Album düster, du etwas tiefsinnig. Bist du ein nachdenklicher Musiker?
Ja. Ich versuche immer gar nicht so zu sein. Aber wenn ich anfange, einen Song zu machen, wird er oft automatisch so, weil ich düstere Musik auch irgendwie mag. Eigentlich versuche ich immer mit Humor vorzugehen oder zu berühren, aber irgendwie wird die Musik dann oftmals schwermütig – so bin ich einfach.
Worüber singst Du in deinen Texten dann?
Es geht um die Analyse von mir, meinem Umfeld und der Gesellschaft. Ich will aber kein Gesellschaftskritiker sein. das nehme ich nur etwas auf die Schippe. Ich versuche, mich stellvertretend für das Große und Ganze zu sehen – als Versager in der Gesellschaft. Gerade in der heutigen Zeit, wenn man im Internet sieht, was andere Leute alles Krasses können, vergleicht man sich auch.
Beispielsweise im Song „Peter Parker“ geht es um mich selber. Ich hab das Gefühl, dass sich Jugendliche in der heutigen Gesellschaft selbst dafür feiern, dass sie Taugenichtse sind, sich mit Drogen zuballern und was weiß ich. Ich sehe mich als Teil dieser Gesellschaft und kehre nach außen, dass ich ein Nichtsnutz bin, aber vielleicht deshalb gerade Frauen abschleppe. Es bringt eh nichts, so zu tun, als wär ich der Krasseste in Irgendwas. Es gibt immer Leute, die krasser sind und damit wird man eben auch ständig im Internet konfrontiert.
Wie entsteht bei dir ein Lied?
Oftmals bei Sessions mit Leuten. Clueso hat bei einem Lied zum Beispiel auch gesagt: „Hey, da geh ich nochmal drüber und ändere was.“ Ich hör mir immer die Ideen anderer an. Natürlich skizziere ich meine Songs selbst. Aber oftmals entstehen die Lieder auch aus dem Machen heraus.
Bei den Textet steht meistens der Refrain als erstes – quasi als Grundidee. Da schreibe ich dann Songzeilen dazu. Beim Texten bin ich auch eher altmodisch. Es müssen coole Metaphern und Reime sein. Ich achte auf das Vokabular, suche lustige Vergleich und Wortspiele.
Wie kamst Du eigentlich zu Clueso, der ja auch zwei Mal auf deinem Album vertreten ist?
Ich hab früher, als ich noch in Weimar Medienkunst studierte viele Filme und Musikvideos produziert, auch mit Clueso. Wir haben dann oft gemeinsam gechillt, geschrieben, Musik gemacht oder Melodien gebaut. Die Beats bei „Wagen voll Müll“ fand er beispielsweise gleich geil. Da haben wir dann spontan zusammen einen Songtext dazu geschrieben. Wir haben einfach gemacht. In dem Lied geht darum mit einem dreckigen Auto einfach weg zu fahren. Alles hinter sich zu lassen. Ausbrechen. Dem Fernweh nachgeben.
Du warst bisher oft Support auf den Konzerten von anderen Musikern. Wann gehst Du mal alleine auf Tour?
Keine Ahnung. Jetzt geht es erstmal mit der Support-Tour weiter. Ich will irgendwann schon alleine auf Tour gehen – vielleicht mit dem nächsten Album?
Was sind das eigentlich für Leute, die bei Dir aufs Konzert gehen und deine Musik hören?
Verschiedene. Letztens, als ich beim Fusion-Festival aufgetreten bin, haben viele Leute harte Drogen genommen. Die haben dann bei mir kommentiert: „Genau bei diesem Song hat meine Pappe geklatscht.“ Aber es gibt auch jünger Mädels, die Texte auswendig können oder voll die Proleten, die da stehen und meine Musik feiern. Das ist durchmischt.
Du wohnst seit vier Jahren in Berlin. Was zieht dich immer wieder zurück nach Erfurt? Hast Du hier Lieblings-Orte?
In Klein Venedig bin ich viel oder in der Ecke hinter der Krämerbrücke. Jedes Mal, wenn ich hier bin, chillen wir dort. In der Innenstadt von Erfurt kann man generell gut rumhängen. Und natürlich komme ich oft wegen meiner Freunde und meiner Mutter nach Erfurt zurück.
Mit dem Song „Rave on!“ haben wir angefangen. Jetzt schließen wir den Kreis. Wo gehst Du in Erfurt gerne zum Raven hin?
Am geilsten sind hier ja so illegalere Sachen in der Natur oder am Waldrand. Trotzdem geh ich auch gerne ins Kalif Storch oder so. Klanggerüst muss ich auf jeden Fall erwähnen. Dort haben wir ein Video gedreht. Das sind sehr coole Leute. Frau Korte und Retronom sind auch immer geil.