Ein Ort der Verbindung und des Zusammenseins, umrahmt von ganz viel Kunst – das ist die „artue Galerie“ von Kaja Rink in Erfurts Krämpfervorstadt. Unweit des Leipziger Platzes befindet sich dieses künstlerische Kleinod, welches insbesondere FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter-, trans- und agender-Personen) Raum zur kreativen Entfaltung bietet.
Name steht nicht in Verbindung mit Thüringen
Auch wenn viele beim Wörtchen „artue“ trotz des fehlenden Buchstabens H sofort an Thüringen denken, hat der Name nichts mit dem Freistaat zu tun, verrät Kaja: „Ich habe damals vorsichtshalber auch die Webseiten-Domain ‘artue’ mit reservieren lassen, falls mich jemand falsch sucht. Aber der Begriff kommt ganz woanders her.“
Es soll eine Geschichte erzählen
Der Name ist nicht nur Programm und enthält das englische Wort „art“ für Kunst, sondern auch Kajas beruflichen Werdegang: „Ich habe mein Leben lang mit Hydraulik, mit Druck zu tun gehabt. Die Größenordnung für Druck heißt atü. Also habe ich einfach aus atü ‚artue‘ gemacht. Im Namen steckt schon ein bisschen meine Geschichte mit drin, vielleicht kommt das noch vom Marketing … Storytelling, es soll immer eine Geschichte erzählen!“
„Etwas musste sich ändern“
Im Marketingmanagement eines großen Unternehmens in Bremen begann einst Kajas Karriere, doch nach mehreren Burnouts erfolgte der Entschluss, dass sich etwas ändern muss. Während des ersten Burnouts fand sie zum Malen zurück, besuchte Malkurse und stellte fest, wie leicht ihr das Zeichnen von der Hand geht. Mit 15 Jahren hat sie schon für alte Menschen Seerosenteiche oder die „Betenden Hände“ von Albrecht Dürer gemalt und sich damit etwas Taschengeld verdient. Und auch in ihrem ursprünglichen Beruf steckte bereits ein Funken Kunst, erinnert sich Kaja: „Im Marketing hast du schon viel mit Kreativität zu tun.“
https://www.facebook.com/artue.Galerie/posts/pfbid02GpM15SpSWEwqDxNEUmL4XPd2SrJP67zyvWvk1rdzAHmcUe6PPq6rG67GX3sw8CRjl?__cft__[0]=AZU_n-OE6yG5jiAe3VRMSQKE1Q_AI0FKeqSGTnJCEJAbL4xn9Cl6R-nYZsiChy2vQBRRG57ZhegtcpTcXGsD_xb3qIhny7HoxYciHsdBRT5z03RcqM5u2n5gUELBRdIdMPTyUbzVLtW0HU9AKI3PcIcqQpqGSD-WLKDkICs2VwyzFuH1h0uZ4WQSJu2kIZOFfOF4NHGuZj-srCPnc8CEIcJmY2Ue2oXfUK4-ZQoG1KIO5A&__tn__=%2CO%2CP-R
Die Entscheidung, sich mit Kunst selbstständig zu machen, hat auch mit Erfurt zu tun, berichtet Kaja. Nach den Burnouts begann sie ein neues Leben als Transfrau, schloss Bekanntschaft mit einer Person in Erfurt und entwickelte eine Liebe zur Thüringer Landeshauptstadt: „Ich habe die Stadt gesehen, mich sofort verliebt und gesagt: Hier willst du nicht wieder weg.“
Das Hobby zum Beruf machen
Direkt nach ihrem Umzug nach Erfurt fasste sie den Entschluss, das Hobby zum Beruf zu machen und eine kleine Galerie mit Malschule zu eröffnen. Eine Bekannte sah in der Zeitung die Mietanzeige für die jetzigen Räumlichkeiten und nach einer Besichtigung fiel die Entscheidung: Hier sollte die „artue Galerie“ entstehen. Beruflich wanderte Kaja damit vom Großen ins Kleine: „Der Gang vom Marketing eines großen Unternehmens in die Selbstständigkeit war wirklich interessant und es war spannend zu merken: Du kommst auch mit zehn Prozent des Gehaltes klar.“
Bessere Förderungen durch kleine Malgruppen
Kajas Malkurse bieten jedoch keinen verstaubten Frontalunterricht in Großgruppen: „Die Termine bei mir werden ganz frei und individuell vereinbart. Meistens mache ich die Malstunden im Einzelunterricht. Wenn mehrere zusammen sind, entstehen schnell Druck und Unzufriedenheit und ich kann die einzelnen Personen nicht so gut fördern“, sagt sie. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrung in Malkursen bevorzugt Kaja diese Variante, trotzdem sind auch Veranstaltungen für mehrere Personen möglich. Kleine Malevents, zum Beispiel für Firmen oder die Fachhochschule, werden in entspanntem Rahmen in der Galerie abgehalten: „Da kommen bis zu fünf Leute, wir frühstücken gemeinsam mit Brötchen direkt von der Bäckerei um die Ecke und nach einer Stunde fangen wir an zu malen.“
Mittlerweile existiert die Galerie seit über zehn Jahren und hat in Erfurt einen festen Platz gefunden. „Ich mache überall mit, bei ‚Gold statt braun‘ oder ‚Kultur flaniert‘. Auch mit dem neu eröffneten Café ‚KRÄM fresh‘ eine Straße weiter werde ich zusammenarbeiten“, erzählt Kaja. Insbesondere als Galerie für die Kunst von queeren Frauen hat sich „artue“ bereits etabliert, da es für diese kaum Ausstellungsorte gibt. Aber in einigen augenscheinlich konservativen Strukturen der Stadt hat die Galerie noch keinen Fuß fassen können, weil dort kein Platz für queere feministische Kunst zu sein scheint. So wurden Einladungen für Vernissagen in der „artue“ Galerie von einschlägigen Vereinen ignoriert und auch auf einer Webseite der Stadt mit einer Liste aller Galerien in Erfurt taucht „artue“ trotz mehrfacher Anmerkungen immer noch nicht auf.
Gegen Diskriminierung und Queerfeindlichkeit
Dabei ist gerade Präsenz und Sichtbarkeit wichtig, um gegen Diskriminierung und Queerfeindlichkeit zu kämpfen und sichere Orte zu etablieren. Auch das spielte in Kajas Entscheidung, eine Galerie zu eröffnen, hinein: „Ich hätte die Malkurse theoretisch auch im Wohnzimmer abhalten können. Aber es ist wichtig, dass wir eine offene Tür bieten und die Leute reinschauen können.“
Queere Szene trifft sich
Seit 2020 findet in der „artue Galerie“ jeden ersten Donnerstag im Monat ein Frauen- und Lesbentreff statt. Claudia, die die Galerie seit Beginn unterstützt, bekräftigt die Bedeutung von „artue“ für die queere Szene: „In dieser Stadt gab es grundsätzlich immer schon wenig Orte für queere Menschen, insbesondere FLINTA*s, wenn es nicht direkt ums Tanzen und Feiern geht. Wir sind froh, die ‚artue‘ Galerie und Kaja zu haben, wir sind total familiär miteinander. Es geht um die Gemeinschaft, die sich hieraus entwickelt hat; um Verbindung, Freundschaft und Zugehörigkeit.“
Zusammenarbeit mit Netzwerk und Buchhandlung
Als Verbindungsort soll die „artue“ Galerie auch weiterhin fungieren. Im Sommer wird der Frauen- und Lesbentreff vermehrt wieder draußen vor dem Haus stattfinden. „Kultur flaniert“ und „Gold statt Braun“ gehören sowieso zum Programm und die in der Galerie gezeigte Kunst soll um eine weitere Kunstform ergänzt werden, ergänzt Kaja: „Ich habe mich jetzt mit einem Netzwerk in Verbindung gesetzt, in dem queere Schriftsteller:innen ihre Werke vorstellen. Wir sind im Gespräch, ob wir auch mal Lesungen hier in der Galerie abhalten können. Ich habe zudem bereits Unterstützung von einer lokalen Buchhändlerin.“ Mit den beruflichen Visionen schon sehr zufrieden, hat Kaja privat eigentlich nur noch ein großes Ziel: „Ich möchte in Erfurt als Frau beerdigt werden. Ganz einfach.“
Hard Facts:
- artue Galerie in Erfurt: Geschwister-Scholl-Str. 64
- Mo. bis Do., 15 – 18 Uhr und nach Voranmeldung
- Nächster Frauen- und Lesbentreff: 7. März um 17 Uhr
- Website | Instagram | Facebook
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