„Ich bin einfach wütend, dass man Menschen so vor die Wand fahren lässt.“ „Es geht um die pure Existenz. Wenn ich Pech habe, endet meine Selbstständigkeit, bevor sie richtig angefangen hat.“ – Zwei Zitate. Zwei Geschichten. Dahinter verbirgt sich jedoch mehr als nur eine wirtschaftliche Existenz, die auf Messers Schneide steht, weil in Thüringen die Weihnachtsmärkte kurz vor knapp verboten worden.
Kleine Rampe und „Quands runde Sache“ bangen um Existenz
Am 23. November, dem Tag, an dem die Weihnachtsmärkte in der Thüringer Landeshauptstadt öffnen sollten, berieten sich die Mädels der Kleinen Rampe in Erfurt noch mit ihren Freunden und Kollegen vom „Stadtventsgarten“. Öffnen oder nicht öffnen? Dürfen wir, dürfen wir nicht? Der alternative Weihnachtsmarkt auf dem Gelände des Erfurter Stadtgartens, der in wochenlanger Eigenleistung von den verschiedensten Erfurter Kulturakteuren aus dem Boden gestampft wurde, sollte für die „Advents-Tourismus-geplagten“ Erfurter ein Ort der Einkehr sein und ähnlich wie der Erfurter Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz zum geplanten Datum öffnen. Daraus wurde nichts. Die Gründe hierfür müssen wohl nicht weiter erläutert werden. Fakt ist: jetzt sitzen Anita, Judi und Karo, die neben dem Veranstaltungsort „Kleine Rampe“ am Zughafen auch den kleinen Concept-Store „Sonderausgabe“ in der Erfurter Innenstadt betreiben, auf etwa 10.000 Litern Birnenpunsch.
Fässer voller Punsch im Lager
Der von einem lokalen Produzenten frisch gekelterte Punsch sollte an die Besucher des Stadtventsgartens sowie des „Heimlich Advents“ – ein weiterer kleiner alternativer Markt an der Predigerkirche – verkauft werden. Verfeinert mit Gewürzen und Birnenstücken, wahlweise mit einem Schuss Gin oder Obstler verlängert, war das Heißgetränk in den Jahren vor Corona ein echter Verkaufsschlager. Jetzt stehen die Fässer mit vorgeorderten Birnensaft im Wert von mehreren Tausend Euro im Lager. Eine kleine Menge wollen die Mädels abgefüllt in Flaschen in ihrem Geschäft verkaufen. Keiner weiß genau, wohin mit dem bis dato unabgefüllten Gros der Ware.
„Und da haben wir vorab noch nicht mal großzügig geplant. Wir rechneten mit einer Menge, die bei mäßigem Treiben auf den Weihnachtsmärkten auf jeden Fall über den Tisch gewandert wäre“, sagt Anita, die ähnlich wie ihre Kolleginnen genug Weihnachtsmarkterfahrung auf ihrem Haben-Konto verbuchen kann. „Wir wollten das erste Jahr im großen Stil Punsch auf zwei Märkten verkaufen und unseren Kulturbetrieb so auf sichere Füße stellen. Also setzten wir alles auf eine Karte, knieten uns im Vorfeld rein, organisierten, bauten auf …“
„Warum ist ein dreiviertel Jahr lang nichts passiert?“
Jetzt ist Anita einfach nur enttäuscht: „Man schaut sich das Treiben auf dem Domplatz, wie das Riesenrad aufgebaut wird und so weiter – und ich meine, wer baut ein Riesenrad auf, wenn dann alles abgeblasen werden soll … deshalb dachten wir: ‚Okay, so etwas macht man doch nicht, wenn dann alles nicht stattfindet‘ und machten weiter.“ Jetzt sind die Mädels von der Kleinen Rampe einfach nur fassungslos. „Jetzt ist alles dahin. Und damit meine ich nicht nur das Geld. Dabei geht es auch um einen Monat Arbeit, Energie und Motivation. Es ist desaströs.“
„Wir werben seit Monaten für die Impfung“
Im Gespräch mit dem t.akt-Magazin sprudelt es nur so aus Anita heraus: „Natürlich versteh ich, dass angesichts der Zahlen gehandelt werden muss. Wir werben seit Monaten für die Impfung. Doch man hinterfragt auch die Maßnahmen. Ist das wirklich gut durchdacht? Ist ein kleiner Markt unter freiem Himmel und 2G – meinet wegen auch 2G+ – wirklich ein Pandemietreiber nur weil ‚Weihnacht‘ im Namen steht? Könnte es nicht sogar sein, dass man so das Geschehen dank vieler Kontrollen besser in den Griff bekäme?“
„Die Testphase im Sommer lief gut“
Ähnliche Fragen wie drei Mädels von der Kleinen Rampe stellt sich auch Daniel Quandt – Zitatgeber Nummer zwei. Der Jungunternehmer kombiniert bei seinem Projekt „Quandts runde Sache“ die Liebe zur Vinyl mit der Produktion außergewöhnlicher Waffeln und ist damit im Sommer auf zahlreichen Kulturveranstaltungen richtig gut gefahren. Jetzt sollte sein selbst ausgebautes und für viel Geld liebevoll restauriertes Event-Mobil namens „Elma“ auf dem kleinen Weihnachtsmarkt im Hof der Erfurter Engelsburg durchstarten. „Die Testphase im Sommer lief gut. Jetzt wollte ich alles auf eine Karte setzen, endgültig in die Selbstständigkeit starten. Und nun das …“
Der 34-Jährige ging mit über 10.000 Euro in Vorleistung, baute seine Elma aus und kaufte kiloweise Zutaten. Jetzt bangt er um seine Existenz. „Als Gründer habe ich bereits von den vergangenen Corona-Förderungen nichts abbekommen“, sagt Daniel, der ähnlich wie die Rampe-Mädels bis dato durch das Raster gefallen ist. In schierer Verzweiflung wendete er sich deshalb mit einem Video an sein Follower bei Instagram: „Ich fühle mich hilflos. Die ganze Arbeit des Jahres dahin …“ Im gleichen Atemzug appelliert er an die Politik und hofft, dass er nicht in Stich gelassen wird …
„Ein perfektes, kleines, nachhaltiges und lokales Weihnachtsgeschenk“
Wenn der Mythos eines lehrt, so ist es doch die Hoffnung, die zuletzt stirbt: Einstweilen werfen sowohl Kleine Rampe als auch „Quandts runde Sache“ die Flinte noch nicht vollends ins Korn. „Irgendwie muss es ja weiter gehen“, sagen Anita und Daniel. Deshalb hoffen beide auf Unterstützung der Erfurter, für die sie üblicherweise mit viel Ideenreichtum, bunten Veranstaltungen und außergewöhnlichen Projekten zur Stelle sind. Die Kleine Rampe will auf lokale Firmen zugehen. „Abgefüllt in Flaschen und hübsch dekoriert ist unser Punsch ein perfektes, kleines, nachhaltiges und lokales Weihnachtsgeschenk für die Belegschaft“, sagt Anita, die gemeinsam mit Judi und Karo zudem den Punsch in ihrem Lädchen in der Predigerstraße 12 und bei Werksverkäufen an der Kleinen Rampe unters Volk bringen will.
Daniel bekam indes auf sein Video bei Instagram viel Zuspruch. Dank der Aktion wird er bei der Ausstellungseröffnung „Minimalkonsens“ auf dem Hof der Galerie Waidspeicher in Erfurt am 9. Dezember seine Waffeln an den Mann und die Frau bringen. „Das ist toll, reicht aber nicht aus. Ich bin jederzeit bereit, auf privaten sowie betrieblich Weihnachtsfeiern oder anderen Veranstaltungen im freien für Verpflegung zu sorgen. Bleibt nur noch zu hoffen, dass dann auch viele kommen und uns unterstützen …“
Hard Facts:
- Mehr zur Kleinen Rampe
Wo: an der kleinen Rampe | Zum Güterbahnhof 20 | Erfurt
Werksverkauf und direktem Abholen: immer Mittwochs 16 bis 20 Uhr im Dezember
Kleine Rampe bei Instagram - Mehr zum Laden „Sonderausgabe“
Wo: Predigerstraße 12 | Erfurt
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag (12 bis 18 Uhr) | Samstag (11 bis 18 Uhr)
Sonderausgabe bei Instagram - Mehr zu „Quandts runde Sache“
Quandt bei Instagram
Ausstellungseröffnung „Minimalkonsens“
Wo: Auf dem Hof der Galerie Waidspeicher | Michaelisstraße 10 | Erfurt
Wann: 9. Dezember | 18 bis 22 Uhr
Mehr coole News vom t.akt Magazin:
-
„Einfach mal den Kopf ausschalten“ – An der Kleinen Rampe in Erfurt
-
Quandts Recordstore – Neuer Bastion für Vinyl-Liebhaber in Erfurt
-
Heimlich Advent in Erfurt – Der Hipster unter den Weihnachtsmärkten startet