Nach fünf Jahren als Dramaturg und Schauspieler am Theaterhaus in Jena zog es Rainald Grebe hinaus in die weite Welt. Mit „Albanien“ legte er kürzlich auch ein neues Album vor, deren Songs wie eh und je durch ihren Witz überzeugen. Wir sprachen mit ihm über denkwürdige Auftritte, Politik und die Queen.
Sie haben 2006 unter dem Stichwort „Lyrik mit Heimtücke“ ein Lied über jedes der neuen Bundesländer geschrieben. Auch „Thüringen“ war dabei – und ist inzwischen legendär. Würden Sie diese heute gerade im Anbetracht der politischen Entwicklungen noch einmal umdichten?
Ich habe damals tatsächlich die guten Seiten aus dem Osten kennengelernt – in den größeren Städten Jena, Leipzig oder Dresden. Es kann durchaus sein, dass ich den Ausgang der letzten Wahlen einfügen oder die Lieder noch einmal neu schreiben werde. „Sachsen“ war hellsichtig von mir, da habe ich schon vor über zehn Jahren über die Erderwärmung geschrieben – und das war lange Zeit, bevor die AfD gegründet wurde und den menschengemachten Klimawandel leugnet. Aber generell sind diese Songs spaßige Scherzartikel. Scherzartikel in Moll.
Rainald Grebe singt den Song ,,Thüringen“
Was dient Ihnen bei den Songs als Inspirationsquelle?
Nächstes Jahr habe ich ein neues Solo-Programm und da gehen bei mir aktuell schon die Schleusen auf. Das können Dinge sein, die mich ganz persönlich betreffen, Sachen aus dem Internet oder Sätze, die in der Kneipe fallen. Ich greife auch aktuelle politische Themen auf und versuche dazu eine Position zu finden, die ich auf der Bühne vertreten kann. Das muss ich von Song zu Song klären.
Mit dem Orchester auf der Bühne oder Theater: Was ist für Sie die größere Herausforderung?
In den letzten Jahren habe ich ja hauptsächlich Theater gemacht. Ein Ensemble mit 20 Leuten plus Statisten fordert mich komplett. Man hat ja nicht nur die Schauspieler, auch die Geschichte, die Story, die Musik – ein „Großgemälde“. Und das interessiert mich eigentlich am meisten.
Für mehr freshe News und geilen Scheiß:
Arbeiten Sie parallel an neuen Songs und an Theaterstücken oder gelingt es Ihnen, beides strikt voneinander zu trennen?
Beim Steuerberater heißt es „Infizierung“. Ich bin eher wie ein Messi und es liegt alles auf einen Tisch. Neue Stoffe infizieren sich gegenseitig – und dann kommen eben ein paar komische Lieder heraus oder Sachen, die nicht eindeutig sind.
Sie sind musikalisch als Solokünstler und mit dem „Orchester der Versöhnung“ unterwegs. Was bereitet Ihnen davon mehr Freude?
Bei der Band gibt es immer einen Trommler, der den Takt vorgibt, während ich als Solokünstler meinen eigenen Rhythmus vorgeben kann. Wenn ich alleine auf der Bühne stehe, kann ich auch mal abbrechen, mich verspielen – und es macht nichts aus. Es hat alles seinen Reiz und seine Qualitäten.
Fünf Jahre nach „Berliner Republik“ haben Sie kürzlich das neue Album „Albanien“ veröffentlicht. Was erwartet den Hörer?
Das Album hat ein Konzept: das Konzepte des „lange Wartens“. Sehr viele der Songs kommen aus anderen Zusammenhängen und haben keine gemeinsame geschlossene Schneedecke, deswegen würde man es wohl als „divers“ bezeichnen. Hier haben wir uns Zeit genommen, da ist kein konkreter Bezug zu aktuellen Ereignissen, sondern Luft drin. Ein Premium-Produkt eben. (lacht) Es geht um das Volk, die Region, Deutschland… Jeder Song ist aber ein Mini-Kosmos für sich, das Album hat keine klare inhaltliche Linie.
Welcher Auftritt ist Ihnen ganz besonders denkwürdig in Erinnerung geblieben?
Das war ein Auftritt in der Zigarrenstadt Grünberg vor vielleicht 150 Zuschauern, bei dem ich schon sechs Zugaben gegeben habe und ziemlich betrunken war. Ich bin abgegangen und dachte, es wäre keiner mehr im Saal – da saßen aber noch 40 Leute. Das war ein sehr schönes Erlebnis, denn das ging noch eine Stunde weiter – obwohl ich eigentlich kein Material mehr, aber dann doch noch welches hatte. Das war wie der „sechste Sinn“, spontan improvisiert und hat einfach gepasst.
Gibt es eine Person der Zeitgeschichte, über die sich für Sie ein satirisch angehauchter Song anbieten würde?
Oh, das ist jetzt ein Überfall… (kurze Pause) Vielleicht über die Queen oder den „ewigen Adel“, das ist ein schönes Thema. Die Frisur ist immer gleich und sie sieht immer aus wie auf der Münze. Der Adel ist zutiefst undemokratisch, aber es gibt ihn ja wieder – und das ist ein Thema wert. Gerade weil es so komisch ist, was ihm an Ländereien gehört oder welche Kontakte er hat – und weil das alles „ab vom Schuss“, fernab der Klatschpresse stattfindet. „Die reale Macht des Adels“ wäre wirklich mal ein interessantes Thema.
Im sogenannten „Rider“ legen Künstler vertraglich fest, was für sie bei einem Auftritt technisch und kulinarisch bereitstehen muss. Worauf können Sie bei keinem Konzert verzichten?
Auf Bananen in der Pause. Und Wasser. Da bin ich sehr bescheiden und anspruchslos.
Das nächste Mal kommen Sie am 24. August nach Thüringen für ein Konzert in Paulinzella. Wir gehen nicht davon aus, aber wie würden Sie reagieren, wenn das Publikum mit Tomaten wirft?
Hoffentlich sind sie nicht faulig, dann kann man noch was daraus kochen. (lacht)
Aktuellen Veranstaltungen auf der Klosterruine Paulinzella
Hard Facts:
- Wann? 24. August, 20 Uhr
- Wo? Klosterruine Paulinzella
- Web/Tickets: www.kulturfestival-paulinzella.de
- Album ,,Albanien“ seit 19.Juli im Handel
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