Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Andreas Münkwitz, Kulturkoordinator vom Rosenkeller in Jena
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Andi, dem Kulturkoordinator im Rosenkeller Jena. Anfang 2012 hat er im Rosenkeller als Student in der Gastro angefangen und jetzt liegt die komplette Veranstaltungsorganisation in seiner Hand. Der Rosenkeller ist der zweitälteste Studentenklub Deutschlands. Seit 1966 gibt es ihn schon – also 54 Jahre. Im Rosenkeller gibt es die unterschiedlichsten Veranstaltungen: Von regelmäßigen Studierendenpartys, Fachschaftspartys über die verschiedensten Konzerte bis hin zu Lesungen.
Wie ist jetzt bei euch die aktuelle Lage?
Wir haben seit 14. März auf Grundlage der Allgemeinverfügung der Stadt Jena geschlossen. Das sind mittlerweile 44 Veranstaltungen, die wir absagen und verschieben mussten und ca. 10.000 zu erwartende Gäste, die uns fehlen. Man merkt vor allem den nicht regulär stattfindenden Semesterstart. Seit der Schließung haben wir keinerlei reguläre Einnahmen.
Die Arbeit an sich hat sich auch deutlich verändert. Während man sonst fast täglich im Klub zu tun hatte, erledigt man mittlerweile so gut wie alles per Mail und Telefon, von Zuhause und Unterwegs. Die wichtigsten Absprachen im Klub passieren online. Aber an sich funktioniert das bisher reibungslos.
Habt ihr Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Angst ist sicherlich das falsche Wort. Gesundheitlich sind bisher alle bei uns wohl auf. Der Schutz unserer Mitarbeiter und Gäste war uns aber von Anfang an mit das Wichtigste. Wirtschaftlich steuern wir schon auf harte Zeiten zu. Die Kulturbranche – vor allem im Soziokulturbereich – ist nicht gerade dafür bekannt, sich damit eine goldene Nase zu verdienen. Das war auch nie unser Ziel. Das macht es aber auch schwieriger in einer solchen Krise zu überleben. Wir können leider nicht auf unendlich große Rücklagen blicken und halten mittlerweile 9 Wochen ohne jegliche Einnahmen durch. Gerade der fehlende April mit dem eigentlichen Semesterstart und vielen Partys schmerzt: Kurz vor Start der Saison hat uns Corona eben ein Strich durch die Rechnung gemacht.
Gibt es eine Notlösung weiterhin Geld einzunehmen? Habt ihr Aktionen geplant?
Eine der wenigen Möglichkeiten, um aktuell Geld einzunehmen, ist es Getränke to go zu verkaufen. Natürlich unter Einhaltung der aktuellen Bestimmungen und Lockerungen. Der erste und bisher letzte Versuch hat aber gezeigt, dass es nicht so einfach ist, die Leute dazu aufzufordern, sich an die Abstände zu halten. Es war zwar überwältigend, dass wir so viel Zuspruch bekommen haben, aber die Menschenmasse war nicht zu kontrollieren. Deswegen haben wir den Verkauf nach 1,5 Stunden abbrechen müssen. Wir arbeiten aber an einer Neuauflage mit besserer Handhabung. Darüber informieren wir dann wieder auf unseren Social-Media-Kanälen. Ansonsten gibt es zusammen mit den anderen Jenaer Klubs unsere Livestream Plattform Zwo20 und wir haben gemeinsam das Klub-Soli-Ticket für Jena ins Leben gerufen. Darüber hinaus kann man bei Be My Quarantine Merchandise kaufen und uns somit unterstützen oder uns auf direktem Weg Geld spenden.
Musst du weiterhin die volle Miete zahlen oder gibt es einen Erlass? Wie wird mit den Mitarbeitern weiterhin verfahren? Welche Posten musst du weiterhin tragen?
Unsere Mietkosten sind soweit es geht reduziert. Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit unserem Vermieter, der FSU Jena, noch an einer Lösung für unsere Nebenkostenvorauszahlungen. Der Großteil unserer Mitarbeiter sind Minijobber. Die fallen leider durch das Raster der Bundes- und Landeshilfen und bekommen keinerlei Geld. Da wir aber als Verein mehr als nur ein Arbeitsplatz sein wollen, haben wir ein internes Soli-Konto angelegt. Hier stellen unsere Mitglieder zinsfrei (teilweise sogar rückzahlungsfrei) Geld zur Verfügung. Wenn es dann bei einem unserer Minijobber finanziell brennt, kann er oder sie sich bei unserem Vorstand melden und der vermittelt dann unbürokratisch.
So können wir zumindest unseren MitarbeiterInnen über die schwierige Zeit helfen. Unsere beiden Festangestellten erhalten vorerst weiterhin ihr Gehalt wie gewohnt. Bei denen fällt allerdings auch so gut wie alles an Arbeit und Koordinierung an. Da die beiden eh nur in Teilzeit arbeiten, sind sie auch ganz gut ausgelastet. Zu den sonstigen Kosten, die wir weiterhin tragen müssen, also neben Personal und Miet- sowie Mietnebenkosten, zählen außerdem noch Versicherungen, Buchhaltungskosten, Steuern und ein paar kleinere Posten. Die Zahlungen für GEMA und KSK konnten glücklicherweise ausgesetzt werden.
Bekommt ihr von außen Hilfe/Förderung?
Wir erhalten derzeit weder institutionelle Förderung noch Projektförderung und sind dahingehend nicht gestützt. Allerdings erhalten wir sowohl von unseren Mitgliedern als auch von Gästen oder Freunden des Klubs Spenden. Dabei fällt die individuelle Spendensumme ganz unterschiedlich aus. Von Kleinstbeträgen (5€/10€) bis hin zu Einzelspenden im dreistelligen Bereich ist bei uns alles dabei. Dazu kommt der Erlös des Merchandise-Verkaufs über Be my Quarantine. Zudem hat die Band Brechraitz zu einer Soli-Shirt-Aktion aufgerufen, bei der sie für ihre Jenaer Lieblingsklubs Spenden gesammelt haben unter dem Motto „Banned from the Clubs“ – Das hat uns echt sprachlos gemacht.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Wichtig ist den Kopf nicht hängen zu lassen und die Motivation nicht zu verlieren. Gerade in unserer Branche laufen die Planungen für den Herbst 2020 und den Anfang des Jahres 2021 bereits auf Hochtouren. Trotz der unsicheren Lage arbeiten wir daran, wieder ordentlich Konzerte, Partys und andere Veranstaltungen auf die Beine zu stellen und hoffen darauf, dass auch wie geplant umsetzen zu können. Ohne diese Zuversicht und das Weitermachen wäre es aktuell echt schwierig.
Was außerdem hilft: immer mal raus gehen, die Sonne genießen und das nicht mehr ganz so hastige Alltagsleben auch mal schätzen.
https://www.facebook.com/RosenkellerJena/photos/a.166989163321763/2850038458350140/?type=3&theater
Was würdest du dir jetzt konkret wünschen?
Wichtig ist, dass bei aller schnellen Hilfe auch an die Langzeitfolgen gedacht wird. In unserer Branche ist man eigentlich auf jede Einnahme angewiesen, um über das Jahr zu kommen. Fällt wie jetzt eine längere Zeit aus, dann verschleppen sich die Folgen ganz schnell auf die kommenden Jahre. Die Einbußen wachsen von Tag zu Tag und die holt man mal nicht eben wieder raus, wenn man irgendwann wieder regulär öffnen darf. Zudem wäre es mir wichtig, neben dem gesetzten Verbot von Großveranstaltungen bis Ende August, auch mal über die „kleinen“ Klubs zu sprechen, die nicht unter Regelung für Großveranstaltungen fallen. Hier heißt es meist nur „bis auf weiteres geschlossen“.
Das sorgt für große Unsicherheiten für die Planung von zukünftigen Events. Und selbst wenn wir vor September wieder öffnen können, weiß aktuell noch niemand, wie und vor allem mit welchem Programm, da vieles auch aus Vorsicht der Agenturen und Künstler abgesagt wurde, eh ihnen Kosten entstehen, wie bspw. Busmiete oder Co. Da wäre eine Regelung, wenn auch länger gegriffen, sogar von existentieller Bedeutung. Außerdem hängt an der Kulturschließung noch viel mehr dran. Techniker, Stagehands, Lieferanten, Getränkehersteller und und und. Klar ist es schwer für alle eine schnelle Lösung zu finden, aber man darf am Ende einfach keinen vergessen.
Wie soll es nach der Krise für dich und dein Geschäft weitergehen?
Für den Rosenkeller und mich geht es nach der Krise hoffentlich positiv weiter. Wie schon angerissen laufen die Planungen für neue Veranstaltungen auf Hochtouren. Da hoffe ich natürlich, dass das auch so stattfinden kann. Außerdem hoffen wir natürlich, dass die Leute von der Krise nicht so sehr gezeichnet sind, dass keiner mehr Geld zum Feiern gehen oder für Konzerte hat. Idealerweise boomt es, da der Hunger nach LIVE Kulturveranstaltungen definitiv da ist. Kurz: Es wäre schön, wenn die Kulturbranche sich schnell von dieser schwierigen Zeit erholt. Abgesehen davon werden wir kommendes Jahr als Klub 55 Jahre alt. Da wollen noch die ein oder anderen Specials geplant und umgesetzt werden. Aber dazu will ich noch nicht zu viel verraten.
https://www.facebook.com/RosenkellerJena/photos/a.166989163321763/3072040332816617/?type=3&theater
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Ich glaube schon. Es wäre auch traurig, wenn nicht. Den Leuten wird einerseits bewusst, dass gerade Kulturbetriebe, die ihnen einen Ausgleich im Leben bieten und eine gewisse Flucht aus dem Alltag ermöglichen, nicht selbstverständlich sind. Hierfür arbeiten tagtäglich viele Leute, die ihre Energie investieren, allen eine möglichst schöne Zeit zu bescheren. Wenn das in den Hinterköpfen der Leute bleibt, dann bekommen die Gastromitarbeiter vielleicht auch mal großzügigeres Trinkgeld, oder so manche Preisdiskussion am Einlass bleibt erspart. Außerdem glaube ich, oder habe zumindest die Hoffnung, dass die Menschen sich wieder auf Wesentlicheres besinnen. Werte wie Gesundheit oder das Beisammensein mit den Liebsten. Andererseits aber auch Berufsgruppen, die bisher vielleicht nicht immer mit Anerkennung gesegnet waren, diese mehr erfahren – in welcher Hinsicht auch immer.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Passt auf euch auf („Bleibt gesund“ kann man ja kaum noch hören) und unterstützt das, was euch lieb ist. Ob der Klub nebenan, Band XY oder eure Nachbarn. Wir alle müssen da durch, also lasst uns zusammenhalten. Achja und wenn ihr Bock habt und ein paar Euro über, dann spendet dem Rosenkeller.