Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Erfurter Küchenchefin Karina Both-Peckham
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Karina Both-Peckham. Karina ist die Küchenchefin im kleinen Bistro-Café-Restaurant „Peckham’s“ in Erfurt, das sie mit ihrem Mann betreibt. Abgesehen davon ist sie Foodbloggerin, Kochbuchautorin und Rezepterfinderin.
Wie ist jetzt bei euch die aktuelle Lage?
Ab Kurzem dürfen wir unter Beachtung der Hygieneauflagen und mit eingeschränkter Gästezahl unser Bistro-Café wieder öffnen – wobei bis heute in Thüringen noch unklar ist, wie die Regelungen genau definiert werden. Ich hoffe, dass bald Klarheit herrscht.
Habt ihr Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Wirtschaftlich habe ich eher Angst vor dem aktuellen Verhalten vieler Menschen, die sich nicht an die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus halten, als vor dem Virus selbst. Denn sie provozieren einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen und damit auch einen weiteren für uns existenzbedrohenden Lockdown. Gesundheitlich war ich bisher um mich selbst eher nicht in Sorge, meine Sorge gilt der Risikogruppe, die ich durch solidarisches Verhalten zu schützen versuche, so gut ich es kann. Zwischenzeitlich und mit wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen mache ich mir aber noch mehr Gedanken: Denn selbst bei gesunden Menschen mit einem guten Immunsystem hinterlässt das Virus nach der Genesung teilweise schwerwiegende Schäden an der Lunge oder anderen entzündlich veränderten Gefäßen.
Gibt es eine Notlösung weiterhin Geld einzunehmen? Habt ihr Aktionen geplant?
Wir haben von Anfang an versucht, uns so gut es geht schadenmindernd zu verhalten, wie es so schön heißt. Wir haben sofort einen kleinen provisorischen Fensterverkauf aufgebaut, um unsere Schulden nicht ins bodenlose ausufern zu lassen. Diese Einnahmen decken natürlich bei Weitem nicht unsere Kosten, an ein eigenes Einkommen und die eigene Kranken- und Rentenversicherung gar nicht zu denken. Aber sie reduzieren den Schuldenberg, der uns im Nacken sitzt. Und unsere lieben Stammgäste kommen regelmäßig, zum Teil sogar jeden Tag, um uns mit dem Kauf des Mittagessens in der toGo-Box oder eines Kochbuchs zu unterstützen. Dafür sind wir unendlich dankbar. So viel Solidarität gibt Mut und Zuversicht.
Könnt ihr überhaupt kostendeckend arbeiten, wenn ihr unter Corona-Bedingungen wieder öffnet?
Es ist schwer abzuschätzen, wie sich alles unter Beachtung der Auflagen verändern wird. Es ist alles offen. Wir hoffen, nach der Öffnung wieder wenigstens über die Null hinauszukommen. Denn es ist sehr zehrend, unter schweren Bedingungen zu arbeiten und dabei als Selbständige kein Einkommen zu erzielen.
Musst du weiterhin die volle Miete für den Laden zahlen oder gibt es einen Erlass? Wie wird mit den Mitarbeitern weiterhin verfahren? Welche Posten musst du weiterhin tragen?
Wir haben über den kompletten Lockdown hinweg die vollständige Miete gezahlt. Unsere Mitarbeiter sind teils in Kurzarbeit, teils arbeiten sie noch eine reduzierte Stundenzahl, um den provisorischen Fensterverkauf gemeinsam mit mir und meinem Mann zu stemmen. Die Fixkosten laufen alle weiter, nicht nur die Miete, sondern auch Versicherungen, Telefon, Internet, Strom und andere Nebenkosten. Dazu kommen die flexiblen Kosten für Lebensmittel, Material und Personal, die wir aufbringen müssen, um den provisorischen Fensterverkauf aufrecht erhalten zu können. Nach Abzug der Waren-, Personalkosten und Steuern bleibt nur ein kleiner Teil des Umsatzes übrig, den wir schadenmindernd zur Zahlung der Fixkosten nutzen können.
Bekommst du von außen Hilfe/Förderung?
Wir haben Soforthilfe beantragt und sie auch wirklich sofort bekommen. Wir haben im ersten Monat des Lockdowns ein Minus von 7.000 Euro erzielt – trotz Fensterverkauf, was vor allem auch daran liegt, dass viele Kosten erst im Folgemonat beglichen werden und die kostensenkenden Maßnahmen erst im Folgemonat nach dem Lockdown greifen. Da waren die 5.000 Euro Thüringer Soforthilfe dringend nötig, auf die ergänzenden 4.000 Euro vom Bund warten wir aktuell noch und hoffen, mit dieser Hilfe, dem Fensterverkauf und den im Folgemonat greifenden Einsparmaßnahmen auf 0 zu kommen. Ich hoffe ergänzend sehr, dass die Vorgabe für die Hilfe auf Bundesebene, dass Personalkosten nicht vom Umsatz abgezogen werden dürfen, aufgehoben wird – diese Richtlinie ist nicht durchdacht und geht an der Realität aller Unternehmer vorbei, die ergänzend zu staatlichen Hilfen versuchen, sich auch aus eigener Kraft heraus schadenmindernd zu verhalten.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Ja, definitiv. Die Zuversicht behalten. Kreativ werden. Pragmatisch das Beste aus der Situation zu machen und den Blick und die Dankbarkeit für die vielen guten Dinge, die inmitten dieser schweren Zeit um uns herum passieren, zu bewahren, das hilft in jeder Krise.
Was würdest du dir jetzt konkret wünschen? (Forderungen an die Politik)
Ich denke, die Politik ist insgesamt auf dem richtigen Weg – und das sage ich als jemand, der wirklich existenziell unter dem Lockdown zu leiden hat. Wichtig ist es, jetzt in der Krise die richtigen Signale zu setzen, die Perspektiven geben: Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen ist für unsere Branche ein solcher Schritt in die richtige Richtung, der der schwer angeschlagenen Gastronomie wirklich helfen kann. Aber die Beschränkung auf ein Jahr ist zu kurz gedacht – unsere Branche wird länger brauchen, um sich vom Lockdown zu erholen. Vor allem, falls ein weiterer kommt, weil die Menschen im Zuge der Lockerungen unvorsichtig, teils leichtsinnig werden. Auch die Förderung nachhaltiger Wirtschaftszweige, wie erneuerbare Energie, durch Steuersenkungen, finde ich sehr begrüßenswert.
Wieder andere Signale gehen für mich in die völlig falsche Richtung. Autolobby vor Bildung? Ehrlich? Ich verstehe, dass umfassende Bildung und Betreuung unserer Kinder in der neuen Normalität mit Corona große Herausforderungen mit sich bringen, sowohl personell, als auch räumlich und organisatorisch. Aber diese Strukturen müssen jetzt schnellst möglich aufgebaut werden, hierhin sollten die Mittel fließen. Denn wenn berufstätige Eltern Dank umfassender Kinderbetreuung wieder arbeiten können und die Bildung unserer aller Zukunft – unserer Kinder – gesichert ist, dann ist der Wirtschaft mehr geholfen, als mit jeder Abwrackprämie.
Wie soll es nach der Krise für dich und dein Geschäft weitergehen?
Wir müssen uns zunächst in der neuen Normalität mit Corona zurechtfinden. Da betreten wir alle Neuland und müssen jetzt kreativ werden, um die bestmöglichen Lösungen zu finden. Wenn sich dann hoffentlich alles in einer neuen Form stabilisiert hat, werden wir weitersehen. Vielleicht entstehen ja auch ganz neue Ideen und positive Impulse, die wir, so schwer diese Zeit auch sein mag, für uns mitnehmen können.
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Ja, es werden zwar Stimmen laut, dass nicht jede Krise Chancen mit sich bringt. Aber diese tut es. Die Welle der Solidarität, die vor allem während des harten Lockdowns zu spüren war, werde ich für immer im Herzen behalten. Vielleicht behält auch der ein oder andere den Gedanken #supportyourlocals in seinem Herzen, und stürzt nicht bei nächstbester Gelegenheit zum Großkonzern oder zum Online-Giganten. Sondern besinnt sich auf die vielen wundervollen, inhabergeführten Läden, die unsere Stadt mit Leben füllen. Und es gibt noch so viele weitere Impulse – ich habe die Zeit des Lockdowns genutzt, um Tagebuch zu schreiben, und habe dort auch diese schönen Impulse zusammengetragen.
Hardfacts:
- Wo? „Peckham’s“ | Pergamentergasse 11, 99084 Erfurt
- Leckere Rezepte findest du auf YouTube | Instagram | Facebook
- Hier kannst du ihren Blog durchstöbern
- Hier findest du weitere Info’s zu „Peckham’s“