Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Jan-Phillip Niediek vom Retronom Erfurt
In unserer neuen Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Jan-Phillip Niediek vom Retronom in Erfurt. Die Szene-Bar/Galerie organisiert Kunst-Ausstellungen und betreibt eine Kleinkunstbühne, in der die verschiedensten Veranstaltungen stattfinden. Das Retronom wird vom vom Snokksen e.V. geführt und liegt im Herzen der Erfurter Altstadt.
Wie ist eure aktuelle Lage in Zeiten von Corona?
Ist nicht so viel los zurzeit. Wir haben die Schließung seit dem ersten Wochenende, dem 20. März, durchgezogen. Auch wenn es da noch nicht so offiziell war, aber wir haben gesagt, wenn dann alle rund herum zu machen, können wir nicht die Letzten sein, die noch offen haben. Und seitdem geben wir uns den staatlichen Vorschriften hin.
Gibt es einen Notfallplan um weiterhin Geld einzunehmen? Nehmt ihr aktuell irgendwie Geld ein?
Es gibt gerade keine Einnahmen. Ich habe natürlich alle Anträge gestellt. Wir zwei Mitarbeiter sind jetzt erstmal in Kurzarbeit gegangen, weil uns nichts anderes übrigbleibt. Da sind ja gerade auch keine Stunden zu leisten. Von großen Umbaumaßnahmen nehmen wir uns jetzt auch erstmal zurück, weil wir ja nicht wissen, wie lange das noch gehen wird. Nicht dass wir dann Geld investieren, das wir am Ende doch gebraucht hätten.
Es wird jetzt ja auch nicht kälter, sondern eher wärmer – vielleicht kann man das Ganze dann so ein bisschen nach draußen verlagern. Wir müssen mal sehen, wie und wann wir dann wieder starten dürfen. Plan C wäre, dass wir das Ganze aussitzen und dann im Herbst wiedereinsetzen.
Es gibt ja auch noch Retronom Records. Macht ihr da noch was?
Da ist ja ganz neu in der Krise von Weltunterklang & Upper Class „Ebenbild“ rausgekommen. Da geht’s auf jeden Fall weiter. Die Jungs sind natürlich produktiv. Jetzt wo man sich einschließen und was machen kann, freut man sich natürlich über die gewonnene Zeit. Jetzt können wir angefangene Projekte mal zu Ende bringen.
Müsst ihr weiterhin die volle Miete für den Laden zahlen?
Unsere Ladenfläche ist zum Glück nicht ganz so groß und wir sind nicht von so hohen Miet- und Nebenkosten bedroht, dass wir uns da momentan sorgen müssten. Ich habe mit dem Steuerberater gesprochen, dass wir Steuerlasten erstmal Stunden. Das machen ja momentan alle anderen auch. Dadurch schiebt man das alles ein bisschen auf und guckt, dass der Schaden kleinstmöglich bleibt.
Was sind die Kosten, die trotzdem beglichen werden müssen?
Das sind bei uns natürlich auch Gebäude und Raumkosten, Strom und Wasser. Nicht alle Zahlungen können gestundet werden. So kostet auch ein geschlossenes Retronom ein bisschen.
Ihr seid ein eingetragener Verein, inwiefern bringen sich eure Mitglieder jetzt in der aktuellen Situation ein?
So gut sie eben können. Wie schon gesagt, wir scheuen uns gerade zu große Aufgaben anzunehmen. Viele große Baustellen haben wir in den letzten Jahren auch schon erledigt. Wir müssen mal gucken, wie sich die nächsten Ausstellungen jetzt gestalten, weil wir da auch mit Fördergeldern der Stadt Erfurt bedacht sind. Wie wir die Veranstaltungen zielführend umsetzen und wie wir da gemeinsam auch die nächste Ausstellung aus dem Boden stampfen können, wird sich zeigen.
Bekommt ihr von außen Hilfe? Beantragt ihr beispielsweise Gelder beim Bund?
Ich habe Antrag gestellt auf das Förderprogramm des Freistaates Thüringen.
Habt ihr Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Wir kümmern uns darum, dass unser eigenes Business so ein bisschen auf die Kette zu kriegt, räumen Schreibtisch und die Comicbuchsammlung auf und versuchen ein bisschen Sport zu machen. So viel rausgehen sollte man jetzt ja dann auch nicht. Bei dem guten Wetter fällt das natürlich schwer, aber mal so eine Runde um den Block kann man ja laufen. Ansonsten: Pläne schmieden für den Sommer. Wir haben ein bisschen aufgeräumt und sind jetzt eigentlich startklar, um dann direkt wieder aufzumachen.
Wie soll es nach der Krise für euch und euer Geschäft weitergehen?
Wir hatten natürlich schon Pläne, wobei das für den Anfang Mai Geplante jetzt auch erstmal in den Sternen steht, gerade mit Familie zu Hause und einer 24h-Kinderbetreuung haben sie jetzt auch nicht so die Möglichkeiten. Dazu kommt noch das Home-Office und dann nebenbei noch eine Ausstellung zu machen, ist schwierig. Die Künstler haben gerade sozusagen andere Prioritäten, die erstmal erfüllt werden müssen. Ich tue mich aktuell auch ein bisschen schwer, konkrete Pläne zu schmieden, wenn wir noch gar nicht wissen, ab wann …
Djs, Künstler und Künstlerinnen – alle sind natürlich momentan sehr unsicher, wie es weitergeht. Aber wir haben natürlich gegenseitiges Interesse, weiter zusammenzuarbeiten. Also ich denke, jeder Künstler oder Musiker hat auch Bock. Natürlich sind sie jetzt zu Hause oder im Studio vorerst eingeschränkt und freuen sich, wenn sie dann wieder vor Publikum spielen können. Also Sorgen, dass wir uns dann wieder ein schönes buntes Programm zusammenstricken können, mach ich mir nicht.
Was erwartet ihr jetzt von der Politik? Habt ihr dringliche Forderungen?
Da erwarten wir verantwortungsvolles Handeln und fordern, dass die Gesellschaft im Ganzen im Blick behalten werden sollte. Auch die Relevanz unserer Berufsgruppen sollte nicht minder bewertet werden.
Denkt ihr, das alles kann etwas Positives mit sich bringen?
Wir schauen, dass wir bei den städtischen Streams mit dabei sind und überlegen auch, ob wir da noch mal was Eigenes anbieten. Aus dem Retronom in die Welt des Internets, in eure Wohnzimmer. Aber das ist noch in der Diskussion. Da wir nicht die Streaming-Erfahrung mitbringen und nicht die Rechnerleistung und so on board haben, müssen wir schauen, dass das dann auch dem Sound gerecht wird.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, uns an diese Regeln zu halten. Und umso besser wir uns daran halten, umso schneller kann’s für alle dann auch ausgestanden sein. Bleibt zu Hause, Leute! Macht das Beste daraus. Habt euch lieb, streitet euch nicht und wer auf den Balkon oder in den Garten kann, hat natürlich Glück und sollte das erst mal genießen.
Mehr im t.akt-Magazin zum Retronom in Erfurt
Hard Facts:
- Johannesstraße 17A | Erfurt
- Mehr Informationen auf Facebook oder unter www.retronom.net
Mehr Spannendes vom t.akt-Magazin:
-
Restaurant-Neueröffnung in Coronazeiten: Peter Pane in Erfurt geht neue Wege
-
Mach ‘ne Social-Distance-Party mit deinen Freunden – Das sind die Top 3 Videochat-Apps
-
Mühlhäuser Museen gelingt Sensationsfund – Täglicher Video-Podcast gestartet